Wie Militärpfarrer Konrad Soldaten im Alltag und im Einsatz begleitet

"Seelsorge zwischen Strand, Schiff und Schützengraben"

Er ist schon aus einem Flugzeug gesprungen, hat Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten gefeiert und war zuletzt vier Monate im Libanon. Militärpfarrer Markus Konrad begleitet Soldaten in den verschiedenen Situationen ihres Lebens.

Militärpfarrer Markus Konrad teilt mit seinen Soldatinnen und Soldaten die Entbehrungen genauso wie die schönen Momente. / © Maximilian Bosse (Bundeswehr)
Militärpfarrer Markus Konrad teilt mit seinen Soldatinnen und Soldaten die Entbehrungen genauso wie die schönen Momente. / © Maximilian Bosse ( Bundeswehr )

DOMRADIO.DE: Wie kann man sich die Arbeit als Militärpfarrer vorstellen? 

Markus Konrad (katholischer Militärpfarrer der Bundeswehr in Zweibrücken): Man ist Seelsorger an einem ungewöhnlichen Arbeitsplatz bei der Bundeswehr. In der Kaserne habe ich mein Militärpfarramt. Und ich begleite Soldaten in den verschiedensten Situationen ihres Lebens, vor allen Dingen in beruflichen Zusammenhängen. 

DOMRADIO.DE: Sie haben keine Kirche vor Ort. Wie genau läuft ein Gottesdienst ab? 

Konrad: Die Gottesdienste sind immer ganz speziell. Wenn ich unterwegs bin, nimmt man ein bisschen die Stimmung auf, was die Soldaten so beschäftigt, was ihre Themen sind. Da finde ich es sehr berührend, wenn man den Ton und den Rahmen in etwa trifft, ihre Gedanken nochmal gottesdienstlich zu fassen. 

Militärpfarrer Markus Konrad betreut die Soldatinnen und Soldaten der Deutschen Fregatte im Mittelmeer. / © Caroline Lindner (Bundeswehr)
Militärpfarrer Markus Konrad betreut die Soldatinnen und Soldaten der Deutschen Fregatte im Mittelmeer. / © Caroline Lindner ( Bundeswehr )

Man ist vielleicht am Strand, man lagert irgendwo auf einer Wiese, auf einem Truppenübungsplatz, setzt sich einfach zusammen. Oder was besonders cool ist: Man ist bei einer Fregatte, also einem großen Schiff, und dort wird auf dem Flugdeck ein Tisch hingestellt, der Altar, ein Kreuz, und dann sitzt man da bei strahlendem Sonnenschein zusammen und versucht, das eigene Leben etwas zu reflektieren, in einen religiösen Zusammenhang zu stellen. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie haben immer alles dabei und Gottesdienst geht überall? 

Markus Konrad

"Gottesdienst geht überall. Ich habe alles dabei, also sprich Kreuz, Kerze und eine Bibel."

Konrad: Gottesdienst geht überall. Ich habe alles dabei, also sprich Kreuz, Kerze und eine Bibel.

DOMRADIO.DE: Sie hatten es gerade schon angesprochen. Die Soldaten kommen mit etwas anderen Themen auf Sie zu, oder? 

Konrad: Eigentlich sind die Themen ähnlich, denke ich. Aber wenn ein Soldat vier Monate von zu Hause weg ist und frisch verheiratet ist und die Partnerin noch kein so großes soziokulturelles Umfeld hat, dann ist es schon schwer, weg zu sein und es auszuhalten, wenn die Partnerin sagt, dass es doch viel schöner wäre, wenn er da wäre. Da wird man plötzlich als Pfarrer zum Gesprächspartner, zu einem, der die Sorgen trägt. Oder man denkt dran, wenn die Kinder zu Hause Stress machen, krank sind. 

Ich war zum ersten Mal an Christi Himmelfahrt auf hoher See und eigentlich mag ich den Namen Vatertag gar nicht. Aber so heißt es mittlerweile. Dann habe ich gedacht: Was heißt hier eigentlich Vater sein? Vater sein, sechs Monate weit weg von zu Hause. Da habe ich mich gefragt, wie ist das eigentlich mit dem väterlichen Gott ist? Wie ist es mit dem eigenen Wunsch, nah zu sein und trotzdem fern zu sein? 

