Weltkongress der Religionen ringt um Bedeutung

Kasachstan, der Vermittler?

Welche Bedeutung hat das Treffen der Weltreligionen in Kasachstan, wenn doch frühere Abschlusserklärungen kriegerische Auseinandersetzungen wie in der Ukraine und weltweite religiöse Konflikte nicht verhindern konnten?

Autor/in:
Ina Rottscheidt
 Papst Franziskus auf dem VII. Weltkongress der Religionsführer in Kasachstan / © Alexander Zemlianichenko (dpa)
Papst Franziskus auf dem VII. Weltkongress der Religionsführer in Kasachstan / © Alexander Zemlianichenko ( dpa )

Bereits zum siebten Mal veranstaltet Kasachstan den "Kongress der Führer der weltweiten und traditionellen Religionen". Zu ihm werden in der Hauptstadt Nur-Sultan (früher Astana) am 14. und 15. September über 100 Delegationen aus 50 Ländern erwartet, darunter hochrangige Vertreter des Katholizismus, Islam, Judaismus, Buddhismus, Hinduismus, aber auch des Taoismus, Shinto und Zoroastrismus. 

Es ist das erste Mal, dass ein Papst diesen Kongress besucht. Für Franziskus ist er vor allem eine Möglichkeit, sich mit anderen religiösen Führern über den Frieden und dessen Umsetzung auszutauschen. Das hatte der 85-Jährige am vergangenen Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz gesagt. Neben Papst Franziskus, dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem und Theophilos III. werden auch der Großscheich der Al-Azhar-Moschee in Kairo, Ahmed al-Tayyib, und Israels Oberrabbiner Yitzhak Yosef und David Lau erwartet. 

Freiheitliches Feigenblatt?

Das Weltreligionen-Treffen findet auf Initiative der kasachischen Staatsführung alle drei Jahre statt, 2003 hatte es der damalige Präsident Nursultan Nasarbajew ins Leben gerufen. Nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA wollte er damit laut eigener Aussage zu Frieden und Austausch zwischen Religionsvertretern beitragen. 

VII. Weltkongress der Religionsführer in Kasachstan / © Alexander Zemlianichenko (dpa)
VII. Weltkongress der Religionsführer in Kasachstan / © Alexander Zemlianichenko ( dpa )

Kritiker werfen der Staatsführung hingegen vor, sie wolle mit dem Kongress Kasachstan international als Land ethnischer und religiöser Toleranz darstellen, während sie selbst autoritär regiert, die Menschenrechtslage als problematisch gilt und die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Thomas Helm sieht darin keinen Widerspruch. Er ist Vorsitzender der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft und hat fünf Jahre in dem zentralasiatischen Land gelebt. "Kasachstan war immer darum bemüht, sich als Ort friedlichen Zusammenlebens von verschiedenen Völkern und Religionen zu zeigen. Man wollte Konflikte aushandeln und sich auch auf internationaler Ebene als Vermittler dazustellen", sagt er im Interview mit DOMRADIO.DE. Er nennt als Beispiele den OSZE-Vorsitz, den Kasachstan 2010 als erster Nachfolgestaat der Sowjetunion übernommen hatte, den nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat 2017 und 2018 und die so genannten Astana-Gespräche zur Vermittlung im Syrien-Krieg. 

Autoritäre Regierung

Erst im Januar 2022 war es in vielen kasachischen Städten zu gewaltsamen Protesten gekommen, die sich zunächst an den steigenden Preisen und der Korruption im Land entzündet hatten. Staatschef Kassym-Schomart Tokajew hatte mit Härte durchgegriffen und einen Schießbefehl erteilt. 

2011 trat in Kasachstan ein neues Religionsgesetz in Kraft, das religiöse Gruppen zur Registrierung verpflichtet. Das Gesetz war international auf Kritik gestoßen, weil es verstärkt zur Überwachung von Veranstaltungen, Razzien und Festnahmen geführt hat. Nach Helms Ansicht war ist dies aber vor allem der Versuch, den extremen Islam im Land einzudämmen. Über 60 Prozent der Bevölkerung Kasachstans sind Muslime, die Angst vor ausländischer Einflussnahme – etwa aus Katar oder Saudi-Arabien - sei groß, sagt der Experte, die Entwicklungen in Afghanistan abschreckend. 2011 war es in Teilen des Landes vermehrt zu islamistischen Terroranschlägen gekommen.

Kein Treffen von Kyrill und Franziskus

Beim diesjährigen "Kongress der Führer der weltweiten und traditionellen Religionen" wollte sich Kasachstan wieder als Vermittler ins Spiel bringen: Ziel sei es ursprünglich gewesen, Papst Franziskus mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen von Moskau, Kyrill, zusammenzubringen, sagt Thomas Helm von der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft. Der Russe, der den von Präsident Wladimir Putin begonnenen Angriffskrieg in der Ukraine stets verteidigt hatte, reist allerdings nicht an, vergangene Woche sagte er ab. Ein Treffen mit Vertretern der russisch-orthodoxen Delegation in Nur-Sultan könnte es aber trotzdem geben, so Helm weiter: "Papst Franziskus ist in solchen Dingen unkompliziert. Vielleicht nutzt er die Gelegenheit, eine Botschaft zu übermitteln und das wäre auch gut."

Internationale Strahlkraft konnte der Kongress allerdings bislang nie entwickeln. In der Abschlusserklärung von 2018 einigten sich die Beteiligten u.a. darauf, "jede Form der Manipulierung der Religion in politischen Konflikten" abzulehnen und für die "Notwendigkeit für ein friedliches Zusammenleben zwischen den unterschiedlichen Würdenträgern" zu werben. Einen Einfluss auf aktuelle Konflikte mit religiöser Komponente hatten diese Erklärungen nicht. 

Nach innen wirke sehr Kongress allerdings sehr wohl: "In Kasachstan schätzt man diese Hochrangigkeit", so Helm. Zudem sei es in dem multiethnischen und multireligiösen Land seit der Sowjetzeit zu keinerlei religiösen und ethnischen Konflikten gekommen, sagt er. Offenbar wirkt die Verhandlungsstrategie zumindest nach innen.

Quelle:
DR