Welthungerhilfe empört über Abhöraktion des BND in Afghanistan

Befremdet und irritiert

Die Deutsche Welthungerhilfe hat sich am Montag empört über die Abhöraktion des Bundesnachrichtendienstes gegen eines ihrer Projekte in Afghanistan geäußert. Der Generalsekretär der Organisation, Hans-Joachim Preuß, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, den Vorfall zu untersuchen und sicherzustellen, dass Entwicklungshelfer nicht mehr abgehört werden.

 (DR)

"Dass deutsche Verfassungsorgane eine unabhängige deutsche Entwicklungsorganisation observieren, befremdet und irritiert uns", betonte Preuß in seinem Schreiben an Merkel. "Wir gehen davon aus, dass sich die für diese Maßnahme politisch Verantwortlichen entschuldigen."

Zugleich prüft das Hilfswerk rechtliche Schritte. Aus Sicht der Welthungerhilfe gefährdet das Ausspähen die Arbeit unabhängiger Organisationen in Afghanistan. Preuß: "Humanitäre Hilfe muss unparteilich sein."

Die Welthungerhilfe wurde nach eigenen Angaben vom BND darüber informiert, dass von Oktober 2005 bis April 2008 mehr als 2.000 Telefonate, E-Mails und Faxe in Afghanistan ausgewertet wurden. Dies habe der "Einschätzung der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan" und dem Schutz deutscher Einrichtungen gedient.

"Der Geheimdienst sollte sich lieber auf die Taliban konzentrieren"
Die Abhör-Aktion bezog sich auf das Büro "Afghan NGO Safety Office" (ANSO), das für Hilfswerke die Sicherheitslage analysiert. Die Welthungerhilfe forderte Merkel auf, "dass Sie erklären, dass solche Abhöraktionen gegen Projekte und Mitarbeiter humanitärer Organisationen, die in einem gefährlichen Umfeld arbeiten, zukünftig unterbleiben." ANSO ist den Angaben zufolge ein unabhängiges Projekt zur Analyse der Sicherheitslage für Hilfsorganisationen, das von der EU, der Schweiz und Norwegen finanziert und von der Welthungerhilfe geleitet wird.

ANSO-Projektleiter Nic Lee sagte, das Abhören seines Büros sei eine Verschwendung von Steuergeldern, da seine Berichte ohnehin veröffentlicht würden. "Der deutsche Geheimdienst sollte sich lieber auf die Taliban konzentrieren", fügte er hinzu. Die Aktion untergrabe aber das Vertrauen, das ANSO genieße. Lee: "Wir werden es schwerer haben, Informationen von anderen Nichtregierungsorganisationen zu bekommen, wenn man Angst haben muss, dass man abgehört wird."

Seit 1980 ohne Unterbrechung in Afghanistan tätig
Generalsekretär Preuß betonte, Unabhängigkeit sei oberstes Prinzip und eine wesentliche Sicherheitsvoraussetzung für die Welthungerhilfe in Afghanistan: "Wir distanzieren uns von jeglicher Form zivil-militärischer Zusammenarbeit. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen der afghanischen Zivilbevölkerung, vor allem in den ländlichen Gebieten." Militärische oder andere strategische Überlegungen spielten für die humanitäre Arbeit keine Rolle. "Die Abhöraktion des BND trägt jedoch dazu bei, dass sich diese Grenzen weiter verwischen, das ist empörend."

Die Welthungerhilfe ist seit 1980 ohne Unterbrechung in Afghanistan tätig. Insgesamt wurden rund 100 Projekte im Volumen von 75 Millionen Euro umgesetzt, vor allem im Norden und Osten. Schwerpunkte sind Ernährung, Wasser und Landwirtschaft.