DOMRADIO.DE: Wie ist das eigentlich bei den Soldaten? Sind die alle gläubige Christen? 

Konrad: Ich glaube, bei Soldaten ist es genauso wie in der Gesellschaft. Die jüngeren Soldaten haben sich zunehmend von der Kirche entfernt. Aber ob sie gläubig sind, weiß ich letztlich gar nicht so genau. Manche outen sich und sagen, dass sie mal Messdiener waren. Aber das äußern sie oft sehr diskret. 

Ein anderes Beispiel ist ein muslimischer Soldat, der mal gesagt hat: "Markus, woher weißt du eigentlich, wie ich mich fühle? Freestylst du die Gebete oder stehen die wo?" Dann habe ich ihm gesagt: "Das, was ihr mir erzählt, versuche ich mit dem lieben Gott in Verbindung zu bringen." Er sagte darauf, dass das passt. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, sie nehmen Ihren Segen sehr gut an? 

Konrad: Das finde ich immer sehr bewegend. Am Ende eines solchen Einsatzes oder einer intensiveren Zeit, biete ich es oft an und sage: "Ich weiß nicht, ob es euch recht ist, aber ich würde euch gern segnen." 

Das sind oft Einzelsegnungen, ganz klassisch bei Soldaten. Da kommt man denen manchmal auch nah, man legt die Hand auf den Kopf oder die Schulter. Und wenn man da dann den Ton trifft, das, was ihn vielleicht beschäftigt, wird das sehr gerne entgegengenommen und oft auch mit einer Emotion bedacht.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich als Militärpfarrer richtig weiterbilden lassen. Sie sind zum Beispiel auch mal aus dem Flugzeug gesprungen. Was genau haben Sie da gemacht und warum wollten Sie das? 

Markus Konrad

"Ich wollte Stallgeruch annehmen. Dazu gehören natürlich auch manche Herausforderungen."

Konrad: Auf der einen Seite habe ich oft den Gedanken gehabt, den Menschen nahe sein zu wollen. Die andere Seite ist etwas theologisch, könnte man sagen: Ich wollte Stallgeruch annehmen. Dazu gehören natürlich auch manche Herausforderungen, wie den Leistungsmarsch mal über drei Tage draußen verbringen – ohne Schlafsack, mit Soldaten und irgendwie Feuer machen. 

Als Kontingentangehöriger in Uniform nimmt Militärpfarrer Markus Konrad auch an Übungsvorhaben teil, wie hier an einer Sanitätsausbildung. / © Angelo Siefert (Bundeswehr)
Als Kontingentangehöriger in Uniform nimmt Militärpfarrer Markus Konrad auch an Übungsvorhaben teil, wie hier an einer Sanitätsausbildung. / © Angelo Siefert ( Bundeswehr )

Ich habe eine sehr qualifizierte Erste-Hilfe-Ausbildung, ich könnte im Falle des Falles auch mal einen FASC legen, also einen Zugang. Ich habe sogar einen Luftröhrenschnitt geübt. Aber ich hoffe, dass ich das nie irgendwie zur Anwendung bringe. 

Aber eigentlich ist mein Gedanke, ganz nah an den Soldaten meiner Zielgruppe dran zu sein, um dann wirklich auch eine Wahrnehmung zu haben, was eigentlich die Herausforderungen sind, die ein Soldat hat. Wie ist es, wenn ich vielleicht im Gefecht bin und die Erfahrung mache, dass der Kamerad nebendran schwer verletzt ist? Und ich kann vielleicht nicht helfen. Ich komme an Grenzen.

DOMRADIO.DE: Wie ist das denn, wenn man aus dem Einsatz wieder zurückkommt?

Konrad: Ursprünglich hatte ich gedacht, ich kann wieder genau dort anknüpfen, wo ich abgeflogen bin, und komm dann wieder zurück. Ich habe dann aber zum einen die Stimmung in Deutschland wahrgenommen, dass viele Menschen jammern und sagen: "Uns geht es gar nicht so gut."

