Theologe Kuschel über den christlichen Umgang mit dem Lebensende

Wenn der Tod ausgelacht wird

Mit dem Tod ist alles aus. Das denken viele Menschen. Doch damit bekommt der "Schnitter" gewaltige Macht. Das Christentum, so der Theologe Karl-Josef Kuschel, setzt dem einen "Protest" entgegen: Am Ende stehe der Tod blamiert da.

Autor/in:
Norbert Demuth
Skelette beim Umzug zum Tag der Toten in Austin (USA) im Oktober 2017 (Archivbild) / © Max Kelly (KNA)
Skelette beim Umzug zum Tag der Toten in Austin (USA) im Oktober 2017 (Archivbild) / © Max Kelly ( KNA )

Eigentlich ist der Tod ein Witz. Man lebt durchschnittlich 80 Jahre lang, wird dabei vielleicht ein bisschen weiser, hat was gelernt und innige Beziehungen geknüpft. Und dann soll Schluss sein, einfach so, für immer? Eigentlich müsste man darüber lachen.

Tod und Humor

In Mexiko machen sich die Menschen am Dia de los Muertos, dem Tag der Toten, lustig über den Tod. Sie feiern an den Gräbern, essen Totenköpfe aus Zuckerguss und laufen als Skelette verkleidet durch die Straßen. Gefeiert wird zwar alljährlich zu Allerheiligen und Allerseelen im November, doch es erinnert stark an Karnevalsumzüge. Wie der deutsche Karneval mit dem massenhaften Tod in Corona-Zeiten umgehen wird, wird spannend zu beobachten sein.

Doch auch das Christentum kann über den Tod lachen, es lacht ihn letztlich sogar aus. Das Christentum nimmt zwar das Sterben als Voraussetzung des Todes ernst, gerade in der Seelsorge. Es gibt Rituale der Sterbebegleitung, der Bestattung und der Trauer. "Aber theologisch hat der Tod für einen glaubenden Menschen keine absolute Macht mehr", sagt der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel. Denn dahinter steht der Glaube: Durch die Auferstehung bricht Gott sogar die Macht des Todes.

Umgang mit dem Sterben

Allerdings: "Der spezifisch christliche Glaube daran, dass im Tod eine Begegnung mit Gott stattfindet, sozusagen ein Gericht, welches Gott über den Menschen und mit ihm veranstaltet, ist doch sehr im Schwinden", sagte Kuschel der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Frankfurt. Gängig sei vielmehr "der Trend, den Tod als etwas Natürliches anzusehen, als etwas, das zum Leben gehört - nach dem Motto 'Das Leben kommt, das Leben geht'." Verbreitet sei die Vorstellung, "dass man so stirbt wie eine Kerze verlöscht oder ein Wassertropfen im Meer aufgeht".

Gerade erlebe man zwar, dass das Leben brutal abbrechen könne, etwa beim Sterben eines Menschen an einer tückischen Krankheit wie Covid-19. "Oft ist dann zwar die Trauer über die Plötzlichkeit des Sterbens groß. Aber man setzt dem selten die Glaubenskraft und Glaubensmacht entgegen, dass da noch was kommt, dass einen nach dem Sterben noch etwas erwartet", so der 72 Jahre alte katholische Theologe.

Auch die Erwartung einer letzten Gerechtigkeit werde heute oft nicht mehr geglaubt, weder für einen persönlich noch für die Universalgeschichte der Menschheit. "Doch wenn im Tod alles endet, ist es irrelevant, wie gut oder schlecht jemand im Leben gehandelt hat. Der Tod wird dann zum Gleichmacher, zum Schnitter und letztlich zum Komplizen der Mächtigen und Unterdrücker", sagt Kuschel.

Der Tübinger Theologe, der über den Tod und das Lachen Bücher und Aufsätze geschrieben hat, verweist auf den Schweizer Schriftsteller Kurt Marti. Der spricht in einem seiner Gedichte davon, dass die Auferstehung Christi ein "Aufstand Gottes gegen die Herren" und "gegen den Herrn aller Herren, den Tod" sei.

Nach dem Tod...

Der auch in der deutschen Gesellschaft verbreiteten Annahme, dass mit dem Tod alles aus ist, setze das Christentum - so Kuschel - mit der Hoffnung auf die Auferstehung einen "Protest" entgegen. Eigentlich werde der Tod sogar verspottet. "Tod, wo ist dein Stachel?", fragt der Apostel Paulus (1. Korintherbrief 15,54) im Neuen Testament.

Paulus habe dabei die Erwartung, "dass das große Gericht Christi noch kommt und Gott uns erwartet", sagt Kuschel. Das sei auch ein starkes Motiv im Koran: "Die Erwartung, dass das Endgericht, der Jüngste Tag, an dem Gott Gericht sprechen wird, noch aussteht", erläutert Kuschel, der sich intensiv mit dem interreligiösen Dialog befasst hat.

Doch der Theologe beobachtet nach eigenen Angaben auch, dass die Gesellschaft insgesamt "unempfindlicher" wird gegenüber dem Sterben - und den Tod zunehmend banalisiert. "Wenn man die überbordende Vielzahl von Kriminalfilmen jede Woche in den öffentlich-rechtlichen und privaten Kanälen sieht: Da wird der Tod jeden Tag als Unterhaltungsware präsentiert", sagt Kuschel. "Es wird gemordet, gestorben und der Tod inszeniert - das stumpft ab." Die Gesellschaft genehmige sich das "als Feierabendware", man freue sich schon auf den Sonntagabend-Tatort. Was Sterben, Verlust und Tod wirklich bedeuten, sehe man da nicht.


Karl-Josef Kuschel im Juli 2019 / © Henning Klingen/Kathpress (KNA)
Karl-Josef Kuschel im Juli 2019 / © Henning Klingen/Kathpress ( KNA )

Ein Blumenteppich zeigt Michelangelos "Jüngstes Gericht" vor dem Petersdom im Juni 2016 / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Ein Blumenteppich zeigt Michelangelos "Jüngstes Gericht" vor dem Petersdom im Juni 2016 / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )
Quelle:
KNA