Wiens Christoph Kardinal Schönborn wird 65 Jahre alt

Erzbischof mit Leidenschaft

In der katholischen Weltkirche fühlt er sich "zu Hause", vor allem aber ist er "mit Leidenschaft" seit nunmehr 15 Jahren Erzbischof von Wien: Christoph Kardinal Schönborn. Am Samstag ehrt ihn sein Erzbistum mit einer Pontifikalvesper im Stephansdom, einem Festakt und gleich zwei Festschriften.

 (DR)

Christoph Schönborn wurde am 22. Jänner 1945 im böhmischen Skalken (Skalka) geboren. Noch im selben Jahr musste die Familie nach Österreich flüchten, obwohl Schönborns Vater sich von der deutschen Wehrmacht getrennt hatte und der britischen Armee als Dolmetscher angehörte. Seine Kindheit verbrachte Christoph Schönborn in Schruns in Vorarlberg. Nach der Matura 1963 trat er im westfälischen Warburg in den Dominikanerorden ein. Er studierte Theologie und Philosophie in Walberberg bei Bonn, in Wien und Paris. Am 27. Dezember 1970 wurde er von Kardinal Franz König in Wien zum Priester geweiht.

1971/72 absolvierte Schönborn ein Doktoratsstudium am Institut Catholique in Paris, 1972/73 ein Studienjahr in Regensburg, wo der heutige Papst Benedikt XVI. sein Lehrer war. Seit damals gehört Schönborn dem "Schülerkreis" von Joseph Ratzinger an; dieser Schülerkreis trifft einmal im Jahr zusammen, seit der Wahl Ratzingers zum Papst jeweils in Castel Gandolfo.

Von Kirchenvätern inspiriert
1974 erwarb Schönborn am Institut Catholique in Paris den Doktorgrad mit einer Dissertation über das Thema "L'Icone du Christ", einer ersten Frucht seiner profunden ostkirchlichen Studien. Die Inspiration seines theologischen Denkens durch die Theologie der Kirchenväter des ersten Jahrtausends hat dem Wiener Erzbischof hohe Achtung im Bereich der orthodoxen Kirchen eingebracht. Der Kardinal konnte - auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung "Pro Oriente" - die Rolle Wiens für den ökumenischen Dialog mit Konstantinopel, Bukarest und Moskau stärken. Seine Besuche bei den orthodoxen Patriarchen dieser Städte fanden ein sehr positives Echo.

Ab 1975 lehrte Christoph Schönborn - zunächst als Gastprofessor und später als Ordinarius - Dogmatik an der Katholischen Universität Fribourg (Schweiz) und betreute auch einen Lehrauftrag für die Theologie des christlichen Ostens. Der Wiener Erzbischof ist Autor zahlreicher wissenschaftlich-theologischer, aber auch populärer Werke. Charakteristisch für den Kardinal ist bis heute, dass er gern schreibt, nicht am PC, sondern mit der Füllfeder in gestochen schöner Handschrift - u.a. auch Kolumnen für zwei populäre Wiener Tageszeitungen (einen Evangelienkommentar am Sonn- und Feiertag, eine aktuelle Kolumne am Freitag).

1980 wurde er Mitglied der Internationalen Theologenkommission des Heiligen Stuhls, 1987 Redaktionssekretär des "Weltkatechismus". In dieser Funktion lernte Christoph Schönborn viele Repräsentanten der Weltkirche aus unterschiedlichen Sprachgebieten kennen; es entstanden Verbindungen, die bis heute andauern. Sein Sprachentalent - von der perfekten Zweisprachigkeit deutsch/französisch bis zu slawischen Sprachkenntnissen - ist für den Wiener Erzbischof eine wichtige Hilfe bei der Erfüllung weltkirchlicher Aufgaben, auch im Sinn der von seinem Vorvorgänger, Kardinal Franz König, betonten Berufung der Erzdiözese Wien als "Ort der Begegnung" im Herzen des europäischen Kontinents.

