Wie eine Podologin die Geschichte von der Fußwaschung liest

"Ich verstehe meine Arbeit als Dienst am Nächsten"

Als medizinische Fußpflegerin kann Annett Biedermann viel mit dem Gründonnerstags-Evangelium anfangen, in dem Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht. Sie interpretiert die Geste als Auftrag, füreinander Verantwortung zu übernehmen.

Neben einem Krug und einem Handtuch wird eine Schüssel zur Fußwaschung mit Wasser gefüllt. / © Kara Gebhardt (shutterstock)
Neben einem Krug und einem Handtuch wird eine Schüssel zur Fußwaschung mit Wasser gefüllt. / © Kara Gebhardt ( shutterstock )

DOMRADIO.DE:  Sie sind Podologin, also medizinische Fußpflegerin. Was genau ist der Unterschied zur Fußpflegerin? 

Annett Bidermann, Podologin / © PixelPower/ Lutz Krüger (privat)
Annett Bidermann, Podologin / © PixelPower/ Lutz Krüger ( privat )

Annett Biedermann (Podologin):  Die Fußpflegerin kümmert sich um die gesunden Füße, ist also im kosmetischen Bereich tätig. Podologie ist dagegen ein Gesundheitsfachberuf. Auch wenn das Tätigkeitsfeld das gleiche ist, unterscheidet sich die Arbeit doch. Durch unsere fundierte Ausbildung decken wir den medizinischen Teil der Fußpflege ab, das heißt die podologische Therapie findet vor allem Anwendung bei Patienten mit diabetischem Fußsyndrom. 

Darum stehen wir auch mit Ärzten und Diabetologen im engen Kontakt und natürlich auch Physiotherapeuten oder Ergotherapeuten. Ganz besonders wichtig sind auch die Orthopädieschuhmacher, die unsere Arbeit ergänzen.

DONRADIO.DE: Lassen Sie uns im Detail auf Ihre Arbeit schauen. Waschen Sie denn Ihren Patientinnen und Patienten auch die Füße, bevor Sie eine weitere Behandlung beginnen? 

Biedermann: Ob wir ein Fußbad machen oder nicht, hängt davon ab, wie die Füße beschaffen sind. Wir machen das, wenn keine Kontraindikation vorliegt, also zum Beispiel offene Wunden. Im Normalfall ist es für die Patienten schön, die Füße gebadet zu bekommen, vor allem auch nach einem langen Arbeitstag. 

DOMRADIO.DE: Was genau machen Sie als Podologin, was sind Ihre wichtigsten Behandlungsfelder? 

Biedermann: Zur podologischen Therapie gehört zunächst eine Befunderhebung, damit wir wissen, womit wir es überhaupt zu tun haben. Dazu stellen wir den Patienten viele Fragen, denn sie bestehen ja nicht nur aus Füßen. Ich betrachte den Menschen immer ganzheitlich. 

Was unsere konkrete Arbeit angeht: Wir bringen die Nägel in die korrekte Form, entfernen Hornhaut und Hühneraugen fachgerecht, legen Druck- und Reibungsschutz an, um neue Hühneraugen und Druckstellen zu verringern. Wir beschäftigen uns also mit allem, was man am Fuß so finden kann. 

DOMRADIO.DE: Vorsichtig formuliert haben Sie sicher immer wieder auch mit Füßen zu tun, die nicht schön anzusehen sind, vielleicht auch nicht gut riechen. Wie gehen Sie damit um? 

Biedermann: Ja, sicher, das ist an der Tagesordnung und das ist nun mal meine Aufgabe. Ich bin froh, dass die Menschen mir auch mit solchen Herausforderungen ihr Vertrauen schenken. Und ich versuche, alles zu tun, damit sie mit einem Wohlgefühl die Praxis verlassen. Man kann sicherlich nicht beim ersten Besuch oder bei der ersten Behandlung alles in Ordnung bringen, alles schaffen. 

Aber wenn die Patienten sich hier gut aufgehoben fühlen, kommen sie nach einem guten Erlebnis auch gerne wieder. Dann können wir können die Therapie fortsetzen und irgendwann auch richtig große Erfolge verzeichnen. 

