Wie Johanna Reiss den Naziterror überlebte

"Und im Fenster der Himmel“

"Es hat viel Kraft gekostet, diese Geschichte aufzuschreiben“, erzählt Johanna Reiss im domradio.de Interview. Als jüdisches Kind hat sie den Naziterror in einer kleinen Kammer versteckt überlebt.

Johanna Reiss / © dtv
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Gemeinsam mit ihrer Schwester war sie drei Jahre lang bei einem Bauern auf dem Dachboden eingesperrt. „Wir hatten jeden Tag Angst, entdeckt zu werden“, sagt die heute 83jährige Reiss.

"Meine eigenen Töchter waren sieben und neun Jahre alt, als ich mich entschloss, Ihnen die Geschichte meiner Kindheit zu erzählen“, sagt Johanna Reiss, die mit ihrer Familie in New York lebt. Ihre Kindheit habe sich so sehr von der Kindheit und Jugend ihrer Töchter unterschieden, dass sie ihren Kindern unbedingt davon erzählen musste. Und dann begann sie ihre Erinnerungen zunächst nur für ihre Kinder aufzuschreiben. "Vorher hatte ich noch nie etwas geschrieben – außer Einkaufslisten“, erzählt sie. Ihre Kindheitserinnerungen sind inzwischen ein Klassiker und "genauso wichtig und wertvoll wie das Tagebuch der Anne Frank“, schreibt Elie Wiesel im New York Times Book Review. Jetzt ist ihr Buch erstmals vollständig und werkgetreu auf deutsch erschienen.

Im Versteck, in der engen Kammer, gibt es nur ein kleines Fenster. Aber die Schwestern dürfen nicht nach draußen schauen, weil sie von außen gesehen werden könnten. Jeden Morgen stellt sich Johanna unter das Fenster und sieht sich den Himmel an. "Ich habe mir vorgestellt mit den Wolken auf Reisen zu gehen“, sagt sie. Heute besucht sie häufig Schulen in Deutschland und liest aus ihrem Buch vor. Sie habe das Gefühlt, dass Deutschland begriffen habe, welche Verbrechen hier geschehen seien. Und dann appelliert sie an die Schüler: "Niemals jemandem zu folgen, der andere Menschen verurteilt, weil sie anders ist, weil sie einer anderen Religion oder Nationalität angehören oder auch nur weil sie dick oder dünn sind“.


Johanna Reiss / © dtv
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