Weihnachten rückte die Ränder der Gesellschaft in den Fokus

Ein Papst setzt Maßstäbe

Weihnachtessen, Besuche und Telefonate: Die Situation der Flüchtlinge stand an Weihnachten im Fokus der Kirche. Der Papst griff sogar zum Telefonhörer, um mit verfolgten Christen im Irak zu sprechen.

Autor/in:
Joachim Heinz
Jugendliche Flüchtlinge sind oft alleine in Deutschland. (dpa)
Jugendliche Flüchtlinge sind oft alleine in Deutschland. / ( dpa )

So schnell kann es gehen bei einem Seitenwechsel. "Die Flüchtlinge dachten, Sie sind der Papst", erfuhr der erstaunte Gast zu Beginn seiner Visite. Dabei handelte es sich bei dem Besucher des "Lighthouse Welcome Centers" in der Bayern-Kaserne in München "nur" um den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Das Missverständnis ließ sich schnell aufklären. Dem bayerischen Landesbischof blieb Zeit genug, seine zentrale Botschaft zu platzieren: dass niemand ernsthaft Weihnachten feiern könne, "ohne Anteil zu nehmen an der Situation der Flüchtlinge überall auf der Welt heute".

Die Heiligabend-Episode aus der Willkommens- und Anlaufstelle für Flüchtlinge in der bayerischen Landeshauptstadt zeigt zweierlei: Wie sehr Papst Franziskus inzwischen über konfessionelle und nationale Grenzen hinweg als Anwalt der Ausgegrenzten wahrgenommen wird. Und wie seine Forderung, an die "Ränder der Gesellschaft" zu gehen, das Bild von Kirche auch in Deutschland allmählich verändert. Denn in den zurückliegenden Weihnachtstagen war der EKD-Chef nicht allein. Auf katholischer Seite unternahmen gleich mehrere Bischöfe den Blick über den Tellerrand.

Woelki bei Weihnachtsessen mit Obdachlosen

Am gleichen Tag, an dem Bedford-Strohm sich darüber informierte, wie es Menschen aus den Bürgerkriegsgebieten von Syrien oder dem Irak nach München verschlug, begab sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zu einem Weihnachtsessen für Wohnungslose. Woelki setzte damit in gewisser Weise eine schon in seinen Zeiten als Erzbischof von Berlin begonnene Tradition fort.

Aber es hat den Anschein, als ob mehr dahinter steckt. Vielleicht ist da wirklich der Wunsch, in einer immer öfter auseinanderdriftenden Gesellschaft miteinander im Gespräch zu bleiben. So, wie es der neue Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr nach einer Begegnung mit 150 Gästen einer Suppenküche der Caritas formulierte: "Mich bewegen die Lebensgeschichten der Menschen." Der Dank lässt nicht lange auf sich warten: "Wir freuen uns, dass Sie da sind", heißt es etwa beim Besuch Woelkis im Obdachlosentreff.

Voderholzer in Erstaufnahmeeinrichtung

Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer schaute zum Weihnachtsfest bei Flüchtlingen in der kürzlich eröffneten Erstaufnahmeeinrichtung in Regensburg vorbei - bevor er in sehr persönlichen Worten um eine Aufnahme von notleidenden Menschen in Deutschland warb. Seine Familie sei nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland gekommen und einer oberbayerischen Bauernfamilie zugewiesen worden. Deren Oberhaupt habe gleich zu Beginn gesagt: "Ich habe euch nicht gefragt, wie viele ihr seid." Diese Devise müsse auch heute gelten: "Wer werden nicht fragen: Wie viele seid ihr?"

Wie viele es in der Würzburger Posthalle beim Weihnachtsfest der christlichen Laiengemeinschaft Sant'Egidio waren, ließ sich unterdessen zweifelsfrei feststellen: Rund 1.200 Menschen - Alte, Flüchtlinge oder Behinderte - kamen am ersten Weihnachtstag zusammen, um ein warmes Essen und Geschenke von rund 400 freiwilligen Helfern entgegenzunehmen. Mit dabei: Ortsbischof Friedhelm Hofmann. Der hatte alle Hände voll zu tun. Auch hier sind es nicht zuletzt Bilder, die haften bleiben. Ein Foto zeigt Hofmann mit einem Baby auf dem Arm. Daneben steht eine Frau mit Kopftuch, mutmaßlich die Mutter. Fast schon eine weihnachtliche Form der Familienaufstellung.

Papst telefoniert mit irakischen Christen

Und Papst Franziskus? Der erinnerte Heiligabend an das Schicksal von Jesus, Maria und Josef - bei einem Telefonat mit christlichen Flüchtlingen im irakischen Erbil. Diese seien "wie Jesus in der Nacht seiner Geburt: Für ihn gab es keinen Platz, er wurde verjagt und musste nach Ägypten fliehen, um sich zu retten." Dann fügte der Papst noch einen dieser programmatischen Sätze hinzu, die zu einer Art Markenzeichen von ihm geworden sind: "Die Notleidenden sind das Fleisch Christi."


Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )

Erzbischof Rainer Kardinal Woelki (dpa)
Erzbischof Rainer Kardinal Woelki / ( dpa )

Bedford-Strohm (dpa)
Bedford-Strohm / ( dpa )
Quelle:
KNA