Annett Biedermann

"Als Lektorin habe ich natürlich die Möglichkeit, ganz viel von mir persönlich hineinzugeben."

DOMRADIO.DE: Sie sind evangelische Christin und engagieren sich in Ihrer Heimatgemeinde als Lektorin. Da haben Sie bestimmt auch schon die Geschichte vorgetragen, wie Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht. Wie lesen und hören Sie als Podologin diese Geschichte von der Fußwaschung? 

Biedermann: Ich bin Lektorin, mein Mann ist Organist, wir sind ein prima Gespann. Und wenn ich im Gottesdienst die Geschichten von und über Jesus und in diesem Falle über die Fußwaschung vorlese, habe ich natürlich die Möglichkeit, ganz viel von mir persönlich hineinzugeben. 

Papst Franziskus wäscht einem jugendlichen Straftäter die Füße bei einen Gottesdienst mit Fußwaschung an Gründonnerstag 6. April 2023 im der Strafanstalt Casal Del Marmo in Rom (Italien). / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus wäscht einem jugendlichen Straftäter die Füße bei einen Gottesdienst mit Fußwaschung an Gründonnerstag 6. April 2023 im der Strafanstalt Casal Del Marmo in Rom (Italien). / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Ich gebe mit hinein, wie ich etwas empfinde, wie ich etwas sehe. Und in diesem besonderen Fall bringe ich meine praktische Erfahrung mit. Die Zuhörer, also die Gemeindemitglieder, spüren natürlich, dass das wirklich authentisch ist. 

DOMRADIO.DE: Speziell bei der Fußwaschung wissen Sie wirklich, wovon Sie sprechen. Was ist das in Ihren Augen für eine Geste, dieses Füße-Waschen, das Sie so gut kennen? Was bedeutet das, wenn Jesus sich vor seinen Jüngern hinkniet, um ihnen die Füße zu waschen? 

Biedermann:  In der Bibel bei Markus lesen wir: "Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen. Er kam, um zu dienen". Das tut er ganz praktisch, indem er die Füße seiner Jünger wäscht. Er möchte auf diese Weise zeigen, dass wir untereinander auch zum Dienen bereit sein sollen und müssen und können, in welcher Form auch immer. Er zeigt uns, dass wir uns für Andere verantwortlich fühlen sollen. 

DOMRADIO.DE: Was leiten Sie aus dieser Geschichte der Fußwaschung für Ihre tägliche Arbeit ab? 

Biedermann: Ich könnte meine Arbeit gar nicht machen, ohne Jesus an meiner Seite zu wissen. Ich sage immer: Ich schließe morgens mit Jesus meine Praxis auf und abends mit ihm wieder zu. 

Annett Biedermann

"Und wenn der Herr selbst vor seinen Jüngern gekniet hat, um ihnen zu dienen, ist es für mich doch gar keine Frage, es ihm gleichzutun."

 Meine Arbeit verstehe ich als Dienst am Nächsten. So würde ich es beschreiben. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie sich auch schon einmal im Gründonnerstags-Gottesdienst die Füße waschen lassen? 

Biedermann: Nein, das habe ich noch nicht, aber das ist ein interessanter Gedanke. Wer weiß, vielleicht in der Zukunft einmal? 

DOMRADIO.DE: Wenn Sie gefragt würden, könnten Sie sich das also vorstellen?

Biedermann: Ja, das könnte ich mir gut vorstellen. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Gründonnerstag

Am Gründonnerstag, dem Donnerstag vor Ostern, erinnert die Kirche an das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Der Volksbrauch will, dass "grüne Speisen" wie Spinat oder Brunnenkresse auf dem Tisch stehen. Allerdings verdankt der Tag seinen Namen offenbar nicht der Farbe, sondern dem althochdeutschen Wort "grunen" oder "greinen" für "weinen": Gründonnerstag als Tag der "Greinenden", der Weinenden, der Büßer.

Papst Franziskus feiert Messe zum Gründonnerstag im Vatikan / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus feiert Messe zum Gründonnerstag im Vatikan / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
DR