Jüdischer Polizeiseelsorger will Informationslücken schließen

Wenig über Feiertage und Bräuche bekannt?

Für Polizisten ist es wichtig zu wissen, was in Synagogen gefeiert wird, die sie gerade bewachen, sagt Deutschlands erster jüdischer Polizeiseelsorger, Rabbiner Shneur Trebnik. Aber auch an die übrigen Bürger in Deutschland hat er einen Wunsch.

Polizei patroulliert vor der Berliner Synagoge in der Oranienburger Straße / © Werner Spremberg (shutterstock)
Polizei patroulliert vor der Berliner Synagoge in der Oranienburger Straße / © Werner Spremberg ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie wichtig sind die Polizistinnen und Polizisten für die jüdische Gemeinde in Deutschland gerade in diesen Tagen?

Rabbiner Shneur Trebnik (Deutschlands erster jüdischer Polizeiseelsorger in Ulm): Ich glaube, Polizeibeamte sind für uns alle wichtig. Die sorgen für Ordnung und leider gehört dazu, dass jüdische Einrichtungen ab und zu stärker bewacht werden müssen.

DOMRADIO.DE: Sie sind auch Referent bei der Polizei in jüdischer Religionslehre. Was glauben Sie, wie wichtig ist es, dass die Menschen, die da jetzt vor der Tür stehen und wahrscheinlich in aller Regel keine Juden sind, sich mit den Grundlagen der jüdischen Religion beschäftigen?

Trebnik: Es ist schon sehr wichtig. Denn wenn man vor der Synagoge steht und gar nicht weiß, was hinter der Tür passiert, kann man schwer einschätzen, ob gerade ein jüdischer Feiertage ist. Wissen solte man auch, was an einem Samstag ist, wo zum Beispiel Jüdinnen und Juden kein Telefon benutzen und keine Nachrichten hören. Das ist schon sehr wichtig.

Noch ein anderer Aspekt: Viele denken, dass jüdische Gemeinden und jüdische Synagogen zu Mahnmahlen und Gedenkstätten gehören. Viele denken auch, wir seien hier aufgrund der Vergangenheit und des Holocausts. Das ist total falsch. Jüdische Gemeinden und jüdisches Leben gibt es in Deutschland. Es sind einfache jüdische Bürger, die hier leben. Die gehören als Religionsgemeinschaft zum ganz normalen Alltag und nicht nur als Mahnmahle.

DOMRADIO.DE: Beim rechtsextremen Anschlag von Halle 2019 an Jom Kippur war der Polizei anscheinend nicht so richtig klar, dass es sich da um den höchsten jüdischen Feiertag handelte. Das war zumindest die Kritik. Es war schließlich der massiven Eingangstür der Synagoge zu verdanken, dass es nicht zu mehr Toten gekommen ist. Können Sie mit Ihrer Polizeiseelsorge, mit dieser Kommunikation jetzt solche Vorfälle verhindern oder wenigstens klarmachen, welche Feiertage besonders wichtig sind?

Trebnik: Wir kommunizieren seit vielen Jahren gegenüber der Polizei in Baden-Württemberg die jüdischen Feiertage und die besonderen Gottesdienste. Durch mein neues Amt ist das nochmal deutlich stärker geworden. Jetzt wird es nicht nur auf dem offiziellen Kanal ans Innenministerium weitergegeben, sondern das Ziel ist, dass die Polizeibeamten und die Revierleiter vor Ort einfach wissen: Da ist ein Feiertag, da sind deutlich mehr gläubige Menschen in der Synagoge. Aufgrund der Gefährdungslage sollte man da vielleicht ein Auge drauf halten.

DOMRADIO.DE: Ist Ihrer Meinung nach der Rechtsextremismus bei der Polizei eine Gefahr?

Trebnik: Wir versuchen alle, professionell zu handeln und wir sind trotzdem alle Menschen und jeder von uns hat eine gewisse politische Meinung. Ob es jetzt Rechtsextremismus oder Linksextremismus ist, da muss man ehrlich sagen: Extremismus an sich könnte gefährlich sein.

Ich persönlich meine nicht, dass es zwischen den Polizeibeamten mehr Rechtsextremismus gibt als in anderen Gruppen in der Bevölkerung. Aber jeder ist einer zu viel. Unsere Hauptzielgruppe ist natürlich die große Mehrheit. Die hören vielleicht etwas und scheuen sich zu fragen, zu recherchieren, werden durch blöde Sprüche oder blöde Chatverläufe beeinflusst.

DOMRADIO.DE: In den vergangenen zwei Tagen haben sie das Fest Schawuot gefeiert. Der jüdische Kalender ist voller Feste, die reich an schönen Bräuchen und Riten sind. Wissen das zu wenige Menschen in Deutschland?

Trebnik: Ich würde nicht sagen, dass das zu wenige Menschen in Deutschland wissen. Ich würde nicht erwarten, dass sich alle deutschen Bürger Gedanken machen oder über alle jüdischen Feiertage und Bräuche informieren lassen.

Ich würde mir aber wünschen, dass die Menschen einfach wissen, dass es einen jüdischen Kalender gibt. Es gibt viele Feiertage und Bräuche, die ganz normal und lebendig sind und zum Alltag vieler Bürger in Deutschland gehören. Und wenn jemand sagt. "morgen ist bei uns Feiertag, da komme ich nicht zur Arbeit", oder "da läuft bei uns vielleicht ein längerer Gottesdienst", dann sollte man das einfach akzeptieren.

Das Interview führte Dagmar Peters.


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