Weihnachtsbotschaften der Bischöfe

"Gott ist konkretes Leben"

Zum Heiligen Abend haben Bischöfe und hochrangige Kirchenvertreter Deutschlands sich mit Appellen an die Menschen gerichtet. Dabei stand oft ein kritischer Blick auf sich selbst und das Verhältnis zum anderen im Fokus. 

Krippenlandschaft mit Figuren aus Holz / © Alexander Hoffmann (shutterstock)
Krippenlandschaft mit Figuren aus Holz / © Alexander Hoffmann ( shutterstock )

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat die Menschen dazu aufgerufen, Selbstzweifel zu überwinden und Gott zu vertrauen. Der Limburger Bischof erinnert in einem Gastbeitrag für die "Welt" an Heiligabend an einen Satz der diesjährigen Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe: "Ich bin, denn du bist." Dies sei das Leitmotiv afrikanischer Ubuntu-Philosophie. Diese verbinde sich über Menschlichkeit, Nächstenliebe und Gemeinsinn mit dem christlichen Menschenbild.

"Ich kann Ja zu mir sagen, weil Gott längst sein Ja zu mir gesprochen hat. Ich kann sicher leben, weil ich geliebt bin, gewollt, angenommen von anderen", schreibt Bätzing. "Und selbst Liebe schenken ermutigt nicht nur andere dazu, Ja zu sich zu sagen, es gibt auch meinem eigenen Leben Sinn." Nur wer sich von Gott bejaht wisse, könne sich selbst bejahen - daher sei Menschsein Vertrauenssache.

Steinhäuser: Weihnachten fasziniert nicht nur Christen

Weihnachten fasziniert aus Sicht des Kölner Weihbischofs Rolf Steinhäuser auch Menschen, die mit Jesus und der christlichen Botschaft von der Geburt des Erlösers nicht viel anfangen können. Mitten im Winter gebe es ein Fest des Lichtes, in der Kältezeit ein Hauch von Wärme und in der erstorbenen Natur "ein Fest der grünenden Hoffnung", schreibt der Übergangsleiter des Erzbistums Köln in einem von der Kirchenzeitung veröffentlichten Weihnachtsgruß. "Selbst muslimische Türken in Deutschland fangen an, die Wohnungen mit Christbäumen zu schmücken und sich Geschenke zu machen."

Weihnachten sei "das menschlichste aller Feste", so Steinhäuser, "weil es etwas im Herzen jedes Menschen anspricht, ganz gleich, ob er sich als gläubiger Mensch versteht oder nicht". Niemand könne sich Weihnachten einfach entziehen. "Pfingsten kann man ins Grüne fahren, Ostern nach dem Frühstück abhaken. Mit Weihnachten ist das anders." Diesem Fest könne man nicht ausweichen, was viele in die Krise treibe. "Gerade weil alle feiern, wird dem, der allein ist, das Fest zum Problem", so der Weihbischof. 

Steinhäuser vertritt derzeit als Apostolischer Administrator den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki.

Marx: Gott ist keine Theorie, sondern konkretes Leben

Weihnachten regt nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx zu einer neuen Suche an, was Gott bedeutet. Die Geschichte von Bethlehem wolle erzählen, "Gott ist keine Theorie, sondern Gott ist konkretes Leben! Ein Kind, ein Gesicht, das uns anschaut", sagt Marx laut Redemanuskript in seiner Weihnachtspredigt zu Heiligabend im Münchner Liebfrauendom.

Viele Menschen feierten das Fest, ohne den Gottesdienst zu besuchen oder ohne gläubig zu sein, erinnert der Kardinal. Zudem sei in der Corona-Zeit deutlich geworden, "dass wir zunächst einmal auf die schauen, die konkret helfen: auf die Virologen, auf die Ärzte, auf das Gesundheitswesen, auf die Politik insgesamt". Dabei stelle sich die Frage, "kann Gott etwas verändern in einer solchen Krisensituation", in der "doch eher das praktische Tun" helfe.

Auftrag der Kirche sei es, mitten in dieser Welt, auch mitten in dieser Pandemie-Welle Weihnachten zu feiern und den menschgewordenen Gott in unserer Mitte zu verkünden, erklärt Marx. "Wir feiern Weihnachten als Zeugnis dieser Hoffnung - nicht nur für uns, sondern für alle." Ohne Gott fehle der Blick auf das Ganze der menschlichen Wirklichkeit, auch fehle der liebende Blick auf den konkreten Menschen, "besonders auf den Menschen im Leid, in Armut, in Schwäche, in Krankheit". Auf der Suche nach dem, was im Leben wie im Glauben trage, könne Weihnachten "ein Anstoß sein, mit dieser Suche nicht aufzuhören, den Weg auch wirklich zu gehen", so der Kardinal.

