Wie nah waren Schleswig-Holsteins Pastoren dem NS?

"Es gibt praktisch fast keine neutrale Predigt"

Die frühere evangelische Landeskirche Schleswig-Holsteins war offenbar stärker in den Nationalsozialismus verstrickt als bisher angenommen. Ein Wissenschaftler wertete Personalakten der Landeskirche aus.

In Holz eingeritztes Hakenkreuz / © Julia Steinbrecht (KNA)
In Holz eingeritztes Hakenkreuz / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Historikers Helge-Fabien Hertz, wie am Dienstag die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) mitteilte. Der Wissenschaftler wertete demnach für seine fast 2.000 Seiten umfassende Promotion die Personalakten aller 729 Pastoren der Landeskirche in der Zeit zwischen 1933 und 1945 aus. Befürwortung und Unterstützung der NS-Herrschaft seien "erstaunlich weit verbreitet" gewesen, resümierte Hertz. "Es gibt praktisch fast keine NS-neutrale Predigt."

Äußerungen gegen jüdische Religion

Stellvertretend für seine Erkenntnisse steht nach Angaben der Uni das Zitat des Stormarner Propstes Gustav Dührkop: "Wer Deutscher und Christ sein will, der trete selbstlos in die vordersten Reihen und helfe des Führers Werk vollenden." Weitere eindeutige Indizien seien Äußerungen gegen die jüdische Religion oder gegen Juden, die Heiligung der "Volksgemeinschaft", die Rechtfertigung oder Verherrlichung des deutschen Angriffskriegs und die Verklärung von Hitler zu einer Person im Rang von Jesus Christus. Solche Aussagen habe es auch häufig in den Reihen der "Bekennenden Kirche" gegeben, eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen gegen Versuche einer Gleichschaltung der Kirche mit dem NS-Staat.

Laut Uni wurde Hertz bei seinen fünf Jahre dauernden Forschungen von der Nordkirche unterstützt. Es handele sich um die erste flächendeckende Untersuchung dieser Art für eine ganze Landeskirche.

Die 1867 gegründete Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schleswig-Holsteins umfasste das Gebiet der früheren preußischen Provinz Schleswig-Holstein. 1977 schloss sie sich gemeinsam mit weiteren norddeutschen Landeskirchen zur Nordelbischen Kirche zusammen. Diese ging 2012 wiederum in der heutigen Nordkirche auf.

Quelle:
KNA