Weihbischof Jaschke kritisiert Roger Kusch - Hamburgs Ex-Justizsenator hat Sterbehilfe geleistet

"Auf dem Irrweg"

Der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch (53) hat einer sterbewilligen Frau geholfen, sich zu töten. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke äußerte dazu im domradio Interview deutliche Kritik. Kusch zeige durchaus eine moralische Attitüde, er befinde sich aber auf dem Irrweg. Mit medizinischem Beistand und juristischem Schutz, verklärt durch das Bild einer lächelnden Frau, die in den Alben der Familie blättere, handle es sich um ein "makabres Spiel" mit dem Tod, verurteilt der Bischof das Vorgehen Roger Kuschs.

 (DR)

Die Hospizbewegung zeige, dass man ein lebenswertes schmerzfreies Leben bis zum Ende erfahren könne. "Dass das Leben nicht mehr lebenswert sei, das dürfen wird uns nie einreden lassen.'", appelliert der Bischof. Die Palliativmedizin sei eine gute Alternative zur Sterbehilfe.

Die Kirche gehe heute davon aus, dass ein Selbstmörder nicht mehr mit vollem Bewußtsein wisse, was er getan habe. So werden Selbstmörder heute auch von der Kirche mit "Liebe und Barmherzigkeit" beerdigt. Schlimm sei aber, dass Ronald Kusch die Menschen ermutige, sich das Leben zu nehmen. Der ehemalige Senator erzeuge eine Stimmung, dass das Leben nicht mehr lebenswert sei. "Gegen solche Stimmungen müssen wir mit aller Schärfe eintreten", fordert der Weihbischof.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt
Der vom früheren Hamburger Justizsenator Roger Kusch geleistete Fall von Sterbehilfe bleibt vorerst ohne rechtliche Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft Würzburg schließt eine «rechtlich relevante Fremdbeteiligung» im Zusammenhang mit der am Samstag in Würzburg verstorbenen Frau aus. Nach dem derzeitigen Ergebnis des Todesermittlungsverfahrens habe es sich um einen «normalen Suizid» gehandelt, heißt es in einer am Dienstagnachmittag veröffentlichten Erklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts Carsten Lückemann.

Der Politiker hatte mit juristischen Konsequenzengerechnet, sagte Guy Seidel, Sprecher des von Kusch gegründeten Sterbehilfevereins im "Spiegel." Der ehemalige Senator sei am Samstag Augenzeuge gewesen, als sich eine schwerkranke 79-jährige Frau das Leben nahm. Ein von ihm beworbener Tötungsautomaten sei nicht zum Einsatz gekommen.

Die ehemalige medizinische Fachkraft wandte sich laut Kusch im Frühjahr erstmals mit ihrem Suizidwunsch an ihn. Anschließend sei er viermal bei ihr gewesen und habe «unzählige» Telefonate mit ihr geführt. Beim letzten Besuch am Samstag habe er ihr je einen Becher mit dem Malariamittel Chloroquin und dem Beruhigungsmittel Diazepam zubereitet, die sie selbst besorgt und im Abstand von 15 Minuten getrunken habe. Kurz nach der letzten Einnahme habe er die Wohnung verlassen, sagte Kusch. Bei seiner Rückkehr nach drei Stunden habe er Schardt tot vorgefunden.

Der Jurist Kusch hatte schon in den vergangenen Monaten offensiv die Meinung vertreten, dass jeder Mensch das Recht auf einen "Tod in Würde" habe. Kusch sieht es nach eigenem Bekunden nicht als seine Aufgabe an, den Sterbewunsch eines Menschen zu hinterfragen. Einem 20-Jährigen an Liebeskummer Leidenden würde er nicht beim Suizid assistieren, so der Jurist. Er zeigte sich von der Legalität seines Handelns überzeugt, doch sei fraglich, ob etwa die bayerischen Ermittlungsbehörden diese Meinung teilten, so der Ex-Senator. Bislang sei von dieser Seite niemand an ihn herangetreten.

Ein von ihm entwickelter Injektionsautomat soll einen schmerzfreien Soforttod bieten. Kuschs Idee eines Sterbehilfe-Automaten ist nicht neu. Der Arzt Philip Nitschke entwickelte in den 90er Jahren in Australien eine Maschine, die Patienten per Computerbefehl eine tödliche Injektion verabreichte.

Zahlreiche Anfragen
Roger Kusch hatte 2007 erstmals einen Injektionsautomaten vorgestellt und im März der Öffentlichkeit eine Weiterentwicklung präsentiert: Mit einem Knopfdruck können Todkranke die Maschine in Gang setzen, die dann aus zwei Spritzen parallel jeweils 20 Milliliter Narkotikum und Kaliumchlorid in die Venen presse, hieß es. Zuvor müsse ein Arzt, dem Kusch Anonymität zusichern will, lediglich eine Kanüle legen.

Erst kürzlich hatte Kusch mitgeteilt, er könne sich vor Anfragen kaum retten. Es handele sich dabei meist um Menschen, die noch gar nicht unter unerträglichen Schmerzen litten, sondern um Personen, die Angst vor Einsamkeit, Kontrollverlust oder der Bedrohung ihrer Selbstständigkeit hätten.

Ähnliche Gründe führte auch die Frau an, die sich am Samstag das Leben nahm. In von Kusch aufgezeichneten Videosequenzen erklärte die 79-Jährige, sie «leide am Leben». Es falle ihr schwer, sich zu bewegen, Essen zuzubereiten und ihr Leben zu organisieren. In Gesprächen hatte sie laut Kusch immer wieder ihre große Angst davor ausgedrückt, in ein Pflegeheim «verfrachtet» zu werden. Wenn ihr Sterben eine Gesetzesänderung herbeiführen würde, «wäre mein Tod ein Vorteil für andere Menschen», begründet die Frau ihre Unterstützung für Kusch in dem Video.

Holländisches Modell
Kusch plädiert für eine Zulassung der aktiven Sterbehilfe nach niederländischem und belgischem Modell in Deutschland und hat dazu 2006 einen Gesetzentwurf vorgelegt. Allerdings sei dies derzeit nicht durchsetzbar, sagte er kürzlich. Man müsse deshalb «Schritt für Schritt» vorgehen und zunächst nach dem Muster der Schweiz die Beihilfe zur Selbsttötung straffrei stellen.

In Deutschland werden Selbsttötungen und Beihilfe dazu nicht strafrechtlich verfolgt. Allerdings können Helfer anschließend wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. In der Schweiz ist die organisierte Beihilfe zur Selbsttötung unter bestimmten Voraussetzungen legal. Die Sterbehilfeorganisation Dignitas versucht, dieses Modell auch in Deutschland durchzusetzen.