Wie die Kirche zu den Menschen kommt

Mit dem "Anhänger Jesu" unterwegs

Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, dann kommt die Kirche mit dem Auto, Zug oder Schiff zu den Menschen. Betmobile aller Art haben eine lange Geschichte und sind auch heute noch in Deutschland unterwegs.

Autor/in:
Christiane Laudage
Pater Wieslaw Kaczor filmt, wie der Kapellenwagen, genannt Anhänger Jesu, von einem Traktor über die Wiese gezogen wird. Der Ordensmann fährt mit einem umgebauten Anhänger durch den Seelsorgebereich und feiert Gottesdienste vor Ort. / © Harald Oppitz (KNA)
Pater Wieslaw Kaczor filmt, wie der Kapellenwagen, genannt Anhänger Jesu, von einem Traktor über die Wiese gezogen wird. Der Ordensmann fährt mit einem umgebauten Anhänger durch den Seelsorgebereich und feiert Gottesdienste vor Ort. / © Harald Oppitz ( KNA )

Pater Wieslaw Kaczor hat seinen "Anhänger Jesu". Seit Mai 2021 ist der Salvatorianer-Pater vom Kloster Steinfeld in der Eifel immer wieder mit seiner Kirche auf Rädern unterwegs.

Der ehemalige Marktwagen für Bekleidung wurde in der Corona-Zeit umgebaut, damit er als rollende Kirche dienen konnte. Pater Wieslaw steht mit seinem "Betmobil" in einer langen Tradition, denn neben Anhängern wurden auch schon Züge, Schiffe oder Kapellenwagen eingesetzt. 

Eisenbahnwaggons 

Mehr oder weniger am Anfang standen Zugwaggons. Die Vereinigten Staaten sind ein großes Land. Zwischen 1890 und 1946 setzten verschiedene christliche Gemeinschaften wenigstens 13 extra hergerichtete Waggons ein, die an Züge je nach Bedarf an- und wiederabgehängt wurden. Den Anfang machte die episkopalische Kirche, also die Anglikaner in den USA, und dann folgten die Baptisten. 

Sie orientierten sich an dem Beispiel der Russisch-Orthodoxen Kirche. Diese setzte Eisenbahnwaggons in den 1880er Jahren als üppigausgestaltete Kirchen ein, die dem Bau der Transkaspischen und dann der Transsibirischen Eisenbahn folgten.

Gedacht für die Diaspora 

Die katholische Kirche hatte in den USA ab 1907 drei Kirchenwaggons im Einsatz: St. Antonius, St. Peter und St. Paul, die Priester zu den weit verstreut lebenden Katholiken brachten. Verantwortlich für dieses Unternehmen war die "Catholic Church Extension Society", 1905 in Chicago von dem Priester Francis Clement Kelly (1870-1948) für die Diasporaseelsorge gegründet. 

Kelly erzählte in seinen 1922 veröffentlichten Erinnerungen, dass die übliche Routine darin bestand, ungefähr eine Woche in einem Ort zu bleiben. Morgens las der Priester eine Messe, unterwies nachmittags die Kinder im Glauben und hielt abends eine Andacht. Zwischendurch musste er immer wieder Kinder taufen.

Italienische Kapellenwagen fahren im September 1956 vom Petersplatz im Vatikan, nachdem sie von Papst Pius XII. den Segen und Sendungsauftrag erhalten haben (KNA)
Italienische Kapellenwagen fahren im September 1956 vom Petersplatz im Vatikan, nachdem sie von Papst Pius XII. den Segen und Sendungsauftrag erhalten haben / ( KNA )

Umstieg auf Autos

Nach dem Ersten Weltkrieg war im Großen und Ganzen die Zeit der Mission auf Schienen vorbei. Die katholische Kirche durfte nicht mehr umsonst ihre Kapellenwaggons an die Züge hängen, außerdem durften die umgebauten Waggons nicht mehr aus Holz sein. Wie lange genau die Kirchenwaggons noch im Einsatz blieben, darüber gibt es verschiedene Angaben.  

