Wie Schwester Michaela Weihnachten auf Juist erlebt hat

"Wir gehören zusammen"

In Ostfriesland auf der Insel Juist hat Schwester Michaela die Predigt für die Insulaner gehalten. Sie merkt, dass viele Menschen nach Juist kommen, um Ruhe und Gemeinschaft zu erleben. So kann jeder Besuch ein kleiner Neuanfang sein.

Juist im Winter / © Hane Street (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Seit einigen Monaten sind Sie nicht mehr Gemeindeleiterin, sondern im wohlverdienten Ruhestand. Aber die Predigt an Heiligabend, die haben Sie trotzdem gehalten?

Schwester Dr. Michaela Wachendorfer (Tourismusseelsorgerin auf der Insel Juist): Ja, Weihnachten ist eher ein Fest, wo hauptsächlich Insulaner da sind, da ist es hier noch verhältnismäßig still. Die Touristen, die rauschen jetzt erst in den nächsten Tagen hier an und wir haben gesagt, es sollte jemand predigen, die sich gut mit Insulanern auskennt und das bin wohl ich.

DOMRADIO.DE: Wie war der Gottesdienst? Sind viele Insulaner gekommen? Teilweise auch schon Urlauber?

Schwester Michaela Wachendorfer

"Ein paar Urlauber sind schon da, aber es ist letztendlich immer noch ein bisschen still hier an Weihnachten."

Sr. Michaela: Ja, ein paar Urlauber sind schon da, aber das ist letztendlich immer noch ein bisschen still hier an Weihnachten, weil die Hotels noch gar nicht alle aufhaben. 

Das war dann überraschend voll, weil auch noch der Musikzug der Feuerwehr in der Messe gespielt hat. Und da waren dann Insulaner da, die sich sonst vielleicht nicht in eine katholische Kirche trauten.

Katholische Kirche Zu den Heiligen Schutzengeln, Juist / © Schwester Dr. Michaela Wachendorfer (privat)
Katholische Kirche Zu den Heiligen Schutzengeln, Juist / © Schwester Dr. Michaela Wachendorfer ( privat )

DOMRADIO.DE: Dann sehen Sie dann Insulaner in der Kirche, die man sonst nie sieht, oder?

Sr. Michaela: Ja, tatsächlich. Es war auch jemand da, die sagte: "Ich glaube, ich war vor mehr als zehn Jahren mal da, die Kirche ist ja ganz schön".

DOMRADIO.DE: Bleiben Sie da dran, dass Sie sagen, wer nach zehn Jahren wiederkommt, den wollen wir auch ein bisschen fester binden?

Schwester Michaela Wachendorfer

"Man kann glücklich sein, dass überhaupt Insulaner da waren und etwas Positives mitgenommen haben."

Sr. Michaela: Ich glaube, die Insulaner lassen sich in dem Sinne nicht binden. Der Ostfriese an sich ist speziell und da kann man eigentlich glücklich sein, dass sie überhaupt da waren und etwas Positives mitgenommen haben. Das haben sie auf jeden Fall.

Sie haben sich darüber ausgetauscht, ob ein Friedensgruß nur Weihnachten gemacht wird, weil das das Fest des Friedens wäre. Und dann haben wir aber gesagt, nö, das machen wir eigentlich in jeder Messe. Das wäre ja eine tolle Sache mit dem Friedensgruß.

DOMRADIO.DE: Völlig neue Erkenntnisse. Was haben Sie den Gottesdienstbesuchern denn in der Predigt mit auf den Weg gegeben?

Sr. Michaela: Ich habe das Thema Geburt angesprochen, da ich auch Medizinerin bin. Ich fand das einfach ein wunderbarer Aufhänger, was in einer Geburt emotional für alle Umstehenden und Mitmachenden wichtig ist. 

Bei allem Schmerz und Biss und Mühe und Blut und alles ist durcheinander und strengt an und dann gibt es diesen tollen Augenblick, wo das Kind rauskommt. Dann sind alle eigentlich nur noch verklärt und denken, es ist ein Wunder, dieses winzige Kind.