Bischofsweihe 1991
1991 wurde Christoph Schönborn zum Weihbischof für die Erzdiözese Wien ernannt. Seine Bischofsweihe am 29. September 1991 im Wiener Stephansdom gestaltete sich nach den Jahren der innerkirchlichen "Turbulenzen" wieder zu einem "Fest der Diözese".
1993 wählte die Österreichische Bischofskonferenz den neuen Weihbischof zu ihrem Europa-Referenten. Das Thema Europa ist für den Wiener Erzbischof bis heute von zentraler Bedeutung; auch der Mitteleuropäische Katholikentag, der im Mai 2004 mit einer großen "Wallfahrt der Völker" in Mariazell seinen Höhepunkt fand, war wesentlich seiner Initiative zu verdanken. Seine Vorstellung von Europa ist differenziert. Europa müsse sich seiner christlichen Wurzeln bewusst bleiben, aber es sei auch klar, dass das Christentum für viele ein Fremdkörper in einer durch Vernunft, Aufklärung und Demokratie bestimmten Welt ist. "Europa wird seine geschichtliche Rolle nur erfüllen können, wenn es sich den 'Fremdkörper Christentum' als Teil seiner Identität erhält", so der Kardinal.

Am 13. April 1995 wurde Schönborn von Johannes Paul II. unter dramatischen Umständen (es war das Jahr der "Causa Groer") zum Erzbischof-Koadjutor von Wien ernannt, am 14. September 1995 zum Erzbischof von Wien. Der Festgottesdienst zu seinem Amtsantritt fand am 1. Oktober 1995 statt, dem Fest der "kleinen" Heiligen Theresia von Lisieux. Die französische Karmelitin ist für den Wiener Erzbischof mit ihrer Nähe zur Not der Nichtglaubenden und ihrer Option des "kleinen Weges" ein Vorbild für die suchenden Menschen von heute.

Am 29. Juni 1996 wurde ihm das Zeichen des Erzbischofs, das Pallium, übergeben. Am 21. Februar 1998 wurde der neue Wiener Erzbischof zum Kardinal erhoben. Seine Titelkirche ist "Gesu Divin Lavoratore" in den südlichen Vorstädten Roms, eine Pfarre mit einer besonders intensiven Seelsorge. Im selben Jahr 1998 übernahm Schönborn auch den Vorsitz der Österreichischen Bischofskonferenz.

Konzept der "Stadtmission"
Das Pastoralkonzept des Wiener Erzbischofs ist stark davon geprägt, dass die Kirche wieder missionarisch sein muss, dass sie in der Öffentlichkeit für das Evangelium Zeugnis abzulegen hat. Dies bedeutet für ihn keinen Rückgriff auf die Vergangenheit, sondern eine Umsetzung des Schreibens von Johannes Paul II. "Duc in altum" zum Jahrtausendbeginn auf die Situation der lokalen Kirche. Gemeinsam mit den Erzbischöfen von Paris, Brüssel, Lissabon und Budapest hat Kardinal Schönborn das Konzept der "Stadtmission" entwickelt. Auch die neue Initiative "Apostelgeschichte 2010" hat diese missionarische Ausrichtung; vor allem sollen die engagierten Katholiken befähigt werden, mit den suchenden Menschen von heute in ein Gespräch über den Glauben, über "Gott und die Welt", einzutreten.
Der Wiener Erzbischof unterstreicht die Bedeutung der Pfarrgemeinden, nahezu an jedem Wochenende ist der Kardinal in einer Pfarrgemeinde seiner Diözese zu Gast. Zugleich sieht er in den neuen geistlichen Bewegungen ("movimenti") einen wichtigen Impuls für das Leben der Kirche. Die Pfarrgemeinden bilden für Kardinal Schönborn gerade in "Zeiten der dreifachen Krise" (in Wirtschaft, Umwelt und Moral) das wichtigste Solidarnetz.

