Wie die Flüchtlinge in Jordanien leben

Große Aufnahmebereitschaft trotz Krise

Jordanien nimmt weit mehr Flüchtlinge auf als Deutschland. Und das bei nur 6,5 Millionen Einwohnern. Durch die Flüchtlingswelle steigen die Mieten und das Wasser wird knapper. Obwohl sich die Lage vor Ort verschärft, sehen viele Jordanier die Flüchtlinge als ihre "Gäste".

Autor/in:
Martin Mölder, Melanie Trimborn
Flüchtlinge in Jordanien (dpa)
Flüchtlinge in Jordanien / ( dpa )

Markus Harmann erinnert sich, wie sie als Truppe von Amman, der Hauptstadt von Jordanien, in Richtung Israelische Grenze gefahren sind. Dabei fuhren sie auf den knapp über 800 Meter hohen Berg Nebo zu. Er muss daran denken, dass - so die christliche Überlieferung - Moses nach der erfolgreichen Ausreise aus Ägypten und dem Empfang der zehn Gebote von diesem Berg aus das Gelobte Land erblickt haben soll. "Damals hat er sich auf das Land gefreut, heute ist das anders herum", sagt Markus Harmann. Er meint damit die unzähligen Flüchtlinge, die seit einigen Jahren aus verschiedenen Ländern einwandern. Harmann ist Pressesprecher des Diözesan-Caritasverbands für das Erzbistum Köln und war im April auf einer Pressereise in Jordanien. Es war seine erste Reise in den Mittleren Osten.

Jordanien liegt eingekesselt zwischen krisengeprägten Ländern, wie Israel, Syrien, dem Irak, dem Westjordanland und Saudi-Arabien. "Es ist erstaunlich, dass man über das Land so wenig weiß. Das liegt daran, dass die Nachbarländer immer wieder in den Medien vorkommen", sagt Harmann.

Mehr Flüchtlinge aufgenommen als Deutschland

Das Land sei relativ stabil und so ist es für Millionen von Flüchtlingen die erste Anlaufstelle. Auf sechs Millionen Einwohner kommen mittlerweile 1,5 Millionen Flüchtlinge. Es sind mehr Flüchtlinge, die Jordanien aufnimmt, als etwa Deutschland. Proteste gibt es keine. "Wir konnten dort sehen, wie sich die Bevölkerung sehr schnell mit der Flüchtlingssituation arrangiert hat", erklärt Harmann, der mit Leuten vor Ort gesprochen hat. Jordanien sei Flüchtlinge schon seit Jahren gewohnt. Schon bei der Staatsgründung Israels vor 69 Jahren flüchteten die ersten Palästinenser, später kamen Flüchtlinge aus dem Irak und nun seit sechs oder sieben Jahren Flüchtlinge aus Syrien." Es funktioniert, weil es Jordanien nicht anders kennt", sagt der Diözesan-Caritasverband-Sprecher. Er fand sehr interessant, dass Jordaniens Bevölkerung die Flüchtlinge und Einwanderer eher Gäste nannten. "Also man hat sich schlicht mit der Situation arrangiert", erklärt er.

"Bei 1,5 Mio. Flüchtlingen auf sechs Millionen Einwohner, würde man erwarten, man sieht sie auf der Straße. Aber das ist nicht so", sagt Harmann. Die Flüchtlinge leben größtenteils in den Städten. In den großen Flüchtlingscamps seien nur 15 bis 20 Prozent der Flüchtlinge untergekommen. "Die meisten reisen weiter in die Städte und leben  dort in Pfarrhäusern, in eigenen Wohnungen manchmal auch in Zelten", erklärt er. Sie seien also meist wohnlich integriert.

Teure Mieten und Wassermangel

Das bringt aber auch Nachteile für die Jordanier mit sich. Die Mieten werden in den Städten teurer. Von Einheimischen hat Harmann gehört, wie schwer das ist, doch von Protesten ist keine Rede. Zudem wird auch das Wasser knapper. Jordanien gilt als eines der wasserärmsten Länder der Welt.  Aber auch am Arbeitsmarkt fallen die Löhne. "Sehr viele Flüchtlinge arbeiten als Tagelöhner oder halten sich mit Jobs über Wasser", hat er vor Ort erfahren.

"Jordanien nimmt Europa einiges an Verantwortung ab, weil viele Flüchtlinge dort bleiben können und wollen". Das Land ist ihrer Kultur näher, dort wird die Sprache gesprochen. "Viele wollen ja da bleiben, solange sie für sich eine Perspektive sehen."  Sei dies aber nicht mehr der Fall. "Da die Mieten steigen und das Wasser weniger wird,  werden sich wahrscheinlich einige auch auf den Weg machen und weiterziehen", erklärt er. Das könnte demnach für die EU und andere Ländern einen neuen Flüchtlingsruck bedeuten.


Quelle:
DR