Widerstand gegen Hetze gegen Juden formiert sich

Aktiv gegen Antisemitismus

Mit dem Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und dem Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen haben weitere Bischöfe deutlich Position gegen jegliche Form des Antisemitismus bezogen. Der Zentralratsvorsitzende Dieter Graumann fordert eine "Welle der Solidarität".

Bischof Algermissen (dpa)
Bischof Algermissen / ( dpa )

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat ein aktives Entgegentreten gegen Judenfeindlichkeit und Rassismus gefordert. "Eine defensive Haltung reicht nicht aus", erklärte Schick in einem Statement aus Anlass einer Kundgebung gegen Antisemitismus am Donnerstagabend in Nürnberg, zu der er mit aufgerufen hatte. "Jede Form von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus ist mit dem Christentum nicht vereinbar." Dies müsse die Kirche in ihrer tagtäglichen Arbeit deutlich machen. Es gelte, die Augen und Ohren offen zu halten und jedem Aufkeimen von antisemitischen Tendenzen zu begegnen.

Zu der Veranstaltung hatten unter anderen auch die beiden großen Kirchen in Nürnberg aufgerufen. Es sei Zeit zu demonstrieren, "wenn in unserer Stadt der Menschenrechte und in der Region antisemitische Parolen gegrölt und rassistische Parolen an Wände geschmiert werden", heißt es in der vorab veröffentlichten Rede des evangelischen Regionalbischofs Stefan Ark Nitsche. "Unabhängig von unserer Meinung zum israelisch-palästinensischen Konflikt vereint uns die Überzeugung: Kein Mensch soll Angst haben müssen, in Nürnberg zu leben!"

Im Zuge eines Anti-Israel-Protests hatten vor gut einer Woche Demonstranten die Filiale einer Fastfood-Kette in Nürnberg gestürmt, wie ein Youtube-Video unter dem Titel "Judenhass in Nürnberg" belegt.

Die Demonstranten gingen offenbar davon aus, der Konzern werde von Juden geführt. Dabei soll unter anderem "Kindermörder Israel" skandiert worden sein. Die Kundgebung, zu der auch Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Vertreter von Religionsgemeinschaften, Wirtschaft, Gewerkschaften und Vereinen aufgerufen haben, soll ein deutliches Zeichen der Zivilgesellschaft gegen Antisemitismus setzen.

Als "schändlich und auf das Schärfste zu verurteilen" hat der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen jede Form des Antisemitismus angeprangert. Zugleich versicherte er die Jüdische Gemeinde Fulda seiner Verbundenheit und Solidarität angesichts antisemitischer Äußerungen bei propalästinensischen Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt. In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an den Vorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde, Roman Melamed, schreibt der Oberhirte: "Ich bin zutiefst empört und beunruhigt über das Verhalten einiger Mitbürger, die mit populistischen Parolen altem Hass neue Nahrung geben."

Auf keinen Fall, so der Bischof, dürften sich die Dinge wiederholen, die zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte gehörten. "Gerade in Deutschland stehen wir in einer besonderen Verantwortung", betont Algermissen. Es stehe ferner außer Frage, dass der Krieg im Gazastreifen beendet werden müsse, schreibt der Bischof. Dazu bedürfe es einer einvernehmlichen politischen Lösung, die eine friedliche Koexistenz von Israelis und Palästinensern möglich mache. Dies könne nur auf dem Weg eines offenen Dialogs gelingen. "Ich hoffe sehr und bete darum, dass das Blutvergießen bald endet und die Bereitschaft zu Frieden und Versöhnung obsiegt", so Algermissen.

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in Schleswig-Holstein hat Antisemitismus auf Demonstrationen gegen den Krieg zwischen Hamas und Israel verurteilt. Es sei "nicht hinnehmbar, dass wieder volksverhetzende Parolen wie 'Juden wieder ins Gas', 'Ihr Juden seid Bestien', 'Kriegserklärung der Juden an die Welt' ertönen", heißt es in einer am Donnerstag in Kiel veröffentlichten Erklärung. Ebenso sei eine Stimmung nicht akzeptabel, in der viele Mitglieder jüdischer Gemeinden, die zum Großteil in den vergangenen 20 Jahren nach Deutschland gekommen seien, "erneut daran denken, die Koffer zu packen".

Erschreckend seien Allianzen von "aufklärungsresistenten Rechtsextremisten und linken Gruppen mit Islamisten arabischer wie auch türkischer Abkunft", so die Gesellschaft. Solche fänden sich derzeit in Ländern wie Frankreich, England, Belgien, den Niederlanden und Deutschland. Die Mischung aus einheimischem und "importiertem" Antisemitismus sei hochgradig gefährlich.