Bischof Jung: Weihnachtsbotschaft als Ermutigung in Krisen 

Der Würzburger Bischof Franz Jung sieht in der Geburt Jesu in den derzeitigen Krisen eine Ermutigung für die Menschen. Gott sage in Jesus Christus bedingungslos und entschieden Ja zu dieser Welt, betonte Jung in einer am Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft. "An Weihnachten sind wir eingeladen, dieses Ja mitzusprechen. Immer dann mitzusprechen, wenn es schwer wird im Leben."

Keiner der Menschen habe sich herausgesucht, wann und wo er geboren wird, und in welche Krisen hinein, so der Bischof. Er nannte als Beispiele die Klima- und Coronakrise sowie die vielen entwurzelten Menschen, die nach einer neuen Heimat suchten. Gott sage in Christus Ja zu jedem Menschen. Deshalb gelte es, auch Ja zu sagen, wenn Menschen glaubten, ein Nein zu hören, etwa wegen einer Behinderung oder Krankheit, wegen Schuld und Versagen oder Unfrieden, so Jung.

Fuldaer Bischof Gerber: Motive für eigenes Handeln prüfen 

Weihnachten gibt nach Worten des Fuldaer Bischofs Michael Gerber Anlass, nach den Motiven des eigenen Handelns zu fragen. In der Pandemie sei während des ersten Lockdowns Solidarität oft in konkreten Aktionen erfahrbar geworden, schreibt Gerber in einer auf der Internetseite des Bistums veröffentlichten Weihnachtsbotschaft. "Inzwischen erleben wir aber verstärkt Polarisierungen in der Gesellschaft."

Die Bindekraft, die aus einem gemeinsamen Handeln gegen etwas entsteht, habe offenbar nur eine sehr begrenzte Halbwertszeit, so der Bischof. Ein Handeln gegen etwas könne zwar vorübergehend zusammenschweißen, bestehe aber langfristig nicht gegen Widerstände.

Der Bischof bezieht sich auch auf die biblische Weihnachtserzählung der "Flucht nach Ägypten" von Maria, Josef und dem neugeborenen Kind. Deren Schicksal lasse ihn an Verfolgung, Vertreibung und Flucht denken und erinnere an dramatische Bilder internationaler Krisenherde des Jahres 2021. "Mehr denn je sind viele Biografien heute ein holpriger Zickzack-Kurs", so Gerber. Er sehe einen der wesentlichen Aufträge von Kirche in der Welt von heute darin, Menschen dabei zu unterstützen, einen solchen Weg gehen zu können und ihnen Begleitung, Hilfe und Schutz zu bieten.

Weihnachtsbotschaften der Bischöfe Berlin und Brandenburg

Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch forderte einen schnelleren Familiennachzug von Angehörigen geflüchteter Menschen. Notwendig seien zügigere staatliche Verfahren und eine bessere Kommunikation zwischen Behörden, Ämtern und Botschaften, betonte Koch in einem Gastbeitrag für die "Berliner Zeitung" (Weihnachtsausgabe). "Es muss ausreichen, wenn die Korrektheit der Unterlagen einmal geprüft wird."

Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein rief in einer Predigt zu gemeinsamen Anstrengungen auf, "dass wir miteinander auch die nächste Runde in der Pandemie bestehen". Dazu gehöre die Sorge, dass es weltweit "gerecht zugeht mit dem Impfstoff", mahnte Stäblein mit Blick auf die armen Länder. Er betonte, dass die anhaltende Corona-Krise mit ihren Kontaktbeschränkungen "ganz schön mürbe machen" könne. Angesichts dessen ermutige die Weihnachtsbotschaft von der Geburt Jesu, in der Gott sich der Welt zuwende, nicht nur um die eigenen Ängste und Sorgen zu kreisen.

EKD-Ratschefin vermisst gemeinsamen Gesang im Weihnachtsgottesdienst

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat die Hoffnung spendende Botschaft von Weihnachten gerade in Corona-Zeiten hervorgehoben. Auch sie teile "die Müdigkeit und die Erschöpfung der allermeisten Menschen nach diesen Monaten, die hinter uns liegen, und mit der Aussicht, die uns jetzt so begleitet über die Feiertage", sagte Kurschus am Freitag im WDR-"Morgenecho". Umso wichtiger sei es, jetzt Weihnachten zu feiern.

Dass in den Weihnachtsgottesdiensten gemeinsames Singen gar nicht oder nur mit Masken möglich sei, das seien Einschränkungen, "die auch mir wehtun", räumte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ein. "Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, da fehlt mir nichts."

Das unbefangene Zusammenkommen mit vielen Menschen und gemeinsame Schmettern von "Oh, du fröhliche" sei normalerweise jedes Jahr wieder ein besonderes Erlebnis. "Das wird dieses Jahr nur gedämpft daher kommen", sagte Kurschus. "Doch die Weihnachtsbotschaft hängt nicht davon ab, ob wir wirklich aus tiefem Herzen fröhlich sind, sondern will gerade in die Herzen kommen, denen diese Fröhlichkeit abhanden gekommen ist."

