Winterfeste Alpenveilchen

Wahrhaft volkstümlich

Es gehört Jahr für Jahr, Winter für Winter auf jede Fensterbank; ausdauernd, farbenfroh, von nahezu ätherischer Schönheit. Die Mutter sagte nie „Das Alpenveilchen“ sondern immer „Mein Alpenveilchen“. Allerdings, um ausdauernd zu blühen, hat es das Alpenveilchen gern kühl, 20 Grad Zimmertemperatur sind ihm zu hoch. Ob da nicht aber Alpenveilchen eh draußen besser gedeihen und blühen? – Es gibt sie tatsächlich, die „winterharten“.

 (DR)

„Sie haben ungemessene Zeit hindurch ihr Spiel in Wildnissen getrieben und die größten Verwandlungen überdauert. So wird von Ihrem Weiterbestand auch noch die winzige Zeitspanne überdauert werden, bis sie wahrhaft volkstümlich in Gärten werden.“

Karl Foerster, leidenschaftlicher Blumenzüchter und Gartenphilosoph, war überzeugt, dass die winterharten Alpenveilchen ihren Weg in unsere Gärten und Parks schon finden werden. Das Rundblättrige Alpenveilchen oder Frühlings-Alpenveilchen, Cyclamen coum, blüht dieses Jahr dank des milden Winters schon seit Ende Januar. Und diese Alpenveilchen sind sogar anspruchslos, sie fühlen sich im trockenen Schatten von Sträuchern und Bäumen am wohlsten.

Den harten Zeiten trotzen

Aber: das Zitat von Karl Förster ist 75 Jahre alt und bis heute sind winterharte Alpenveilchen eher seltene Gäste in unseren Gärten. Vielleicht weil die Geduld fehlt. Vielleicht haben manche zur falschen Zeit aufgegeben, denn das zarte Frühlings-Alpenveilchen stirbt manchmal scheinbar ab, kennt aber das Geheimnis der Auferstehung:

Bei strengerem Frost werden die Blätter weich und schlaff und sehen dann fast aus wie gekochte Spinatblätter. Wer sie so sieht, ist schnell überzeugt: Die sind hinüber. Da kommt nichts mehr. Doch sobald die Frostperiode vorbei ist, werden die Blätter wieder straff und fest. Sie wachsen und blühen weiter als hätte es den Frost nie gegeben.

Auch das herbstblühende Alpenveilchen, das wegen seiner dekorativen Blätter auch das Efeublättrige Alpenveilchen genannt wird, gibt sich vollständig den harten Zeiten seines Lebens hin. Und die damit verbundene Anstrengung sorgt nicht etwa dafür, dass Alpenveilchen kurzlebig wären. Im Gegenteil: Einzelne Exemplare sind nachweislich über 60 Jahre alt. Dabei können die flachen Knollen ihre Dimensionen im Lauf der Jahre enorm vergrößern. Das hat ihnen auch den Namen Erdbrot oder Erdteller eingebracht. Es sind Exemplare von 30 cm Durchmesser bekannt. Das ist schon beeindruckend. Vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass diese oberirdisch betrachtet so zarten Pflänzchen in den denkbar ungünstigsten Lebensumständen zu Recht kommen müssen: Trockener Schatten unter dem Wurzeldruck der Bäume.

Im Sommer gern trocken

Winterharte Wild-Cyclamen wählen für ihre Blüh- und Wachstumsphase deshalb den Herbst, Winter und Frühling. Da sind in Mitteleuropa die Laubgehölze blattlos, werfen keine Schatten und ziehen kein Wasser. Also sind für die Wachstumsphase der Alpenveilchen genügend Licht, Wasser und Nährstoffe vorhanden. Später im Jahr brauchen die Alpenveilchen kaum noch Wasser, weil sie nun ihrerseits die Blätter eingezogen haben.

Wer seinem Alpenveilchen im Garten ein gutes Zuhause bieten möchte, der achte darauf, dass er einen Standort wählt, der im Sommer weitgehend trocken bleibt. Auch sollte der Boden eine gute, krümelige Struktur haben. Und gut kalkhaltig sein. Im sauren Milieu unter Nadelgewächsen streiken auch die Alpenveilchen. Gefällt es den kleinen Lebenskünstlern an ihrem neuen Standort, säen sie sich selbst aus. Nicht zuletzt mit Hilfe der Ameisen, die die ölhaltigen Samen lecker finden. Und in aller Gelassenheit entwickeln die Frühlings-Alpenveilchen große Blütenteppiche.
(Claudia Vogelsang)