Wie könnten Laien in Bistümern konkret mehr mitbestimmen?

"Es braucht eine Regelung im Konfliktfall"

Im Bistum Münster sollen Laien mehr Mitbestimmung erhalten. Doch wie soll das gehen, ohne dass der Vatikan das Stoppschild zeigt? Für Frank Möllmann vom Münsteraner Diözesanrat ist klar, dass es ein Konfliktmanagement geben muss.

Symbolbild Abstimmung / © MichaelJayBerlin (shutterstock)
Symbolbild Abstimmung / © MichaelJayBerlin ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was ist ein Diözesanrat? Ist das so eine Art Pfarrgemeinderat auf Bistumsebene? 

Dr. Frank Möllmann (Moderator des Diözesanrats im Bistum Münster): Ja, das ist eine ganz schöne Umschreibung. Der Diözesanrat ist ein Gremium, was sich möglichst aus Repräsentanten aus verschiedenen Regionen des Bistums, aus verschiedenen Berufsgruppen und verschiedenen Verbänden zusammensetzt und den Bischof in wichtigen Entscheidungen, die im Bistum anstehen, berät.

Das Gremium trifft sich vier bis fünf Mal im Jahr. Es gibt immer eine Thematik, die der Hauptausschuss vorbereitet. Der Diözesanrat trifft dazu Entscheidungen, die aber jeweils Empfehlungen an den Bischof sind. Letzten Endes hat der Diözesanrat aber "de jure" keine eigene Entscheidungsgewalt. 

DOMRADIO.DE: Das soll sich demnächst ändern. Der Rat soll nicht nur beraten, sondern durchaus mit entscheiden. Wie genau stellen Sie sich das vor?  

Frank Möllmann

"Vom Grundsatz her ist die Idee aus dem Synodalen Weg entstanden."

Möllmann: Das ist die Idee. Wie das gehen kann, ist im Weiteren noch auszuhandeln. Vom Grundsatz her ist die Idee aus dem Synodalen Weg entstanden. Da wird ja auch "auf nationaler Ebene" in einem Synodalen Ausschuss beraten und konzipiert, wie so ein Synodaler Rat aussehen könnte, der die Deutsche Bischofskonferenz berät und mit entscheidet. Es ist die Empfehlung an alle Bistümer ergangen, das auch auf diözesaner Ebene so einzurichten.

Unser Diözesankomitee im Bistum Münster hat diese Anregung relativ schnell aufgenommen und formuliert, wie es sich das vorstellen könnte. Dieser erste Aufschlag ist jetzt im Diözesanrat diskutiert worden. Der Rat hat eine Gruppe eingesetzt, die weiter ausarbeiten soll, wie das gehen kann. 

DOMRADIO.DE: Zu dieser Arbeitsgruppe gehört auch der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding, der aus dem Bistum Münster stammt. Er sagte, man bewege sich mit dieser Neuaufstellung des Diözesanrats innerhalb der vom Vatikan vorgegebenen "roten Linie". Wie sieht denn diese "rote Linie" aus? 

Möllmann: Ich bin kein Kirchenrechtler, aber man kann das vielleicht für Laien so runterbrechen: Aus Sicht des Vatikans gibt es in der Kirche zwei Entscheidungsebenen. Das ist einmal der Papst, der für die Weltkirche zu entscheiden hat, und das sind die Bischöfe – wobei jeder Bischof für seine Diözese verantwortlich ist und Entscheidungsgewalt hat.

Aus Sicht des Vatikans oder der entsprechenden Stellen dort, ist es immer schwierig, wenn die Entscheidungsgewalt der Bischöfe oder im Zweifelsfall des Papstes, beschnitten wird. Wenn etwa ein Synodaler Rat den Bischof mehrheitlich überstimmen könnte und sich so mit seiner Entscheidung über den Bischof stellen kann, hat der Vatikan Schwierigkeiten damit.

Da gilt es genau zu schauen. Wie kann ein Synodaler Rat so funktionieren, dass die Autorität des Bischofs nicht untergraben wird, er aber gleichzeitig mit dem Bischof zusammen die Entscheidungen trifft und so eine Beteiligung der Laien an diesen Entscheidungen möglich wird? 

DOMRADIO.DE: Das kann durchaus zu einem Widerspruch kommen, wenn der Bischof etwas anderes will als die Laien im Rat. Wie wollen Sie diesen Konflikt lösen? 

Frank Möllmann

"Wir haben in Münster die luxuriöse Situation, dass wir mit dem Diözesanrat schon lange eine Art synodalen Rat haben."

Möllmann: Genau das ist letztlich noch nicht vollständig geklärt, auch für das Bistum Münster nicht. Wir haben hier die luxuriöse Situation, dass wir mit dem Diözesanrat schon lange eine Art Synodalen Rat haben, der den Bischof berät und auch die Entscheidung mitträgt und vorgibt.

