Wie die Pflege auf die Herausforderungen der Zukunft reagiert

Klinik statt Kaffee

Ein Beruf mit glänzenden Zukunftsaussichten. Dazu eine Arbeitslosenquote, die aller Voraussicht nach gegen null strebt - Jobberater wissen, wo es das noch gibt. Immer häufiger empfehlen sie jungen Menschen eine Ausbildung in der Pflege. Doch das scheinbar krisenfeste Berufsfeld verändert sich stetig.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

Es fordert Flexibilität und viel Kraft von allen Beteiligten. Während es ab August in Deutschland einen Mindestlohn geben soll, hält im Alltag der Pflegenden nach und nach eine Technologisierung Einzug.

Selbst Papst Benedikt XVI. zeigte sich in Sachen High-Tech und Medizin aufgeschlossen. Während seines Besuchs in Portugal schenkte ihm die Katholische Universität ein EKG-Hemd. Das mit Sensoren ausgestattete "Vital-Jacket" ist mit einem Kleincomputer verbunden, der die Herzdaten aufzeichnet und auswertet.

Auch "Rhoni" könnte künftig eine wichtige Rolle spielen: Er bringt die Zeitung, macht das Bett und räumt die Spülmaschine ein. Dabei bleibt er freundlich und klagt nie über Müdigkeit. Etwas unterscheidet ihn allerdings von seinen Kollegen aus Fleisch und Blut. "Rhonis" Körper besteht aus verschraubten Metallteilen, sehen kann er nur durch zwei Sensoren. Deutschlands erster Pflegeroboter wird derzeit an einer Fachhochschule in Krefeld entwickelt.

Mit einem Roboter die Wohnung teilen
Die Vorstellung, mit einem Roboter die Wohnung zu teilen, befremdet viele Menschen. Dabei sind "Rhoni" und das EKG-Hemd nur zwei Beispiele dafür, wie Technik die Pflege verändern kann. Längst müssen Pflegekräfte Schwerstkranke nicht mehr regelmäßig umbetten. Elektronische Matratzen verändern sich immer wieder automatisch, um Druckgeschwüren vorzubeugen. Badelifte und Aufstehhilfen entlasten die Rücken des Personals. "Die Pflege wird sich in den nächsten zehn Jahren noch weiter professionalisieren", glaubt auch Altenpflegerin Erni Fürst.

Vor etwa 20 Jahren hat sie mit den Heimbewohnern bei Kaffee und Kuchen Bingo gespielt. Heute sind die Bewohner bei ihrer Ankunft im Heim deutlich älter und größtenteils schwerstkrank. Während früher ein intensives Miteinander zwischen Schwester und Bewohner möglich war, herrscht heute Klinikbetrieb.

Der demografische Wandel lässt die Zahl der Pflegebedürftigen stetig steigen. Zugleich werden alte Menschen immer älter. Ein Trend, dem die Verantwortlichen begegnen, indem sie den Nachwuchs parallel sowohl zum Alten- als auch zum Krankenpfleger ausbilden. Erni Fürst hat beobachtet, dass auf den Stationen zwischen Nachwuchs und "Pflege-Oldies" häufig ein Graben entsteht. Für die sehr gut ausgebildete jüngere Generation sei die Arbeit in erster Linie ein Job. Die Älteren suchten eher die Berufung hinter dem Beruf. Eine Entwicklung, die die Altenpflegerin allerdings nicht dramatisieren will: "Wir gewinnen auch viel voneinander."

Ambulant vor stationär
Längst gehört neben Birkenstocks auch der Laptop zum Alltag in der Pflege. Dass sich die Fürsorge hin zu einem Dienstleistungsansatz entwickelt hat, bestreitet niemand mehr. Zu schaffen macht vielen Pflegenden allerdings die mangelnde Zeit für den Patienten. Leistungen werden sekundengenau per Computer abgerechnet. Sofort nach Dienstschluss liegt dem Kostenträger eine detaillierte Abrechnung vor. Viel Bürokratie und immer die Uhr im Blick - darunter leiden viele, und sicherlich auch viele Patienten.

Obwohl die Heime immer professioneller werden, gilt nach wie vor der Grundsatz ambulant vor stationär. Ältere Menschen sollen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Bewohner mit Pflegestufe I gibt es im Heim von Erni Fürst kaum noch. Gerade ihnen könnte "Rhoni" eine große Hilfe sein.

Aber auch Neuerungen brauchen Zeit. Bis Pflegeroboter tatsächlich einsatzbereit sind, werden Jahre vergehen. Vor seinen kühlen Metallarmen muss sich dennoch niemand fürchten. "Rhoni" wird niemanden in den Arm nehmen - aber auch niemandem die Hand halten. Seine Stärken liegen bei einfachen Hausarbeiten. Persönliche Gespräche, Zuwendung und Zeit - bei diesen Aufgaben wird auch in Zukunft das Pflegepersonal unersetzlich bleiben.