Wie Pfarrer Erwin Hausladen noch mit 87 Jahren Bergmessen feiert

Mit Bergstiefeln und Stola

Kurz bevor Erwin Hausladen 86 Jahre alt wurde, schrieb eine Münchner Lokalzeitung: "Der älteste Pfarrer muss in Ruhestand." Er mache seine Arbeit gerne, betonte der Studienkollege Joseph Ratzingers selber in dem folgenden Artikel. Und er macht sie noch immer, seine Arbeit. Auf der Alm.

Autor/in:
Veronika Wawatschek
Erwin Hausladen: seit mehr als 60 Jahren Priester und begeisterter Bergsteiger (KNA)
Erwin Hausladen: seit mehr als 60 Jahren Priester und begeisterter Bergsteiger / ( KNA )

"Ist das der Pfarrer? Der hat ja gar kein Messgewand an", wundert sich eine Gottesdienstbesucherin auf der Stie-Alm. Vorne an der Kapelle steht tatsächlich Priester Erwin Hausladen, und er hat Tracht inklusive Hut und Bergschuhe an. Blasmusik ertönt, Hausladen legt sich seine Stola um und los geht der Gottesdienst unter freiem Himmel an diesem Sommertag mit einem "Herzlichen Grüß Gott beinand".



Mehr als 300 Bergmessen hat der 87-Jährige im Laufe seines Priesterlebens schon gefeiert, viele an der Stie-Alm auf dem oberbayerischen Brauneck, einige aber auch in höheren Höhen. Einmal auf dem Allalinhorn, einem 4.000er in der Schweiz, musste der begeisterte Bergsteiger sogar mit dem Pickel ein Loch in das Gipfeleis schlagen. So konnte er Kelch und Schale für die Eucharistie sicher platzieren. Die Messe selbst zelebrierte er dann angeseilt.



Ein bisschen näher bei Gott

Mehrere Seilschaften waren damals dort zusammengekommen, Holländer, Deutsche, Engländer - Protestanten wie Katholiken. "Den Herrgott haben sie alle gebraucht", sagt Hausladen. Einen Kompass hatte keiner dabei, gemeinsam aber haben sie den Weg gefunden. Zusammenhalten - das sei Christ sein.



"Gott ist uns immer nah, auch im Keller", ist der Geistliche überzeugt. In den Bergen aber hat er dann doch das Gefühl, dem Herrn noch ein bisschen näher zu sein. 100 Meter hinter der Bavaria im Münchner Westen geboren, nahmen Eltern und Tanten ihn schon früh mit in die Berge. Passiert ist ihm in all den Jahren beim Wandern und Klettern nichts. Nur einmal, da hatte er doch das Gefühl, ein Schutzengel habe seine Hand über ihn gehalten. Im Klettergarten Baierbrunn riss ein Haken aus, er stürzte in die Tiefe und landete - "wie durch ein Wunder" - auf einem Laubhaufen, erinnert er sich und lacht laut heraus.



Seinen Humor hat sich "Buzi" stets bewahrt. Freunde und sogar Papst Benedikt XVI. nennen ihn noch immer so. Mit den Ratzinger-Brüdern hat Hausladen nämlich studiert, mit Joseph, dem jetzigen Papst und Bücherwurm, und Georg, dem Musikliebhaber. "Der Joseph war für uns der Bücherratz und sein Bruder war der Musikratz", sagt Hausladen und lacht wieder so herzhaft, dass seine Zahnlücke durchblitzt. Eigentlich wollte er Ingenieur werden. Dann aber fiel sein älterer Bruder, "der geborene Pfarrer", im Krieg und Erwin hatte das Gefühl, dass die Welt nach 1945 etwas anderes braucht als Techniker.



Hunderte Bergmessen im Sommer

"Herr, wir danken dir für unsere schöne Hoamat. Wir danken dir, dass du unsere Hoamat geworden bist", betet Hausladen am Ende der Bergmesse auf der Stie-Alm. Heimatverbunden und doch weltoffen sein, die Haltung prägt sein Priesterdasein bis heute. Umso schwerer fiel ihm im vergangenen Jahr der Abschied von seiner Pfarrei Sankt Thomas Morus in München, die er mitaufgebaut hatte. Er empfand ihn als von oben diktiert.



Überhaupt hat Hausladen 50 Jahre nach Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils das Gefühl, dass es mit der Kirche eher rückwärts geht. Man definiere sich wieder stärker über "überlebte Paragrafen". Die Strukturen würden autoritärer. "Wir haben doch nicht umsonst eine Demokratie", sagt er und verstummt dann. Er will nicht ins Lamentieren geraten, preist stattdessen lieber das sonnige Wetter, die idyllische Natur rund um die Alm, das gute Essen wie auch die Blasmusik bei der Messe.



Hunderte Bergmessen gibt es von Mai bis Oktober in den bayerischen Alpen. Dass sie reine Touristenattraktion werden, fürchtet Hausladen jedoch nicht. Für manche seien diese Gottesdienste ein echtes Bedürfnis. Und die anderen, die vielleicht erst nur aus touristischer Neugier kämen, würden letztlich ebenso etwas mitnehmen. "Auch wenn es nur die Musik ist." Für die gibt es am Ende der Messe "a sakrischs Vergelt"s Gott" und einen Applaus, der vielleicht nicht nur den Musikanten, sondern auch dem Pfarrer gilt. Lässt doch ein Besucher beim Verlassen der Bergwiese wissen: "So schön kann katholisch sein sein."