Wie kann ein Notfallseelsorger seine Arbeit machen?

Leid miterleben und ein dickes Fell

Unter dem Titel "Resilienz - wi(e)der stehen in Notfallseelsorge und Krisenintervention" findet in Hannover der 18. Bundeskongress der Notfallseelsorge statt. Mit dabei ist auch Joachim Wittchen. Im domradio.de-Interview spricht er über seine schwierige Arbeit.

Einsatzjacken von Notfallseelsorgern / © Marius Becker (dpa)
Einsatzjacken von Notfallseelsorgern / © Marius Becker ( dpa )

domradio.de: Resilienz ist der wissenschaftliche Begriff dessen, was ich "dickes Fell" nenne. Dieser Begriff steht über ihrem diesjährigen Kongress. Ich frage Sie einfach mal direkt: Wofür brauchen Sie als Notfallseelsorger Widerstandskraft?

Joachim Wittchen (Landeskirchlicher Beauftragter für Notfallseelsorge in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers): Ich brauche Widerstandskraft und Achtsamkeit für mich selbst. Ich darf es nicht zulassen, dass ich selber emotional in den Einsatz reingezogen werde, muss vieles aushalten, aber ich darf auch die Empathie zu meinem Gegenüber nicht verlieren. Und genau diese Haltung ist das Schwierige, womit wir es in der Notfallseelsorge zu tun haben.

domradio.de: Ich würde vermuten, dass es einen Gewöhnungseffekt gibt, das heißt, nach zehn Jahren in der Notfallseelsorger kann einen nicht mehr so viel schocken?

Wittchen: Nein, das würde ich so nicht unterschreiben. Natürlich ist die persönliche Erfahrung, die ein Notfallseelsorger oder eine Notfallseelsorgerin hat, eine ganz hohe persönliche Schutzressource. Aber es kann natürlich auch sein, dass mir im Einsatz Dinge und Menschen begegnen, die mir etwas erzählen, was mich in meiner eigenen Geschichte antriggert, wo ich dann innerliche Kraft aufwenden muss, um mich nicht in den Einsatz reinziehen zu lassen.

domradio.de: Machen wir es mal ganz konkret: Sie kommen zu einem Einsatz, wo ein Kind unter den Opfern ist. Es erinnert einen an die eigenen Kinder. Kann man das so sagen?

Wittchen: Das kann man so sagen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Ich muss für mich selber empfindsam sein, merken, was bei mir selber vorgeht. Entweder kriege ich diesen Einsatz gut hin oder ich merke, hier muss ich mir jetzt selber Unterstützung holen. Es ist genauso wie bei den Einsatzkräften, zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr. Manchmal ist es so, dass Einsatzkräfte selbst angefasst werden, wenn sie mit Kindern zu tun haben, weil sie vielleicht Kinder in dem Alter haben. Ddann ist es ratsam, diese Einsatzkraft auszuwechseln.

domradio.de: Wie können Notfallseelsorger und -seelsorgerinnen begleitet werden, dass sie nicht ausbrennen, dass sie stark sind im Beruf?

Wittchen: Das Wichtigste ist die kollegiale Unterstützung im Team. Wir haben in der Ausbildung ein Modul, wo es genau um die Frage der Selbstfürsorge und der Psychohygiene geht. Und nach einem schweren Einsatz, so habe ich das selbst erlebt, ist es manchmal ganz wichtig, dass man sich einfach einen Kollegen, eine Kollegin nimmt, sie anruft und um ein Gespräch bittet und dann die Möglichkeit hat, über das, was man eben erlebt hat zu reden. Das hilft schon ganz, ganz viel.

domradio.de: Dieser Kongress findet unter anderem auf Einladung der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers sowie des Bistums Hildesheim statt. Wie unterstützen die Kirchen Ihre Kolleginnen und Kollegen?

Wittchen: Die Kirchen unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen durch eine gute Ausbildung. Alle Pfarrerinnen und Pfarrer haben erstmal eine sehr gute Seelsorgerausbildung. Das ist die Vorraussetzung, um Notfallseelsorge zu machen. Auch Ehrenamtliche bekommen durch die Kirchen eine sehr gute Ausbildung. Die Notfallseelsorge-Teams bilden jeweils in der Evangelischen Kirche eigene Gruppen, die sich mehrmals im Jahr treffen und sich austauschen.

Das Gespräche führte Tobias Fricke.


Joachim Wittchen, Landeskirchlicher Beauftragter für Notfallseelsorge / © Holger Hollemann (dpa)
Joachim Wittchen, Landeskirchlicher Beauftragter für Notfallseelsorge / © Holger Hollemann ( dpa )
Quelle:
DR