Wir haben in der Tat in den letzten zehn Jahren, die ich überblicke, immer die Situation gehabt, dass der Bischof den Empfehlungen oder Beratungen des Diözesanrats gefolgt ist. Ich habe nie erlebt, dass der Bischof anders entschieden hätte, als es im Rat besprochen worden wäre.

Insofern sind wir in einer Situation, wo wir sagen können, dass das wunderbar funktioniert. Im Bistum Münster ist eine Mitentscheidung durch Laien schon möglich.

Die Crux liegt darin, wenn der Bischof das nicht tun würde. Auf Bischof Felix Genn wird ein anderer folgen. Wir wissen noch nicht, wer das ist, aber wie wird er damit umgehen?

Ich habe zwar das Vertrauen, dass jemand gefunden wird, der das auch trägt, aber es kommt dann sehr auf die Formulierungen, die Ausgestaltung, sozusagen die Spielregeln des Rats an. Wie ist das im Konfliktfall? Da ist vorgesehen, dass es eine Regelung geben muss. Es muss eindeutig ein Konfliktmanagement in den Überlegungen zum Synodalen Rat implementiert sein. Sonst kann es nicht funktionieren. 

DOMRADIO.DE: Der neue Diözesanrat soll gegenüber dem alten verkleinert werden. Warum? 

Möllmann: Der Vorschlag beruht auf der Idee, dass der Synodale Rat, wie er dann ja vermutlich heißen wird, häufiger tagen müsste als der jetzige Diözesanrat, um aktiver und im Tagesgeschäft auch entscheidungsbefugter zu sein. Dahinter steckt auch die Erfahrung, dass ein Gremium natürlich handlungsfähiger ist, umso weniger Mitglieder es hat. Der jetzige Diözesanrat hat knapp 60 Mitglieder. Da merken wir schon, dass das auch manchmal schwierig ist, in bestimmten Fragestellungen einen Konsens zu finden, weil es einfach sehr viele verschiedene Strömungen gibt. Das würde bei einer Verkleinerung des Gremiums, so ist die Idee, deutlich erleichtert werden. 

DOMRADIO.DE: Es gibt den Plan, einen bundesweiten Synodalausschuss einzurichten. Zumindest was die Finanzierung angeht, ist das durch die Deutsche Bischofskonferenz in der vergangenen Woche abgelehnt worden. Tangiert diese Entscheidung auch Ihre Pläne in Münster? 

Frank Möllmann

"Braucht es unbedingt die Zustimmung dieser vier Bischöfe, die dagegen sind oder wäre es auch anders denkbar?"

Möllmann: Nicht direkt. Wir sind ja lediglich für das Bistum Münster unterwegs. Im Bistum Münster gibt es von Seiten der Bistumsleitung und des Bischofs ein Plazet, also eindeutig eine Unterstützung, dass das vorangehen soll. Da brauchen wir uns keine Gedanken machen.

Was den Synodalen Ausschuss auf nationaler Ebene angeht, wird man sicherlich unter den Bischöfen schauen müssen, ob man das auch anders finanzieren könnte. Also braucht es unbedingt die Zustimmung dieser vier Bischöfe, die dagegen sind oder wäre es auch anders denkbar?

Die Bischöfe, die sich jetzt gegen die Finanzierung stellen, sind genau die, die auch mit der Einrichtung eines solchen Rates Schwierigkeiten haben und die vielleicht auch nicht mitmachen würden und es konsequenterweise auch nicht finanzieren wollen

Also stellt sich eher die Frage, ob eine Finanzierung durch ein anderes Modell denkbar wäre. 

DOMRADIO.DE: Bischof Genn wird irgendwann seine Altersgrenze erreichen. Und vieles, was das Diözesane oder das Synodale im Bistum Münster anbelangt, wird nicht unwesentlich von seinem Nachfolger abhängen. Was sind Ihre Erwartungen an den Nachfolger von Bischof Felix Genn? 

Möllmann: Ich würde mir wünschen, dass wir mit seinem Nachfolger jemanden hätten, der diesen progressiven Weg der Gewaltenteilung, der Machtabgabe, der Beteiligung von Laien unterstützt und mitgeht. Mir ist sehr wohl bewusst, dass sich viele Bischöfe mit Alleingängen schwertun.

Es gibt einzelne Bischöfe, die sich für ihre Diözesen vorstellen können, Dinge durchzusetzen. Aber eine Mehrheit der Bischöfe in Deutschland möchte da zunächst einen Konsens in der Deutschen Bischofskonferenz finden. Ich kann gut verstehen, dass man ungern einen Flickenteppich von verschiedenen Regelungen in den einzelnen Diözesen in Deutschland haben möchte.

Aber es wäre mein Wunsch, dass wir jemanden hätten, der da mit gutem Mut vorangeht und versucht, auch auf der Ebene der Bischofskonferenz die anderen Bischöfe mitzuziehen.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens. 

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR