Neues Domschatz-Museum in Chur eröffnet

Wiedersehen nach 44 Jahren mit den "Todesbildern" nach Holbein

Das Domschatz-Museum des Bistums Chur ist nicht nur wegen seiner mittelalterlichen Todesbilder einzigartig. Jetzt ist es neu eröffnet worden. Und auch das Kunstmuseum Chur befasst sich mit dem Thema Tod.

Autor/in:
Eva Meienberg und Sabine Kleyboldt
Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt (Bistum Chur) / © Roman Babakin (shutterstock)
Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt (Bistum Chur) / © Roman Babakin ( shutterstock )

Vor ein paar Monaten hätte man die "Churer Todesbilder" von 1543 wohl vor allem als Meisterwerk neu zur Kenntnis genommen, sagte Bischof Peter Bürcher zur Eröffnung des neuen Domschatz-Museums des Bistums. "Aber dann kam ja bekanntlich Corona." So sei der Bilderzyklus plötzlich mitten in der Wirklichkeit von 2020 angekommen. "Denn der Tod und das Leid sind uns auch hier in Chur in einer Art und Weise plötzlich wieder nahegekommen, wie wir es wohl nicht vermutet hätten", so der Bischof, der dem Schweizer Bistum seit Mai 2019 als Übergangsleiter vorsteht.

Todesbilder-Zyklus 44 Jahre nicht zu sehen

Rund 44 Jahre war der monumentale Todesbilder-Zyklus nach Motiven von Hans Holbein dem Jüngeren (1497-1543) öffentlich nicht mehr gezeigt worden. Am Wochenende wurde nun das neue Domschatz-Museum im Bischöflichen Schloss unmittelbar neben der Kathedrale eröffnet. Die Todesbilder, einer von zwei Sammlungsbeständen des Museums, umfassen 25 Szenen. Bis 1882 befanden sie sich in einem Korridor des bischöflichen Palastes. Das zu Beginn der 1940er Jahren in der unteren Sakristei eingerichtete Dommuseum wurde aufgrund einer Restaurierung 2002 geschlossen. Die äußerst wertvollen Originale fanden Aufnahme im Kulturgüterschutzraum des Rätischen Museums. Erst Erst jetzt sind sie in dem neuen Bau wieder öffentlich sichtbar.

Zweiter Sammlungsgegenstand des Museums ist der eigentliche Domschatz: kostbare Reliquiare und liturgische Gegenstände. Zusammen illustrieren sie die mehr als eineinhalb Jahrtausende alte Geschichte des Bistums, das als eines der ältesten nördlich der Alpen gilt.

Idee für das Museum kam bei Renovierungsarbeiten

Die Idee für das Museum in der Kantonshauptstadt Graubündens entstand 2002, als die Renovierungsarbeiten an der Kathedrale begannen; die Umsetzung verzögerte sich jedoch bis 2017. Das Museum, das von den Churer Architekten Rudolf Fontana und Gion Signorell entworfen wurde, befindet sich in einem denkmalgeschützten Gebäude, das zugleich der Amtssitz des Churer Bischofs ist.

Auch wenn der Domschatz insgesamt als einzigartig gilt - das Herzstück bilden doch die Todesbilder, geschaffen von einem unbekannten Künstler nach Holbeins Holzschnitten. "Die großformatige Umsetzung der kleinen Vorlagen ist eine Sensation von großem kunst- und kulturhistorischem Wert", schwärmt der künstlerische Direktor des Kunstmuseums in Chur, Stephan Kunz.

Ausstellung "Dance Me to the End of Love. Ein Totentanz"

Sein Museum greift das Thema derzeit mit der Ausstellung "Dance Me to the End of Love. Ein Totentanz" auf. Leitmotiv und Auftakt der Schau im Bündner Museum ist der Film "The written face" von Daniel Schmid. Darin tanzt ein 89-jähriger Tänzer in Frauenkleidern am Strand, wo sich Meer und Land berühren, in der Dämmerung zwischen Tag und Nacht, erläutert der künstlerische Direktor. "Uns interessieren diese Übergänge zwischen verschiedenen Zuständen, die auch die Totentänze zeigen."

Eine andere Aufnahme zeigt den berühmten kanadischen Pianisten Glenn Gould (1932-1982) bei einer seiner letzten Aufnahmen von Bachs Goldberg-Variationen. "Er spielt sie so langsam, dass sich die Musik aufzulösen scheint und der Pianist in ihr aufzugehen scheint", erklärt Kunz. "Diese Auflösung, dieser Übergang ist der rote Faden in unserer Ausstellung."

Darstellungen des Todes

Bildliche Darstellungen des Todes, der die Menschen oft mit Musik holt, gibt es in Europa seit dem 14. Jahrhundert. "Musik ist flüchtig. Sie ist da und schon wieder weg, so vergänglich wie das Leben. Der Tanz ist die Feier des Augenblicks", erläutert der Experte. "Sei dir bewusst, du bist sterblich." Der Totentanz verbinde alle Menschen. "Vor dem Tod sind alle gleich."

Diese Metapher ist den Menschen von heute nicht fremd, ist der Kurator überzeugt. "Denken Sie an die Partygänger, die bis zum Umfallen tanzen, an die Derwische, die sich in Trance drehen. Der Tanz schafft den Übergang in einen anderen Zustand, in ein anderes Bewusstsein wie der Tod." Historisch betrachtet, seien Aufträge zu Todesbildern oft in Zusammenhang mit Kriegen und Seuchen erteilt worden, so Kunz - und stimmt damit mit Bischof Bürcher überein: "Insofern haben diese Ausstellungen eine traurige Aktualität."


Peter Bürcher / © Andrea Krogmann (KNA)
Peter Bürcher / © Andrea Krogmann ( KNA )
Quelle:
KNA