Wie ein geistliches Oratorium auch Glaubensferne beeindruckt

Wenn die Seele in den Himmel steigt

Die Musik ist mitreißend, die Reise der Seele fesselnd. In Köln steht zweimal das monumentale Oratorium "Der Traum des Gerontius" von Edward Elgar auf dem Programm. WDR-Orchestermanager Sebastian König erklärt den Reiz des Werkes.

Oratorium "Der Traum des Gerontius" wird in der Kölner Philharmonie gespielt / © Sonja Filitz (shutterstock)
Oratorium "Der Traum des Gerontius" wird in der Kölner Philharmonie gespielt / © Sonja Filitz ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: "Himmel und Hölle", so ist das Projekt zum Oratorium von Edward Elgar im Mai überschrieben, beteiligt sind neben dem WDR Sinfonieorchester der Rundfunkchor Berlin und der WDR Rundfunkchor. Warum geht es denn in den Konzerten zum Oratorium in der Kölner Philharmonie am 23. und 24. Mai ab 20 Uhr um Himmel und Hölle? 

Sebastian König (DR)
Sebastian König / ( DR )

Sebastian König (Manager und Produzent des WDR Sinfonieorchesters): Edward Elgar hat da einen ganz interessanten Text vertont. Es geht um ein Seelendrama. Das Oratorium handelt von einem sterbenden Mann, der auf dem Totenbett liegt und sich mit dem Rest des Weltlichen auseinandersetzt und seine Freunde um sich gescharrt hat, die für ihn beten. 

Gerontius – der Alte – weiß, dass er sterben muss. Im ersten Teil geht es darum, dass die Seele sich vom Körper trennt. Und im zweiten Teil, der sogar noch etwas länger ist, erleben wir musikalisch, wie diese Seele in den Himmel aufsteigt und auch durchaus den einen oder anderen Umweg machen muss. 

DOMRADIO.DE: Das ganze Oratorium ist in mehrfacher Hinsicht besonders, auch wenn man auf einen Aspekt schaut, der heutzutage gar kein Thema mehr ist, nämlich die Konfession des Komponisten. Elgar war katholisch und das im anglikanischen Großbritannien. Warum war das damals ein Problem? 

König: Seine Mutter ist konvertiert, die Katholiken waren in einer klaren Minderheitenposition im anglikanischen England. Spannend ist auch die Frage, warum er diesen Text fürs Oratorium ausgesucht hat. Der ist bereits im Jahr 1865 erschienen, geschrieben ebenfalls von einem Konvertiten, der von der anglikanischen Kirche zum Katholizismus übergetreten ist, nämlich Kardinal John Henry Newmann. 

John Henry Kardinal Newman / © Romano Siciliani (KNA)
John Henry Kardinal Newman / © Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Im Oratorium geht es um den sterbenden Gerontius. Wie würden Sie die Musik bei diesem Seelendrama beschreiben? 

König: Musikalisch befinden uns in der spätromantischen Phase. Edward Elgar ist der große Komponist in dieser Zeit, ein Autodidakt, der sehr stark von der kontinentaleuropäischen Musik beeinflusst wurde. Da spielt Richard Wagner eine große Rolle und das gesamte spätromantische Musikleben auf dem Kontinent. 

Diese Gedenkplakette in Settle, North Yorkshire, England, erinnert an den englischen Komponisten Edward Elgar / © Wozzie (shutterstock)
Diese Gedenkplakette in Settle, North Yorkshire, England, erinnert an den englischen Komponisten Edward Elgar / © Wozzie ( shutterstock )

Elgar hat es geschafft, eine neue Musik zu schaffen. Und in der Zeit, in der er "The Dream of Gerontius" geschrieben hat, hat er auch die berühmten Enigma-Variationen geschrieben. Das ist das Schlüsselwerk, das seinen Ruhm begründet hat. Edward Elgar ist der spätromantische Komponist Englands, so muss man es einfach sagen. 

DOMRADIO.DE: Es gibt Leute, die meinen, das Werk sei in England ähnlich populär wie der "Messiah" von Georg Friedrich Händel. Was sind die Stärken des Werkes? 

Sebastian König

"Dieses Werk ist tief beeindruckend und es ist so wunderschön komponiert, dass man sich dem Reiz und den Klängen einfach nicht entziehen kann."

König: In England ist das tatsächlich so, in Deutschland müssen wir da noch ein bisschen nacharbeiten (lacht). Deshalb haben wir es auch aufs Programm gesetzt. 

Dieses Werk ist tief beeindruckend und es ist so wunderschön komponiert, dass man sich dem Reiz und den Klängen einfach nicht entziehen kann. Das ist teilweise sehr subtil und ein Seelendrama im wahrsten Sinne des Wortes. Aber natürlich ist die Musik auch mächtig auftrumpfend, etwa wenn die himmlischen Herrscher Lob und Preis Gottes singen. 

Da fahren wir natürlich auch mächtig von der Besetzung her auf. Da sind über 100 Choristen auf der Bühne. Und wenn die wie aus einer Kehle singen, im Fortissimo und Forte Fortissimo, dann ist das schon beeindruckend. 