Die schleswig-holsteinische GCJZ dankte ausdrücklich dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek. Der habe in klaren Worten alle Protestler beschwört, "die scharfe Trennlinie zwischen erlaubter Kritik und antisemitischen Parolen nicht zu überschreiten". Dankbar sei die GCJZ ebenso dem Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, der sich energisch gegen antisemitische Hetze in der Türkei und in Deutschland wende.

Vor dem Hintergrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen in Nahost und den dadurch ausgelösten antisemitischen Verunglimpfungen solidarisieren sich Spitzenvertreter des Bistums Essen mit den Juden. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, Weihbischof Wilhelm Zimmermann und der Essener Dompropst Thomas Zander wollen am Freitag um 11.00 Uhr demonstrativ die Essener Jüdische Gemeinde an der Sedanstraße besuchen, wie das Bistum am Donnerstag mitteilte.

Damit solle ein Zeichen gegen "antisemitische Hetze und Anfeindungen gegen Juden" gesetzt werden.

Unterdessen rief der Initiativkreis der Religionen in Essen zu einem verstärkten Dialog zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen und religiösen Gruppen auf. Es mache tief betroffen, dass Trauer und Schmerz über die eskalierende Gewalt im Nahen Osten in Wut und Hass in Essen umgeschlagen seien. Der Initiativkreis mit städtischen, jüdischen, muslimischen und christlichen Vertretern wandte sich entschieden gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und einseitige Schuldzuweisungen. Mitte Juli wurden bei einer Demonstration gegen Israel in Essen unter anderem antisemitische Parolen skandiert.

Angesichts von Antisemitismus und Hetze sind die Juden in Deutschland nach Angaben des Zentralratsvorsitzenden Dieter Graumann zutiefst verunsichert. "In den sozialen Netzwerken bricht sich eine Welle von Hetze und Häme gegen Juden Bahn, das alles übertrifft, was wir befürchtet haben", sagte Graumann der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Viele jüdische Menschen seien so verunsichert, dass sie sich fragten, ob es wieder Zeit sei, die Koffer zu packen und Deutschland zu verlassen. Zugleich beklagte er einen Mangel an Solidarität aus der Zivilgesellschaft: "Warum lässt man uns so hängen? Wir haben das Gefühl, mit unseren Sorgen alleingelassen zu werden."

"Ich habe mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorgestellt, dass ich so etwas erleben würde", so Graumann. Er habe noch nie so viele Fragen von besorgten jüdischen Menschen bekommen. "Mehrere hundert wollen von mir wissen: Können wir hierbleiben oder müssen wir wieder die Koffer packen und Deutschland verlassen?". "Wir sind betroffen und wir sind getroffen", so Graumann.

"Wenn auf deutschen Straßen gegrölt wird, dass Juden vergast, verbrannt, geschlachtet werden sollen, dann hat das mit Gaza und israelischer Politik sicherlich überhaupt nichts zu tun. Das ist der widerlichste Judenhass, den man sich vorstellen kann", beklagte Graumann. Nach Einschätzung des Zentralratsvorsitzenden ist der Konflikt in Gaza nur der aktuelle Aufhänger für die Hetze, nicht die Ursache.

Graumann würdigte, dass die Juden "sehr viel Solidarität von der Politik in Deutschland bekommen haben, allen voran vom Bundespräsidenten". Auch die Kirchen und die Zeitungen hätten sich klar und vorbildlich positioniert. Die Juden fragten sich aber: "Wo sind die normalen Menschen im Land? Wo sind überhaupt die Menschen?

Warum gibt es keine Welle der Solidarität mit uns Juden angesichts der Welle von Antisemitismus?", so Graumann. Für die jüdische Gemeinschaft gelte aber: "Resignation und Kapitulation wären die falschen Antworten", sagte der Zentralratsvorsitzende. Er habe in einen Brief an alle jüdischen Gemeindemitglieder in Deutschland klar gemacht: "Wir bleiben, was wir immer waren: Bewusste und selbstbewusste Juden, und unser Judentum tragen wir nicht als Last, sondern mit unbeugsamem Stolz!"

Die deutschen Juden seien nicht die Vertreter der Israelis betonte Graumann. Zugleich warb er um Verständnis, dass die allermeisten nicht neutral seien, "wenn es um Israel geht": "In unseren Herzen sind wir bei den Menschen in Israel." Das dürfe aber nicht dazu führen, "dass man uns als Juden hier mit Hetze, Hass und Häme verfolgt".


Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden (dpa)
Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden / ( dpa )
Quelle:
KNA , epd