Wenn man dann diese Vergleiche zieht, hat man es manchmal sehr schwer, wieder richtig Fuß zu fassen, da ich tatsächlich mit Armut konfrontiert worden bin, mit Menschen, die Sorge um Leib und Leben haben. Auch man selbst fürchtet sich etwas, wenn man in einem Bunker sitzt und sich fragt, ob man da gut und gesund wieder nach Hause kommt. 

Ich habe da ein bisschen gebraucht. Und ich merke, wie wichtig für mich Freundschaften sind, die schon lang geprägt sind. Einem guten Schulfreund, der auch in den helfenden Berufen unterwegs ist, konnte ich was erzählen, mich öffnen. Wenn mich jemand gefragt hat: "Und? Wie war es? Was ist denn da passiert?" – dann habe ich zugemacht und nix erzählt. Das war eine ganz eigene Erfahrung. 

DOMRADIO.DE: Wie ist das denn, wenn Sie nicht im Auslandseinsatz sind? Was machen Sie hier mit den Soldaten? Da spielen auch Esel eine Rolle?

Konrad: Genau, ich habe was mit Eseln geplant. Ich habe eine Eselstour gemacht, allerdings eher für junge Soldaten, die noch keine Einsatzerfahrung haben, wo es ein bisschen um Vertrauen geht. Fallschirmjäger, mit denen ich sonst unterwegs bin, die müssen einander fast schon blind vertrauen können. Da muss das Handling sitzen, damit sie wissen, was sie zu tun haben. 

In einer Kompanie hat es da ein bisschen gehakt. Manchmal versteht man vielleicht Kameradschaft nicht richtig, man deckt den anderen, obwohl man eigentlich im Bauch schon das Gefühl hat, das passt gar nicht zusammen, das passt nicht zu unserem Beruf. 

Da hatten wir eine Eselwanderung gemacht. Wir haben vorher viel gearbeitet, um einfach nochmal nonverbal zu kommunizieren. Und solche Tiere sind äußerst sensibel, das war ganz spannend. 

Dazu eine kurze Episode: Es gab eine erste Gruppe. Mit der lief das super. Da sind die Soldaten auf die Esel zugegangen und die sind wiederum stehen geblieben. Die Esel waren sehr vertrauensvoll, die Gruppe konnte die Esel auch gut händeln. Diese Tiere können ja auch manchmal störrisch sein. 

Als die zweite Gruppe reinkam, sind alle Esel weggelaufen und haben sich erstmal in den Wald zurückgezogen. Da habe ich gestaunt, wie sensibel Tiere doch sind. Sowas zu reflektieren, auszuwerten, ins Gespräch zu bringen, da sehe ich mich wieder in meiner Rolle.

DOMRADIO.DE: Sie bieten Seelsorge an. Aber wie ist das bei Ihnen selbst? Geht man als Pfarrer auch selber zur Seelsorge? 

Konrad: Ich hatte tatsächlich auch selbst Nachbereitungsseminare. Ich gehe drei Wochen zu einer psychischen Stärkungsmaßnahme, die bietet die Bundeswehr für Soldaten an, die in Kriegs- oder Krisengebieten waren, um wieder Gespräche zu führen, darüber zu erzählen. 

Denn das kann man nicht jedem anvertrauen. Das hilft wieder, mit den Füßen richtig auf den Boden zu kommen. Dann gibt es Freunde, die mich schon lange kennen. Die sind total wichtig für mich. Es gibt natürlich auch Pfarrer und in dem Falle Seelsorgerinnen, die einen ganz engen Draht zu mir pflegen.

Das Interview führte Lara Burghardt. 

Militärseelsorge in Deutschland

Nach dem Soldatengesetz hat jeder Soldat und jede Soldatin Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung.

Bislang leisten in der Bundeswehr die evangelische und die katholische Kirche sowie die jüdische Gemeinschaft eine vertraglich vereinbarte Militärseelsorge für die Soldaten und deren Angehörige.

Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem / © Monika Skolimowska (dpa)
Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem / © Monika Skolimowska ( dpa )
Quelle:
DR

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