Ich habe ein schönes Zitat von Hannah Arendt gefunden, die sagt: "Fürchte dich nicht, du bist nicht geboren zu sterben, sondern um neu anzufangen". Das finde ich großartig. Hinterher hat einer von den Männern gesagt: "Wissen Sie, für einen Vater ist das emotional irgendwie nicht zu verkraften."

Die ostfriesische Insel Juist / © Ingo Wagner (dpa)
Die ostfriesische Insel Juist / © Ingo Wagner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie kümmern sich ja auf der Insel weiterhin um Ihr Projekt "Stille auf Juist". Sie stellen schon seit einiger Zeit fest, dass die Menschen die Ruhe suchen. Da ist man auf Juist ganz gut aufgehoben. Was können Sie noch zusätzlich bieten?

Sr. Michaela: Die Menschen ziehen sich zurück, kriegen eine Unterkunft und können hier am Strand wandern und meditieren. Dazu gebe ich eine Anleitung oder unterstütze sie. Und es soll tatsächlich im Schweigen und offline passieren.

Es ist natürlich ein bisschen anspruchsvoll, dass man sich darauf einstellt und gleichzeitig eine großartige Erleichterung, zu sagen, ich merke jetzt erst, was bei mir drinnen los ist, wo ich welche Fragen habe, was mir wichtig ist, woran ich glaube oder wofür ich stehen will und was mich leider negativ beeinflusst. Oder eben, was mir Hoffnung gibt.

DOMRADIO.DE: Wie groß ist das Interesse?

Sr. Michaela: In diesen zwei Adventswochen, die vor Weihnachten möglich waren, waren sehr viele da. Ich habe mich gewundert. Es war auch eine Frau da, die hochschwanger war und ihre Mutter noch mitnahm, weil sie dachte, wer weiß, was mir auf der Insel Juist passieren kann. Aber dann waren beide hier und es war ganz schön. Bevor das Kind kommt, wollte sie ein bisschen in sich gehen und noch Zeit für sich haben.

DOMRADIO.DE: Bald steht der Jahreswechsel an. Wenn wir das Positive des Jahres nach vorne holen, was wäre das aus Ihrer Sicht?

Sr. Michaela Wachendorfer

"Hier sind alle herzlich willkommen, egal ob katholisch, evangelisch, ausgetreten oder 'gar nichts'."

Sr. Michaela: Ich glaube, dass wir jetzt hier in unserer Kirche festgestellt haben, dass Leute kommen, die einen Ort suchen, wo sie Gemeinschaft fühlen und sich eingeladen empfinden. Hier sind alle herzlich willkommen, egal ob man katholisch, evangelisch, ausgetreten oder "gar nichts" ist. Alle können hierher kommen, die irgendwie Gemeinschaft, Nachdenken, Nachsinnen, Beten, Meditieren suchen.

Du fühlst, dass anderen Leuten innere Dinge wichtig sind und dass man im gemeinsamen Singen zum Beispiel oder im gemeinsamen Tun merkt, wir gehören doch irgendwie zusammen. Das suchen die Menschen meistens, weil sie zu Hause sagen "bei uns in der Kirche ist überhaupt keiner mehr, den ich da finde". Oder "Kinder sehe ich da keine mehr und unsere Familie ist irgendwie so allein". 

Dieses Gemeinschaftsempfinden ist ganz wichtig. Das gibt Hoffnung.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Weihnachten

Weihnachten ist das Fest der Geburt Jesu Christi. Wann genau vor etwa 2.000 Jahren Jesus geboren wurde, ist nicht bekannt. Die Feier des 25. Dezember als Geburtsfest Jesu ist erstmals für das Jahr 336 in Rom bezeugt.

Weihnachten heißt so viel wie heilige, geweihte Nächte. Die Geburt Jesu bedeutet nach christlichem Verständnis die Menschwerdung Gottes; in Jesus hat sich Gott den Menschen mitgeteilt, sich in ihre Geschichte hinein begeben, sich ihrer erbarmt und ihnen Heil geschenkt. Deshalb gilt Weihnachten als Fest der Liebe.

Weihnachtsbaum / © Bernd Weissbrod (dpa)
Weihnachtsbaum / © Bernd Weissbrod ( dpa )

nhiew

Quelle:
DR