In Jerusalem steht ein 1:25-Modell der Grabeskirche zum Verkauf

Wie das Heiligtum in einen ehemaligen Hühnerstall kam

Der Mittelsmann kam aus dem Nichts und verschwand ins Nichts. Die Monate dazwischen reichten für Künstler Adam Brown, ein 1:25-Modell der Grabeskirche zu erstellen. Doch seit 20 Jahren ist die Frage: Wohin damit?

Autor/in:
Andrea Krogmann
Grabeskirche in Jerusalem: Blick von unten auf die Kuppel  / © Mahmoud Illean (dpa)
Grabeskirche in Jerusalem: Blick von unten auf die Kuppel / © Mahmoud Illean ( dpa )

Wie aufgereiht liegen die ehemaligen Hühnerställe am Berghang von Even Sapir, am westlichen Stadtrand Jerusalems. Etwas weiter in nordwestliche Richtung liegt das Kloster Sankt Johann in der Wüste. Im Südwesten könnte man, wären sie nicht verdeckt vom massiven Bau des Hadassah-Krankenhauses, die goldenen Kuppeln des russisch-orthodoxen Gorny-Klosters in Ein Karem erahnen. Hier hat Adam Brown seit rund 20 Jahren sein Werkstattatelier. Ungefähr so lange fristet eines seiner ungewöhnlichsten Werke sein Dasein in einer großen Kiste. Seine Geschichte ist ebenso banal wie geheimnisvoll, seine Zukunft ungewiss.

Eine Kassettentür öffnet in ein neonbeleuchtetes Zimmer. Das funktionale Industriedesign kontrastiert mit dem freiwerdenden Blick: Im Maßstab 1:25 füllt die Jerusalemer Grabeskirche den Raum. Schätzungsweise zweieinhalb mal zwei Meter misst das Modell aus Polyurethan. Die berühmte Leiter, der Salbstein, die Öllampen, das gelbliche Licht: Brown hat die Details genauestens wiedergegeben.

Unter der großen Kuppel gibt Plexiglas den Blick frei auf das Allerheiligste der Kirche: die Grabkapelle über dem überlieferten Grab Jesu, die sich zur besseren Anschaulichkeit für den Betrachter elektrisch um die eigene Achse dreht.

Projekt war spannend für Brown

Eigentlich hat der britischstämmige israelische Jude Industriedesign an der renommierten Jerusalemer Bezalel-Akademie für Kunst und Design studiert. Doch in diesem Bereich arbeiten wollte er nicht. Stattdessen begann Brown, Displays für Museen und Besucherzentren zu planen und zu bauen. Eines Tages dann, vor ungefähr 20 Jahren, habe ein Mittelsmann bei ihm angeklopft, erzählt der schweigsame Künstler.

Ein Dutzend großformatige Modelle von bedeutenden Kirchen im Heiligen Land, lautete der Auftrag, ausgesprochen für "jemanden in Moskau". "Für eine Ausstellung" sollen die Modelle geplant gewesen sein. Mehr weiß Brown über den Auftrag und dessen Hintergrund nicht.

Brown marschierte in die Grabeskirche, machte so viele Fotos wie möglich. Zusammen mit den existierenden Plänen der Kirche sollten sie die Grundlage für das Modell werden, "das ganz normale Vorgehen bei jedem Projekt". Das Kartenmaterial hingegen sei in diesem Fall mager gewesen, die meisten Pläne habe er selbst anhand der Bilder gezeichnet. Das Projekt sei sehr spannend gewesen, so Brown. Eine religiöse Note kann er der Arbeit nicht abgewinnen: "Ich bin vollkommen agnostisch."

Halbes Jahr an Miniaturgrabeskirche gearbeitet

Rund ein halbes Jahr Arbeit investierten Brown und seine Mitarbeiter in die Miniaturgrabeskirche. Ein zweites Modell entstand, die griechisch-orthodoxe Hochzeitskirche von Kana. Dann löste sich alles in Luft auf. "Der Mittelsmann verschwand und wurde nach ein paar Monaten tot aufgefunden. Es gab allerlei Gerüchte, ich weiß nicht, was wahr ist", sagt Adam Brown. "Und ich stand da mit den beiden Modellen und einer kleinen Anzahlung." Die Kirchen wanderten in die Kiste.

Einen ernsthaften Versuch, einen Käufer für die beiden Liebhaberstücke zu finden, hat der Künstler nicht unternommen. Bis jetzt. Denn Adam Brown wartet auf den Rausschmiss. "Wir leben hier auf geborgte Zeit", sagt der jüdische Israeli über sich und die beiden Partner, mit denen er sich die Halle teilt. Die Werkstätten sind, wie alle Industrieanlagen rundherum, illegal, weil sie in Gebäuden liegen, die eigentlich für landwirtschaftliche Nutzung vorgesehen sind.

Ziel von 111.000 Euro für guten Zweck

Einen Marktwert haben Browns Monumentalmodelle wie so viele ungewöhnliche Kunstwerke nicht. Noch hofft der Künstler, auf den richtigen Liebhaber für die Stücke zu treffen. Umgerechnet 111.000 Euro möchte er mit einem Verkauf erzielen, ein Preis, der unter dem drohenden Schwert der werkstattlichen Obdachlosigkeit jedoch verhandelbar sein dürfte. "Ich bringe es nicht übers Herz, die Modelle wegzuschmeißen", sagt er, "aber irgendwann könnte ich mal keine andere Wahl haben, weil mir der Platz zum Lagern fehlt."

Interessenten wäre mit dem Kauf in Corona-Zeiten nicht nur ein ganz eigener Zugang zu einer der wichtigsten Kirchen der Christenheit sicher. Sie würden die Grabeskirche auch in einer Form bekommen, wie sie im echten Leben nur schwer vorstellbar wäre: ganz ohne die konfessionellen Besitzstreitigkeiten nämlich, die das Gotteshaus in der Jerusalemer Altstadt immer wieder zum Ort wüster Revierkämpfe machen.