Weihnachten werde gefeiert, dass Gott Mensch werde. "Ich vertraue darauf, dass er sich hineinbegibt in alles, was uns jetzt zu schaffen macht", sagte die leitende Theologin im Bielefelder "Westfalen-Blatt". Auch sie habe in Zeiten der Pandemie Fragen an Gott. "Mein Weg, mit Gott in Verbindung zu bleiben, ist das Gebet," sagte Kurschus. Ich richte meine vielen Fragen an Gott selbst, spreche ihn an, ringe mit ihm, bitte ihn um Schutz und Hilfe."

Bischöfin Fehrs: Zusammenhalt auch im Stresstest der Pandemie

Aktuelle Aufgabe der Kirche ist es nach Ansicht der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, "mit vereinten Kräften" die Menschen zusammenzuhalten. Die Gesellschaft erlebe derzeit mit der Pandemie und der Impfdebatte einen Stresstest sondergleichen, sagte Fehrs dem "Hamburger Abendblatt" an Heiligabend: "Ich wünschte, wir würden da einander mehr zuhören und weniger aufeinander einreden." Fehrs appellierte noch einmal an die Menschen, sich gegen das Coronavirus impfen und boostern zu lassen, um sich und andere zu schützen.

Der Kirche sei es wichtig, dass alle Menschen an Weihnachten einen Gottesdienst besuchen können, sagte die Bischöfin. "Denn die Krippe ist der Ort, an dem alle willkommen sind, an dem die Unterschiede in den Hintergrund treten." Deshalb würden Kirchengemeinden neben 2G- und 3G- auch 0G-Gottesdienste mit besonderen Schutzmaßnahmen anbieten.

Die Sehnsucht nach Gemeinschaft sei groß. "Der Mensch braucht gemeinsame Rituale, die das Herz unmittelbar erreichen", sagte Fehrs, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Rheinischer Präses Latzel: Für andere zum Hirten werden

Der rheinische Präses Thorsten Latzel hat dazu aufgerufen, füreinander zu Hirten zu werden. "Hirten sind die, die sich um andere kümmern und sie schützen", sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland am Freitagmorgen laut Predigttext im Gottesdienst in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Vohwinkel. Die Hirten seien nach der Geburt Jesu nicht nur die ersten gewesen, denen die Engel die Weihnachtsbotschaft brachten. Weihnachten sei Gott selbst in Christus als guter Hirte an die Seite der Menschen gekommen, sagte Latzel. "Und Gott macht uns so frei, dass wir uns selbst aufmachen und für andere zum Hirten werden."

Er selbst sei in seinem Leben immer wieder solchen Menschen begegnet, "die es gut mit mir gemeint haben, sich um mich gesorgt haben", sagte der Präses weiter. Neben seinen Eltern sei das etwa sein älterer Bruder gewesen, "der mich als Kleinen am Schulhof verteidigt hat", aber auch Lehrerinnen, Kollegen und Freunde. "Es sind Menschen, durch die ich etwas von Gottes Beistand in meinem Leben erfahren konnte." Manchmal habe er auch selbst anderen Menschen zum Hirten werden können, sagte Latzel. Weihnachten gehe es darum, sich von der Botschaft bewegen zu lassen, "für andere ein Hirte und Hoffnungsträger zu sein".


Bischof Bätzing (DR)
Bischof Bätzing / ( DR )

Weihbischof Rolf Steinhäuser / © Rudolf Wichert (KNA)
Weihbischof Rolf Steinhäuser / © Rudolf Wichert ( KNA )

Kardinal Marx (DR)
Kardinal Marx / ( DR )

Bischof Franz Jung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Franz Jung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Bischof Michael Gerber / © Angelika Zinzow (KNA)
Bischof Michael Gerber / © Angelika Zinzow ( KNA )

Erzbischof Heiner Koch (Archiv) / © Juergen Loesel (KNA)
Erzbischof Heiner Koch (Archiv) / © Juergen Loesel ( KNA )

Der evangelische "Hauptstadtbischof" Christian Stäblein / ©  Jörg Carstensen (dpa)
Der evangelische "Hauptstadtbischof" Christian Stäblein / © Jörg Carstensen ( dpa )

Annette Kurschus / © Harald Oppitz (KNA)
Annette Kurschus / © Harald Oppitz ( KNA )

Bischöfin Kirsten Fehrs / © Nordkirche (Marcelo Hernandez)
Bischöfin Kirsten Fehrs / © Nordkirche (Marcelo Hernandez)

Thorsten Latzel / © Federico Gambarini (dpa)
Thorsten Latzel / © Federico Gambarini ( dpa )
Quelle:
KNA , epd