Weihbischof Jaschke über islamische Geschäftsideen und Scharia

"Mit Angst ist uns nicht gedient"

Die Äußerung des rheinland-pfälzischen Justizministers Jochen Hartloff, er halte Scharia-Richter in Deutschland für möglich, stößt auf Kritik. Für Hans-Jochen Jaschke ein "unüberlegter" Vorstoß. Hamburgs Weihbischof plädiert für einen gemeinsamen gesellschaftlichen Weg - nicht nur in diesem Fall.

Weihbischof Jaschke: Ehe und Homopartnerschaft nicht egalisieren (KNA)
Weihbischof Jaschke: Ehe und Homopartnerschaft nicht egalisieren / ( KNA )

KNA: Herr Weihbischof Jaschke, machen Sie sich angesichts spezifisch muslimischer Geschäftsideen Sorgen um die Integration?

Jaschke: Natürlich bin ich nicht glücklich über solche Entwicklungen. Ich halte das für weitere Schritte zu einer Parallelgesellschaft. Unserer Gesellschaft ist mehr damit gedient, wenn wir beieinanderbleiben, auch in den täglichen Bedürfnissen wie Personenbeförderung und Einkaufsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite ist es sinnvoll, dass es Geschäfte gibt, in denen Muslime Dinge bekommen, die sie brauchen wie Kopftücher oder bestimmte Lebensmittel. Und dass auch viele Nicht-Muslime hier einkaufen, ist gut.



KNA: Wo sehen Sie Grenzen?

Jaschke: Wenn es zu gegenseitigen Abschottungen kommt; wenn sich etwa in Harburg um die neue Ladenpassage eine Art "muslimisches China-Town" bilden würde. Ich möchte die Muslime herzlich bitten, dass sie sich wirklich integrieren in das große Ganze unserer vielfältigen Gesellschaft. Ich habe Sorge vor Parallelorten, die sich bei uns entwickeln und dazu führen können, dass Unverständnis und Fremdheit wachsen. Das kann nicht im Interesse der Muslime sein, aber auch nicht im Interesse einer deutschen Gesellschaft, denn wir wollen mit der ganzen Vielfalt, mit den Religionen und auch mit den nicht religiösen Menschen friedlich zusammen leben und spüren, dass wir zusammengehören.



KNA: Gelten Ihre Bedenken auch für das "Muslim Taxi"?

Jaschke: Nein, da habe ich weniger Bauchschmerzen. Eine Mitfahrzentrale gemäß den islamischen Vorschriften ist vielleicht eine gute Geschäftsidee. Ich kann verstehen, dass ein gläubiger Muslim gerade bei solchen Fahrten, bei denen man möglicherweise stundenlang mit Fremden im Auto sitzt, großen Wert auf die Geschlechtertrennung legt. Darauf muss man Rücksicht nehmen. Es darf natürlich nicht dazu führen, dass es künftig bei uns Mitfahrgelegenheiten nur für Muslime und solche nur für Christen gibt. Dass der Gründer von "Muslim Taxi" betont, dass ausdrücklich auch Nicht-Muslime zugelassen sind, ist gut. Es fragt sich nur, wer sich angesprochen fühlt. Auch das Geschäftliche würde mich interessieren.



KNA: Beide Beispiele zeigen Tendenzen von Muslimen, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Sind das Einzelfälle?

Jaschke: Ich habe nicht die Übersicht, das zu beurteilen. Aber mir fällt schon auf, dass Muslime ihre Identität deutlich zeigen, aus meiner Sicht manchmal etwas übertrieben und nicht ohne Druck. Das sehen wir derzeit etwa in Ägypten oder in Libyen. Dass sie auch in Deutschland zeigen wollen, dass sie als Muslime etwas Eigenes sind, kann ich verstehen. Aber sie müssen um die abschreckende Wirkung wissen. Identität muss sich doch auf das Wesentliche beziehen: auf den Glauben, auf die eigene Persönlichkeit, auf die eigenen Traditionen, aber doch nicht darauf, dass man Geschäftsbetriebe entwickelt, bei denen man möglichst unter sich ist.



KNA: Inwieweit können solche Tendenzen auch mit den jüngst aufgedeckten ausländerfeindlichen Morden von Neonazis zusammenhängen?

Jaschke: Tatsächlich haben mir Muslime gesagt, sie würden es als Bedrohung erfahren und hätten Angst, angesichts dessen, was jetzt über die jahrelangen Anschläge von Rechts ans Licht gekommen ist. Das Wort von den "Dönermorden" ist in keiner Weise verharmlosend, sondern eine Beleidigung für Türken und Muslime. Es weckt böse Stimmungen. Aber mit Angst ist uns nicht gedient! Wir müssen offensiv das Zusammenleben und die Normalität in unserer Gesellschaft unterstreichen und fördern. Gerade durch Zeichen der Absonderung entstehen Verhärtungen und lassen sich Fremdheitsgefühle negativ ausnutzen. Etwa in dem Sinne, dass Leute mit rechtsextremer Gesinnung sagen, "schau, die wollen sich ja gar nicht integrieren". Das schadet und führt nicht wirklich weiter.



KNA: Der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff (SPD) hat jetzt mit einer Interview-Äußerung, er halte das islamische Recht Scharia "in moderner Form" in Deutschland für akzeptabel, kontroverse Reaktionen ausgelöst. Was sagen Sie zu einem solchen Vorstoß?

Jaschke: Das erscheint mir für einen Justizminister recht unüberlegt und ruft nur Emotionen auf den Plan. Ich bin für eine "moderne" Fassung der islamischen Scharia, aber das braucht noch viel Zeit und gute Entwicklungen bei den Muslimen. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass eine muslimische Rechtsprechung eigene Wege in unserer Gesellschaft geht.



Zur Person: Weihbischof Hans-Jochen Jaschke ist Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für den Dialog mit den Muslimen.



Das Gespräch führte Sabine Kleyboldt.