1929 stieg man im Südwesten der USA auf Autos um: Der "Santa Teresita Chapel Car" zum Beispiel sah aus wie ein Bus, diente jedoch als Kirche. Doch waren sie nicht so populär wie die Züge und erreichten auch nicht deren geographische Reichweite. 

"Fliegende Kirchen"

Im Europa der Nachkriegszeit hingegen kamen die Kapellenwagen zum Einsatz - meistens umgebaute Sattelschlepper. "Wenn die Gläubigen nicht zur Kirche kommen, mus die Kirche zu ihnen kommen", sagte pragmatisch Kardinal Giacomo Lercaro (1891-1976), Erzbischof von Bologna. Er setzte im Juni 1954 in den Wohnblocks am Rande der Großstadt Bologna Kapellenwagen ein. Diese, auch als "fliegende Kirchen" bekannt, enthielten eine vollständige Kapelle mit Altar und Sakristei.

In Deutschland war in der Nachkriegszeit das internationale katholische Hilfswerk "Kirche in Not", damals noch "Ostpriesterhilfe" genannt, engagiert. Dessen Gründer Pater Werenfried van Straaten (1913 bis 2003) segnete 1950 die ersten beiden "Kapellenwagen". Dabei handelte es sich um kleine, zu Kirchen umgebaute Autobusse. Sie dienten dazu, die Seelsorge für die verstreuten deutschen Heimatvertriebenen aufrecht zu erhalten.

Zu Wasser 

Insgesamt waren über die Jahre 35 dieser "fahrenden Kirchen" im Einsatz: Jeder Wagen 14 Meter lang, 3 Meter hoch und 5 Tonnen schwer. Der letzte dieser Kapellenwagen wurde 2015 dem Berliner Dokumentationszentrum gegen Vertreibungen übergeben.  

Das Hilfswerk "Kirche in Not" hat dann Ende der 1990er Jahre die russisch-orthodoxe Kirche mit Kapellenschiffen unterstützt. Mittlerweile waren und sind nach Angaben des Hilfswerks schwimmende Kirchen auf Wolga, Don und dem Brasilianischen Amazonas für "Kirche in Not" unterwegs. 

Kirchenschiffe noch heute

Schwimmende Kirchen schippern auch in Kambodscha oder London. In Deutschland gibt es etwa die Flussschifferkirche im Hamburger Hafen. Allerdings ist das frühere Kirchenschiff des Bistums Essen seit über zehn Jahren außer Dienst und mittlerweile in privater Hand. 

Der Altar in der Kapelle eines Kirchenschiffes, das aus einem Kriegstanker hergestellt wurde, in Antwerpen, Belgien / © Wolfgang Radtke (KNA)
Der Altar in der Kapelle eines Kirchenschiffes, das aus einem Kriegstanker hergestellt wurde, in Antwerpen, Belgien / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Eine ganz besondere Geschichte hat das Antwerpener Kirchenschiff St. Jozef. 1942 ursprünglich als deutsches Kriegsschiff gedacht, kam es jedoch nicht zum Einsatz. Die Alliierten befreiten Antwerpen, und damit war das Schiff eigentlich nutzlos geworden. Oder auch nicht? 

Touristenattraktion in Antwerpen

Die belgische Regierung übernahm das Schiff und verkaufte es später dem Erzbistum Mechelen-Brüssel. Und so wurde aus Hitlers Kriegstanker im Jahr 1950 ein Kirchenschiff, benannt nach dem heiligen Josef. In dem schwimmenden Gemeindezentrum finden regelmäßig Messen, Taufen und Trauungen statt. Inzwischen ist auch die schwimmende Kirche eine Touristenattraktion, wo man Leib und Seele stärken kann – erst in der Kapelle, dann in der öffentlichen Kantine an Bord.  

Quelle:
KNA