Wenn Benedikt XVI. kommt, soll es keine Zwischenfälle geben

Sicherheitsstufe Papst in Roms Synagoge

Keine Experimente: Wenn Papst Benedikt XVI. am Sonntag als Gast in die jüdische Gemeinde Roms kommt, soll alles nach Plan gehen. Sämtliche Beteiligten sorgen sich darum, dass nichts geschieht, was das delikate Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Judentum gefährden könnte - sowohl auf der Ebene der Sicherheit wie des Protokolls. Der Besuch ist willkommen, aber ihn begleitet Anspannung.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Bis in alle Einzelheiten feilten die italienische Polizei und Vertreter der jüdischen Gemeinde am Sicherheitskonzept für Benedikt XVI. Erschwerende Umstände: Die Synagoge liegt an einer belebten Uferstraße am Tiber, und das öffentliche Interesse an dem Ereignis ist merklich höher als sonst im papstgewohnten Rom. Allein rund 500 Journalisten werden zu der zweistündigen Visite erwartet, der zweiten seit dem historischen Besuch von Johannes Paul II. 1986.

Ein normaler Besuch des Papstes in seinem Bistum sieht anders aus: Bereits Mitte der Woche wurden Abwasserkanäle ringsum auf Bomben abgesucht, das Gelände kontrolliert, Schachtdeckel zugeschweißt - ein Aufwand, der sonst potenziellen Terrorzielen wie dem US-Präsidenten zuteilwird. Welche Route der päpstliche Konvoi am Sonntagnachmittag nimmt, entscheidet sich kurzfristig. Ein Helikopter verfolgt die siebenminütige Fahrt auf die andere Tiberseite mit Überwachungskameras. Rings um die Synagoge werden Scharfschützen postiert.

Nicht minder minuziös laufen die inhaltlichen Vorbereitungen. Der Gang des Papstes zu den älteren Brüdern im Glauben soll den Willen zum Dialog bekräftigen. Doch das über vier Jahrzehnte seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gewachsene Verhältnis ist nicht frei von Kontroversen. Benedikt XVI. sorgte mit seiner entschärften Fassung der Bekehrungsbitte für Juden in traditionalistischen Karfreitagsgottesdiensten für Debatten. Später kam der Eklat um den Traditionalisten-Bischof und Holocaustleugner Richard Williamson dazu. Ein Dauerbrenner ist das Seligsprechungsverfahren für Pius XII. (1939-58), das just vor wenigen Wochen mit der Anerkennung des «heroischen Tugendgrads» einen entscheidenden Schritt weitergekommen ist.

Das offizielle Programm will solche Themen möglichst ausklammern. Umso mehr bestimmen sie das Umfeld: Der Präsident der italienischen Rabbinervereinigung, Giuseppe Laras, klinkte sich mit Verweis auf die Debatte um Pius XII. aus dem Treffen aus. Einziger Profiteur des Synagogentermins wäre ohnehin nur die katholische Kirche, sagte er in Zeitungsinterviews. Unklar ist, ob und in welcher Form Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni den Weltkriegspapst und seine Rolle während der Schoah ansprechen wird.

Pünktlich zum Papstbesuch erschien ein Zeitzeugen-Interview, das den persönlichen Einsatz von Pius XII. für die Rettung der Juden im nationalsozialistisch besetzten Rom unterstreichen sollte. Laut dem heute 97-jährigen Priester Giancarlo Centioni statteten er und etliche Mitbrüder bedrohte Juden mit falschen Papieren und Geld zur Flucht aus. Koordiniert habe die Tätigkeiten ein Priester namens Anton Weber in direktem Kontakt mit Pius XII.; die Zentrale des Netzwerks war in der Via dei Pettinari, ein paar Schritte von der Synagoge entfernt.

Auch die Gegenseite legte nach: Ein mitgliederstarker US-Verband von Holocaustüberlebenden formulierte eine Petition an Roms Oberrabbiner, beim Papstbesuch Tacheles zu reden und Benedikt XVI. zu einem Verzicht auf die Seligsprechung seines Vorgängers aufzufordern. Wenn Di Segni seinen Gast auf diese Weise brüskierte, wäre das eine «Dummheit» mit schweren Folgen für den interreligiösen Dialog, sagt ein Experte im vatikanischen Stab. «Aber ganz ausschließen kann man das nicht.» Ein Trost: Bis zum Freitagmittag war der amerikanische Appell nicht in der Mailbox der jüdischen Gemeinde eingetroffen. Und ab Sabbatbeginn bleibt der Computer ausgeschaltet.