Dabei verschließt der Wiener Erzbischof die Augen nicht vor den dramatischen Herausforderungen für die Seelsorge wie dem Priestermangel und der Situation der wiederverheirateten Geschiedenen. Aber er ist kein Freund der vorschnellen "einfachen Lösungen" in die eine oder die andere Richtung. In seiner Haltung wird auch deutlich, dass er aus der Erfahrung seiner eigenen Herkunftsfamilie weiß, was Scheidung bedeutet. Die Worte des Kardinals bei der Trauermesse für Bundespräsident Thomas Klestil am 10. Juli 2004 im Stephansdom fanden große Beachtung: "Es fällt auch der Kirche nicht leicht, den Weg zwischen dem unbedingt notwendigen Schutz für Ehe und Familie einerseits und der ebenso notwendigen Barmherzigkeit mit dem menschlichen Scheitern und Neubeginnen anderseits zu finden".

"Kein Christ kann Antisemit sein"
Kardinal Schönborn erinnert die Katholiken aber auch immer wieder an ihre jüdischen Wurzeln. "Wir können Jesus nicht am Judentum vorbei oder gar gegen das Judentum finden", sagte der Wiener Erzbischof bei seiner Katechese im Stephansdom am 10. Jänner und unterstrich zugleich die Bedeutung des Konzilsdokuments "Nostra Aetate", das endgültig Schluss mit der Judenfeindschaft gemacht habe.
Die "Reinigung des Gedächtnisses" im Hinblick auf die österreichische Geschichte brachte Kardinal Schönborn u.a. auf der von ihm veranlassten neuen Gedenktafel auf dem Wiener Judenplatz zum Ausdruck, aber auch bei der öffentlichen Lesung der Neuauflage des Buches "Antwort an Hitler" von Irene Harand am 12. März 2005 auf dem Wiener Stephansplatz. Im Vorwort der Neuauflage hielt Kardinal Schönborn fest, dass kein Christ Antisemit sein kann.

Dialog mit dem Islam
Charakteristisch für den Wiener Erzbischof ist auch sein unbefangenes Verhältnis zum Islam, das sich etwa bei seiner Reise in den Iran 2002 zeigte. Hintergrund dafür ist ein konsequentes Bekenntnis zur Religionsfreiheit für Muslime in Europa und für Christen in islamisch dominierten Ländern, aber auch die Überzeugung, dass die Bekenner unterschiedlicher Religionen in der globalisierten Welt zum Miteinander verpflichtet sind. Wie in anderen Bereichen lässt sich der Kardinal auch im Hinblick auf das Gespräch mit dem Islam von einem großen Vordenker aus seinem Orden inspirieren, dem ägyptischen Dominikaner P. Georges Anawati (1905-1994), einer Schlüsselgestalt des christlich-islamischen Dialogs.

Ein weiterer Akzent ist die starke Betonung der Dimension "Weltkirche". So besuchte der Wiener Erzbischof 1998 das Wiener Partner-Vikariat Daule in Ecuador, wo eine Gruppe von Priestern und kirchlichen Mitarbeitern aus der Erzdiözese Wien tätig ist. Im Februar 2000 ließ er sich weder durch die politischen Troubles in Österreich noch durch die örtlichen Unruhen davon abhalten, in das krisengeschüttelte Nigeria zu reisen. Auch im Sommer des Jahres 2002 war Kardinal Schönborn wieder in Afrika, um mehrere Diözesen in Zambia zu besuchen. Auf Einladung des Apostolischen Nuntius in Jakarta war der Wiener Erzbischof Ende Dezember 2004 in Indonesien - gerade in jenem Augenblick, als der Raum des Indischen Ozeans von der Tsunami-Katastrophe heimgesucht wurde.

Die Österreich-Besuche der Päpste Johannes Paul II. (1998) und Benedikt XVI. (2007) bedeuteten Höhepunkte der bisherigen Amtszeit Kardinal Schönborns. Im Juni 1998 war die Seligsprechung der Märtyrerin Sr. Restituta Kafka, von P. Anton Maria Schwarz und Jakob Kern bei der großen Messe auf dem Heldenplatz der zentrale Augenblick, im September 2007 stand Mariazell als heimliche "spirituelle Hauptstadt Österreichs" im Mittelpunkt.

Kardinal Schönborn ist in der katholischen Weltkirche "zu Hause"; in erster Linie aber ist er - und das "mit Leidenschaft" - Erzbischof von Wien, betont dazu sein Pressesprecher, Prof. Erich Leitenberger.