Chefdirigent Cristian Măcelaru  / © Peter Adamik (WDR/ARD-Foto)
Chefdirigent Cristian Măcelaru / © Peter Adamik ( WDR/ARD-Foto )

DOMRADIO.DE: In der Kölner Philharmonie können die Besucher sicher sein, dass unter dem Chefdirigenten des WDR Sinfonieorchesters, Cristian Măcelaru, eine gut vorbereitete Aufführung auf sie wartet. Aber bei der Uraufführung vor über 100 Jahren war das komplett anders. Warum ist die so schief gegangen? 

König: Das war so eine typische Uraufführungssituation, wie es auch heute noch passiert: Der Komponist ist ein bisschen spät mit dem Liefern der Noten, das Orchester ist nicht vorbereitet. Da sind neue Kompositionstechniken im Spiel. Ich habe in der Recherche gelesen, dass derjenige, der den Chor vorbereiten sollte, tatsächlich während der Einstudierung verstorben ist und jemand einspringen musste. 

Der Neue war wohl nicht mit dieser modernen Musik vertraut gewesen. "Moderne" Musik, so klingt die Musik für uns heute nicht. Aber damals war sie natürlich neu, diese spätromantische Musik, dieser üppige, "saftige" Sound, der uns heute als ganz typisch für die Zeit anspricht. Das war aber damals neu und ist damals trotz der Beteiligung eines ganz berühmten Dirigenten, nämlich Hans Richter, der ja auch viele Uraufführungen von Richard Wagner gemacht hat, ziemlich schief gegangen. 

Saal in der Kölner Philharmonie (shutterstock)

Die Uraufführung war einfach nicht gut vorbereitet. Das hat man dann zwei Jahre später in Düsseldorf deutlich besser gemacht. Da war es dann ein durchschlagender Erfolg. Dann ist es später zu dem geworden, was es ist, nämlich "das" Oratorium des 19. Jahrhunderts für England und es ist einfach auch ein englisches Oratorium wie der "Messiah" von Händel. 

DOMRADIO.DE: Jetzt im Mai kann man in Köln in der Philharmonie das Konzert zweimal erleben. Davor gibt es aber noch ein besonderes Projekt, ein besonderes WDR-Veranstaltungsformat am 19. Mai in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk Köln, nämlich "Listen and Sing". Da kann man unter der Leitung von Simon Halsey Auszüge des Werkes selber singen. Und man erfährt auch etwas Besonderes zu dem Inhalt des Werks in Kooperation. Wie muss man sich das vorstellen?

Simon Halsey / © UHEK Pressefotos
Simon Halsey / © UHEK Pressefotos

König: Ja, schöner noch als Musik zu hören, ist natürlich selber zu musizieren und mitzusingen. Das gemeinsame Musizieren bringt eine besondere Nähe zu einem Werk. Das wollen wir gerne unseren Zuhörern und Zuhörerinnen ermöglichen, das Werk kennenzulernen. Der Dirigent wird da sein, der Choreinstudierer Simon Halsey auch. 

Wir werden etwas über den religiösen Hintergrund des Werkes sprechen. Danach wird Simon Halsey, der ein super Motivator und Chorleiter ist, etwas aus dem Werk proben, das für ihn natürlich auch eine Herzensangelegenheit ist. Er hat sogar die Noten-Neuauflage dieses Werkes herausgebracht, ist also Mit-Herausgeber. Er hat außerdem das Werk schon sehr oft einstudiert und ist als Brite auch einfach der beste Zeuge und Anwalt dieses wunderbaren Werks. 

DOMRADIO.DE: Nicht jeder glaubt heutzutage noch an eine Seele oder an ein Leben nach dem Tod, warum spricht das Werk auch heute noch die Menschen an?

Sebastian König

"Ich verspreche allen Hörerinnen und Hörern, die im Saal sind, dass sie nicht unbewegt aus diesem Abend rausgehen können."

König: Ob es nun eine Seele und ein Leben nach dem Tod gibt, kann jeder für sich beantworten. Aber einem Komponisten und Künstlern nachzuspüren, wie sie mit so einem Stoff umgehen, was sie wirklich glauben und versuchen uns zu vermitteln, dem kann man sich kaum entziehen. Dieses Werk hat eine große Wirkung. 

Wenn man in diesem Saal sitzen wird und hört, wie im Oratorium über irdische und überirdische Dinge verhandelt wird und was das selber mit einem machen kann, dann wird man schwer beeindruckt sein. Ich verspreche allen Hörerinnen und Hörern, die im Saal sind, dass sie nicht unbewegt aus diesem Abend rausgehen können. 

Hinweis der Redaktion: Am 23. und 24. Mai 2025 führen das WDR Sinfonieorchester, die Solisten Jamie Barton (Mezzosopran), Allan Clayton (Tenor) und Derek Welton (Bassbariton) sowie der Rundfunkchor Berlin und der WDR Rundfunkchor unter der Leitung von Cristian Măcelaru das gesamte Oratorium in der Kölner Philharmonie auf. Start ist je um 20 Uhr, Karten gibt es u. a. im Vorverkauf und an der Abendkasse.

Das Interview mit Sebastian König wurde am 1. Mai 2025 in der Sendung "Musica" im Radioprogramm von DOMRADIO.DE ausgestrahlt. Hier finden Sie es zum Nachhören.

Quelle:
DR

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