Beauftragter für Religionsfreiheit sieht wachsende Feindlichkeit

“Wer Religion geringschätzt, ist weltfremd“

Kirchenaustritte, Stimmung gegen Muezzinrufe oder antisemitische Angriffe. Religion und Religionsfreiheit sind in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Auch der internationale Trend geht ins Negative, trotz einiger weniger Lichtblicke.

Ein Kreuz hinter Stacheldraht (Symbolbild für Religionsfreiheit) / © Dundanim (shutterstock)
Ein Kreuz hinter Stacheldraht (Symbolbild für Religionsfreiheit) / © Dundanim ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie steht es denn bei uns im Land mit der Religionsfreiheit? Wird die auch immer unwichtiger?

Markus Grübel (Beauftragter der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit, CDU-Politiker, MdB): Religion hat Bedeutung. Für manche Deutsche ist Religion allerdings so etwas wie eine Kinderkrankheit der Menschheitsgeschichte. Aus einer Zeit, als man sich Krankheiten oder Naturphänomene nicht gut erklären konnte.

Ich sage aber immer: Wer Religion geringschätzt, ist weltfremd. Denn Religion hat ein großes Potenzial für soziales Engagement, in der Kultur, für eine nachhaltige Entwicklung, für ein friedliches Miteinander, … Und diese Bedeutung der Religion gilt es immer wieder deutlich zu machen. Das versuche ich gerade auch in Deutschland, um das Verständnis dafür zu wecken, wie wichtig den Menschen in der Welt ihre Religion ist; wie wichtig darum auch die Religionsfreiheit ist; und wie wichtig auch das Potenzial der Religionen ist, weil das nur umgesetzt werden kann, wenn die Menschen ihre Religion frei leben können. Darum ist es wichtig, dass wir uns für Religionsfreiheit in Deutschland, aber auch in der Welt engagieren.

DOMRADIO.DE: Wie können sich denn alle persönlich um Religionsfreiheit bemühen?

Grübel: Es gibt da die goldene Regel der Menschheit: Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Diese Regel findet sich im Alten Testament, im Neuen Testament, findet sich aber auch in jeder größeren Religion in ähnlicher Formulierung. Also müssen sich alle immer überlegen, wie sie vom anderen behandelt werden möchten und so ihre Mitmenschen behandeln. Dann ist es schon gut.

Und überall auf der ganzen Welt gilt es Respekt zu haben gegenüber anderen Religionen. Das heißt, Religionen und religiöse Bräuche nicht lächerlich zu machen und Religionen und Weltanschauungen, auch wenn sie anders sind als unsere, wertzuschätzen.

DOMRADIO.DE: Sie scheiden aus dem Amt. Was sollte der oder die neue Beauftragte für den Job mitbringen?

Grübel: Ja, ich selbst bin noch im Amt, bis die neue Regierung einen neuen Beauftragten oder eine neue Beauftragte ernennt. Er oder sie muss Respekt haben vor den unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen.

Mir selbst hat mein Glaube sehr geholfen, um andere gläubige Menschen in der Welt zu verstehen. Es braucht Mut laut aufzuschreien, wenn die Religionsfreiheit verletzt wird. Und man muss sich gut vernetzen, Verbündete finden in Deutschland, Europa und in der Welt. Denn nur gemeinsam kann man viel erreichen für die Menschen in der Welt.

DOMRADIO.DE: Sie sind der erste Beauftragte für Religionsfreiheit. Das Amt gibt es erst seit 2018. Wie hat sich die Religionsfreiheit seitdem weltweit entwickelt?

Grübel: Die Religionsfreiheit als ein fundamentales Menschenrecht wird zunehmend eingeschränkt oder völlig infrage gestellt. Daher ist die Entwicklung leider negativ. In meinem Bericht habe ich deutlich gemacht, dass sowohl die Einschränkungen durch Staaten zugenommen hat, als auch die Einschränkung durch die Gesellschaft, die eigene Familie, die Dorfgemeinschaft oder Terrorgruppen.

Aber es gibt auch ein paar Lichtblicke. Zum Beispiel wurde im Irak der Weihnachtstag, der 25. Dezember zum Feiertag erklärt, obwohl Christen dort eine Minderheit sind und der Irak ein muslimisch geprägtes Land ist. Oder der Sudan, dort hat die Übergangsregierung Beschränkungen für Christen und andere Religionsgemeinschaften aufgehoben; in Indonesien wurde ein toleranter, weltoffener Präsident gewählt. Es gibt also Licht und Schatten, aber leider überwiegen die Schatten.

DOMRADIO.DE: Einer der Schatten ist wahrscheinlich China. Dort ist Weihnachten als schädliches westliches Fest bezeichnet worden und es wurden Beschränkungen angekündigt. Es ist quasi verboten, in China Weihnachten zu feiern. Wie sollte Deutschland solche Angriffe auf die Religionsfreiheit beantworten?

Grübel: Die Kommunistische Partei Chinas möchte alles kontrollieren und deuten können. Deutschland und die Europäische Union müssen daher eine Strategie gegenüber China erarbeiten. Wir sind zwar von China abhängig, aber China ist auch von Europa abhängig.

China ist nicht nur unser Geschäftspartner und Wettbewerber, sondern auch systemischer Rivale. Gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas und gegenüber der chinesischen Regierung müssen wir daher immer wieder die Menschenrechte deutlich ansprechen und klar machen, dass die Einhaltung von grundlegenden Menschenrechten in China für ein gutes Miteinander wichtig ist.

Das Interview führte Florian Helbig.


Markus Grübel / © Thomas Trutschel (photothek)
Markus Grübel / © Thomas Trutschel ( photothek )
Quelle:
DR