Wie Museumsbesucher über die Herkunft von Kunst erfahren

Beschlagnahmt oder versteigert?

Um die Herkunft von Kunst kümmert sich die Provenienzforschung: Musste in der NS-Zeit eine Jüdin zum Beispiel Gemälde unter Zwang verkaufen? Über den Forschungsstand werden auch Besucher von einigen Museen informiert.

Autor/in:
Leticia Witte
Archiv: Ausstellung Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland / © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild (dpa)
Archiv: Ausstellung Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland / © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild ( dpa )

Kürzlich gab das Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal ein Gemälde von Max Liebermann an die Erben des Besitzers zurück. Felix Benjamin aus Berlin, jüdischer Abstammung, hatte unter dem Druck der Nationalsozialisten seinen Besitz nach und nach verloren – bis er 1943 in Theresienstadt ermordet wurde. Zu seiner Kunstsammlung gehörte auch ein Porträt von ihm selbst, das Liebermann 1921 zum 50. Geburtstag des Unternehmers Benjamin gemalt hatte.

Rückgabe an Erben und rechtmäßige Besitzer 

Im Jahr 2002 erwarb das Museum das Gemälde "Bildnis Felix Benjamin" – und nach einer Überprüfung sei davon auszugehen, dass die Familie es NS-verfolgungsbedingt verloren habe, hieß es. Nach der Rückgabe wurde das Porträt mit Geldern der Freiherr-von-der-Heydt-Stiftung zurückgekauft und kann somit in der Sammlung bleiben.

Das ist ein Beispiel erfolgreicher Restitution, also einer Rückgabe von Kunstwerken an Erben oder rechtmäßige Besitzer, sofern sie noch leben. Oftmals mussten sie im Nationalsozialismus Kunst unter Zwang verkaufen, ihren Besitz zurücklassen – oder dieser wurde beschlagnahmt. Dieser Kontext gehört ebenso zu einem Werk wie dessen künstlerische Umsetzung und Entstehungsgeschichte.

Träger von Erinnerung 

"Solche Informationen steigern den Wert eines Kunstwerkes. Nicht in materieller Hinsicht, sondern als Träger von Geschichte und von Erinnerung", erklärt die Provenienzforscherin des Wuppertaler Museums, Anna Baumberger. Damit sich auch Besucherinnen und Besucher über die Provenienz, also die Herkunft eines Bildes oder eine Skulptur, und die Forschung dazu informieren können, bietet das Museum eine "Provenienzampel". Die Forschung erstreckt sich auf Werke, die ab 1933 in die Sammlung kamen und die vor 1945 entstanden, wie Baumberger erläutert.

Symbolbild: Ampel / © Oliver Berg (dpa)
Symbolbild: Ampel / © Oliver Berg ( dpa )

"Lost Art"

Die "Ampel" hat nicht drei, sondern vier Farben. Grün bedeutet, dass es ein unbedenklicher Fall ist und kein NS-verfolgungsbedingter Entzug vorliegt. Rot meint, dass die Herkunft eindeutig belastet ist und daher die Suche nach heutigen Anspruchsberechtigten läuft und eine Meldung an die Lost-Art-Datenbank gegangen ist, die entzogene Kulturgüter meist jüdischer Eigentümerinnen und Eigentümer oder den Verdacht darauf dokumentiert. Bei Gelb bestehen Unklarheiten und weiterer Forschungsbedarf, bei Orange ist die Provenienz zwischen 1933 und 1945 bedenklich und muss weiter erforscht werden.

Eine entsprechende Tafel informiert das Publikum im Museum, und neben einzelnen Kunstwerken kleben Punkte in den vier Farben. Etwa neben Jankel Adlers "Bildnis Else Lasker-Schüler" von 1924: grün; Karl Schmidt-Rottluffs Holzschnitt "Stralsunder Türme" von 1912: gelb.

Ampelsystem auch in anderen Museen

Auch andere Museen nutzen dieses System. Lena Grundhuber vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg schätzt, dass Museen solche Visualisierungen für Besucherinnen und Besucher "in Einzelfällen" seit etwa sechs oder sieben Jahren anböten. "Das hängt damit zusammen, dass Museen erst seit einigen Jahren vermehrt Ausstellungen zur Provenienzforschung kuratieren."

Beim Publikum in Wuppertal komme die "Ampel" gut an, sagt Baumberger. Viele Menschen fragten sich erst einmal, was es damit auf sich habe, was Provenienzforschung sei und warum das Museum das mache. Am Ende kämen positive Reaktionen. "Wir machen transparent, was wir aktuell über ein Kunstwerk wissen und was nicht", erläutert Baumberger.

"Man stößt auch an Grenzen."

"In meiner Arbeit liegen die orangefarbenen Fälle ganz oben auf dem Stapel", betont die Expertin. Bei ihrer Forschung arbeitet sie nicht alleine, sondern mit Fachleuten anderer Disziplinen zusammen, etwa Restauratoren und Sammlungsleitern. Aber: "Man stößt auch an Grenzen." So fehlten mitunter Dokumente, oder man habe Informationen über eine Auktion, wisse aber nicht, warum genau ein Bild versteigert worden und ob das vonseiten eines Besitzers oder einer Besitzerin freiwillig geschehen sei.

Für die Sammlung des Museums selbst sei sie für etwa 7.000 Objekte zuständig, sagt Baumberger. Ein Drittel davon gelte als unbedenklich, bei zwei Dritteln bestünden Dokumentationslücken: "Dies ist ein typisches Bild." Der Liebermann-Fall hat sich aufgeklärt – da steht die Ampel jetzt auf Grün.

Quelle:
KNA