Weitere Schülerinnen in Nigeria entführt

Mädchenhandel in Nigeria

Im Norden Nigerias sind weitere acht Mädchen verschleppt worden. Bei den Tätern soll es sich um Mitglieder der Terrorgruppe Boko Haram handeln. Nigerias Regierung gerät nun unter internationalen Druck - auch seitens der Kirche.

Proteste gegen Entführungen (dpa)
Proteste gegen Entführungen / ( dpa )

Der mutmaßliche Anführer von Boko Haram, Abubakar Shekau, hatte in einem am Montag bekannt gewordenen Bekennervideo angekündigt, mehr als 240 vor Wochen entführte Mädchen zu verkaufen und zwangszuverheiraten. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, reagierte entsetzt auf die Aussagen Shekaus.

Der Verbleib der entführten Schülerinnen war am Mittwoch weiter unklar. Die USA kündigten an, die nigerianische Regierung bei ihren Bemühungen zu unterstützen, die Mädchen zu befreien. Boko Haram versteht sich als Teil des Terrornetzwerks Al-Kaida. Der Name bedeutet "Westliche Bildung ist Sünde". Bei ihren Anschlägen starben seit 2009 Tausende Menschen. Ziel von Boko Haram ist nach eigenen Angaben die Errichtung eines Kalifatstaats im mehrheitlich von Muslimen bewohnten Norden Nigerias.

Nigerias Regierung unter Druck

Mittlerweile mehrt sich die Kritik an Staatspräsident Goodluck Jonathan. Die Regierung müsse ihre Bürger mit "allen nötigen Maßnahmen" vor Gewalt und Verbrechen schützen, wenn sie nicht selbst an Menschenrechtsverletzungen schuldig werden wolle, erklärte das UN-Menschenrechtskommissariat am Dienstag in Genf. Der Kardinal der Hauptstadt Abuja, John Olorunfemi Onaiyekan, sagte, Nigerias Bevölkerung sei "verblüfft", dass drei Wochen nach der Verschleppung "praktisch nichts Konkretes in der Sache" zu hören sei.

Es sei bekannt, dass die islamistische Terrorgruppe Boko Haram "kein Gefühl für Menschlichkeit" besitze und unschuldige Menschen töte, so Onaiyekan. "Aber dass sie fast 300 Kinder im Nordosten Nigerias wegschaffen können ohne jede Spur, wo sie sich aufhalten, macht uns wirklich perplex", sagte der Kardinal am Dienstag dem Sender Radio Vatikan.

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay drängte Nigerias Staatspräsident in einem Brief, keine Anstrengung für eine sichere Rückkehr der Entführten auszulassen. Die Regierung stehe in der Pflicht, das Grundrecht auf Bildung für Mädchen und Jungen zu garantieren und sie vor Gewalt, Verfolgung und Einschüchterung zu schützen, heißt es in dem Schreiben, das auch von den UN-Vertreterinnen für Frauen, sexuelle Gewalt in Konflikten und Kinder in bewaffneten Konflikten unterzeichnet wurde.

Boko-Haram-Kämpfer hatten vor drei Wochen in Chibok im nordostnigerianischen Bundesstaat Borno 276 Schülerinnen verschleppt. 53 gelang die Flucht; 223 sind nach Polizeiangaben noch in der Hand ihrer Entführer. Wo sie sich aufhalten, ist nicht bekannt. Medienberichten zufolge sollen einige der Mädchen für umgerechnet neun Euro in Kamerun und Tschad zwangsverheiratet worden sein.

Boko-Haram-Chef Abubakar Shekau erklärte in einer Video-Botschaft, er wolle die Mädchen als Sklavinnen verkaufen. Das UN-Menschenrechtskommissariat nannte diese Ankündigung "dreist" und "schamlos". Sklaverei und sexuelle Ausbeutung seien nach internationalem Recht absolut verboten und könnten ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. "Die Mädchen müssen unverzüglich und unversehrt ihren Familien zurückgegeben werden", sagte ein Sprecher Pillays.

Hilfe aus den USA

Am Mittwoch wurde bekannt, dass Jonathan ein Angebot der US-Regierung, bei der Suche nach den entführten Schülerinnen zu helfen, offiziell angenommen habe. Jonathan habe dies bei einem Telefonat mit dem amerikanischen Außenminister John Kerry deutlich gemacht, heißt es in einer Mitteilung von Regierungssprecher Reuben Abati.

"Mr. Kerry hat Präsident Jonathan versichert, dass die USA sich dazu verpflichten, Nigeria alle nötige Unterstützung zu geben, um die entführten Mädchen zu retten und den Terror der Boko Haram zu einem Ende zu bringen", zitiert die Zeitung "Premium Times Nigeria" die Mitteilung. Ein US-Behördenvertreter hatte zuvor gesagt, Washington werde Geheimdienstinformationen mit Abuja austauschen. Zudem soll offenbar Sicherheitspersonal zur Unterstützung der nigerianischen Suchtrupps entsandt werden.

Proteste in Bornos Hauptstadt Maiduguri

Unterdessen wächst der Protest von Eltern und anderen Bürgern gegen ausbleibende Erfolge bei den Ermittlungen. Für Mittwoch kündigten Schüler in Borno Kundgebungen an. Wenn die Schülerinnen nicht 40 Tage nach ihrer Entführung wieder bei ihren Familien seien, solle es weitere Proteste in Bornos Hauptstadt Maiduguri geben, so die Initiatoren laut der nigerianischen Tageszeitung "The Punch" (Dienstag).

In der nigerianischen Hauptstadt Abuja sind die Sicherheitsvorkehrungen massiv verstärkt worden. Dort beginnt Mittwoch das dreitägige Weltwirtschaftsforum für Afrika. Dazu werden Wirtschaftsexperten und Politiker aus der ganzen Welt erwartet. Die Regierung ordnete an, dass für die Tagungsdauer öffentliche Schulen und staatliche Einrichtungen geschlossen bleiben.

Nigeria in Zahlen und Fakten

Nigeria ist der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Was dort passiert, hat oft Auswirkungen auf den ganzen Kontinent und darüber hinaus. 

Es besteht zu etwa gleichen Teilen aus Muslimen und Christen. Der Norden ist stark islamisch geprägt; in zahlreichen Bundesstaaten gilt das islamische Recht, die Scharia. Im Süden leben überwiegend Christen.

In Nigeria versorgt Malteser International Geflüchtete unter anderem mit sauberem Trinkwasser / © Emily Kinskey (Malteser International)
In Nigeria versorgt Malteser International Geflüchtete unter anderem mit sauberem Trinkwasser / © Emily Kinskey ( Malteser International )
Quelle:
dpa , epd , KNA