Weltsozialforum in Nairobi beginnt mit Protestmarsch

"Eine andere Welt ist möglich"

Mit einem Protestmarsch von Slumbewohnern beginnt am Samstag das siebte Weltsozialforum in Nairobi. Zu dem Treffen werden in der kenianischen Hauptstadt Zehntausende Globalisierungskritiker aus aller Welt erwartet. Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen Konflikte und Armut in Afrika, Kritik an der Weltwirtschaftsordnung und der Umweltschutz. Beim diesjährigen Weltsozialforum sind die Kirchen so stark wie noch nie vertreten.

 (DR)

Das Treffen, das bis Donnerstag dauert, findet zum ersten Mal in Afrika statt. Zum siebten Weltsozialforum werden wieder mehr als 100.000 Teilnehmer erwartet. Unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich" versammeln sich in Nairobi Umweltschützer, Menschenrechtler, Kleinbauern-Aktivisten, Frauenrechtlerinnen und Mitglieder von Anti-Rassismus-Initiativen. Regierungspolitiker sind unerwünscht. Allerdings wurden linksgerichtete Präsidenten wie Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien) und Hugo Chávez (Venezuela) in der Vergangenheit stürmisch gefeiert.

Das Weltsozialforum versteht sich als offene Bewegung und bekennt sich in einer Charta zu Toleranz, Gewaltfreiheit, Demokratie, Menschenrechten und Pluralismus. Feste Strukturen werden auf ein Minimum begrenzt. Ein "Internationaler Rat" trifft die wichtigsten Entscheidungen.

Kirchen so stark wie noch nie vertreten
Ein Blick vor Ort: In der Gemeinde von Pater Daniele in Kenias Hauptstadt Nairobi laufen die Vorbereitungen für das Weltsozialforum auf Hochtouren. Auf dem staubigen Schulhof malen Kinder bunte Banner. Helfer organisieren ein Straßenkinder-Festival oder den "Slum-Marathon", an dem Slumbewohner und weltberühmte Läufer wie Paul Tergat teilnehmen sollen.

"Hier leben die Ärmsten der Ärmsten, und beim Weltsozialforum haben wir die Chance, unserem Unmut vor großem Publikum Luft zu machen", freut sich Daniele, der vor mehr als zehn Jahren von Italien hierher gezogen ist. Korogocho ist eines der ärmsten Slums in Nairobi. Hundert Meter von Danieles Kirche entfernt erhebt sich ein riesiger Müllberg. Viele der mehr als 700.000 Slum-Bewohner leiden an Krankheiten. Politiker lassen sich selten blicken. Die einzigen, die für die Rechte der Benachteiligten kämpfen, sind die Kirchen.

Viele einfache Gemeindemitglieder sind mittlerweile kämpferische Aktivisten. Nicht attac oder eine Gewerkschaft, die katholische Gemeinde von St. John in Korogocho stellt mit 4.000 Anmeldungen das größte Besucherkontingent beim ersten Weltsozialforum auf afrikanischem Boden, zu dem insgesamt 100.000 Menschen erwartet werden.

Desmond Tutus Rede wird mit Spannung erwartet
Dass Kirchen die größte Massenbewegung in Afrika sind, schlägt sich auch im Programm des Forums nieder. Die meisten mitwirkenden Gruppen aus Kenia sind kirchliche Gemeinden und Vereine. Desmond Tutu, der pensionierte südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger, wird als Redner mit Spannung erwartet.

Für manchen Globalisierungskritiker, so glauben Kirchenaktivisten, wird das Weltsozialforum in Nairobi eine Art Kulturschock bedeuten. "Gerade in Frankreich ist die globalisierungskritische Bewegung eine sehr kirchenferne", sagt der Pariser Pfarrer Antoine Sondag. Attac mit seinen Vertretern wie dem Direktor von "Monde diplomatique", Bernard Cassen, stehe zumindest der Institution Kirche höchst kritisch gegenüber.

Kirchen können Probleme nicht allein lösen
Mit solcher Kritik kann der kenianische Theologe Jesse Mugambi leben. Er sieht das Verhältnis zwischen Kirchen und der klassischen  globalisierungskritischen Bewegung entspannt: "Die Kirchen werden die Probleme der Welt nicht alleine lösen." Deshalb sei es ihre Pflicht, mit all denen zusammenzustehen, die für eine bessere Welt streiten.

Rohan Silva, ein Theologe aus Sri Lanka, kritisiert den "unbedingten Glauben an den Markt". Dagegen müssten die Kirchen zu Felde ziehen. Dabei setzt Silva auf den Dialog mit anderen Konfessionen und auf den Kampf gegen jede Art von Fundamentalismus, auch in kirchlichen Kreisen: "Viele Pfingstkirchen fördern einen Fanatismus, der die Welt nicht besser machen würde."

Ulrich Gundert vom evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt" in Stuttgart wertet das große kirchliche Engagement als Spiegel der afrikanischen Realität: "Die Kirchen sind in Afrika oft die einzigen, die ihre Stimme gegen Unterdrückung erheben." Er lobt die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen. So halten die Allafrikanische Kirchenkonferenz und das katholische Hilfswerk  Caritas gemeinsam Seminare ab. Und schon vor dem Sozialforum trafen Theologen aus aller Welt zu einem "Weltforum für Theologie und Befreiung" zusammen.