Lehrermangel an Grundschulen bis 2030 größer als gedacht

Wer unterrichtet die Kleinen?

Keine pure "Einbildung": Im kommenden Jahrzehnt wird laut einer neuen Studie der Lehrermangel an deutschen Grundschulen größer sein als erwartet. Im Jahr 2025 würden mindestens 26.300 Absolventen für das Grundschulamt fehlen.

Leeres Klassenzimmer in einer Grundschule / © Anna Nahabed (shutterstock)
Leeres Klassenzimmer in einer Grundschule / © Anna Nahabed ( shutterstock )

So heißt es in der am Montag in Gütersloh veröffentlichen Untersuchung der Bertelsmann Stiftung. Im vergangenen Oktober sei die Kultusministerkonferenz (KMK) noch von lediglich 15.300 fehlenden Lehrkräften ausgegangen.

Stärkerer Anstieg der Schülerzahlen

Als Grund für die Diskrepanz nennt die Studie einen stärkeren Anstieg der Schülerzahlen. Statt der für 2025 erwarteten rund 3,06 Millionen sei von etwa 3,23 Millionen Grundschülern auszugehen. Auch 2030 würden die Schülerzahlen absehbar höher liegen. Statt der geschätzten 3,01 Millionen müsse dann im Primarbereich mit 3,18 Millionen Schulkindern gerechnet werden.

Zwar gibt es nach der Untersuchung für den Zeitraum 2026 bis 2030 einen prognostizierten Absolventenüberschuss von etwa 6.750 Grundschullehrern. Dem stehe nach jetzigen Berechnungen aber ein zusätzlicher Bedarf von 10.600 Pädagogen gegenüber.

Stiftungs-Vorstand Jörg Dräger mahnte schnelle Lösungen an. Die Zahl der Schüler wachse dynamischer als angenommen. Zugleich dauere es noch etliche Jahre, bis die zusätzlich eingerichteten Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen auch mehr Absolventen hervorbringen.

Bündel von Maßnahmen nötig?

Dräger sprach sich für ein Bündel von Maßnahmen aus. Kurzfristig helfe es, sogenannte Quereinsteiger "umfassend berufsbegleitend zu qualifizieren und mit Mentorenprogrammen erfolgreich in die Kollegien zu integrieren". Zudem könnten angehende Ruheständler motiviert werden, länger zu unterrichten. Mit zur Lösung beitragen könne auch eine flexiblere Arbeitsgestaltung für Lehrer mit jungen Familien.

Um besser planen zu können, sind laut Dräger jährliche Bedarfsvorhersagen notwendig. Dazu seien länderübergreifend einheitliche Kriterien nötig. "Nur so lassen sich Überraschungen vermeiden und mehr Zeit für politische Reaktionen gewinnen."

Für die Analyse hatten die Bildungsforscher Klaus Klemm und Dirk Zorn laut Angaben die KMK-Prognosen mit der Schülerzahlentwicklung verglichen, die sich aus der jüngsten Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamts ableiten lässt.

Mehr Studienplätze für Grundschullehrer

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sprach sich mit Blick auf die neuen Zahlen für eine kontinuierliche Schülerzahlprognose aus. "An jeder zweiten Grundschule wird es zusätzliche Klasse geben, welche die Kultusministerkonferenz bei ihrer Prognose nicht eingerechnet hat", erklärte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann.

Dies sei "erneutes Armutszeugnis für die an der Prognose Beteiligten". Die Länder müssten Seiteneinsteiger berufsbegleitend weiterqualifizieren und bedarfsgerecht ausbilden. "Wer Inklusion und Integration, Digitalisierung und den Umgang mit steigender Heterogenität in Schule meistern möchte, darf nicht an alten Vorstellungen der alleinkämpfenden Lehrkraft festhalten."

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte mehr Studienplätze für Grundschullehrer. Zudem müsse der Numerus clausus für den Studiengang weg. "Es ist eine Schande, dass junge Menschen, die sich für den wichtigen Beruf des Grundschullehrers entschieden haben, keinen Studienplatz bekommen", sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Lehrer an Grundschulen und Gymnasien müssten zudem gleich bezahlt werden.

Der Deutsche Philologenverband stellte einen 7-Punkte-Plan vor. Unter anderem müsse die Politik die Zuverdienstgrenze für pensionierte Lehrkräfte aussetzen, um diese so einsetzen zu können, wie es nötig und möglich sei, so die Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing. Lehrer müssten leichter zwischen den Bundesländern wechseln können. Für sogenannte Mangelfächer brauche es Anreize wie Stipendien.


Quelle:
KNA