Weihbischof gegen jede organisierte Beihilfe zur Selbsttötung

Von der Möglichkeit zur Pflicht

"Aus der Möglichkeit für wenige wird schleichend eine Pflicht für viele", warnt der Augsburger Weihbischof Anton Losinger im Interview und nimmt damit Stellung zur aktuellen Debatte um organisierte Beihilfe zur Selbsttötung.

Sterbebegleitung (dpa)
Sterbebegleitung / ( dpa )

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger hat sich gegen jede Form der organisierten Beihilfe zum Suizid gewandt. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) warnte das Mitglied des Deutschen Ethikrates am Freitag in Augsburg davor, aus der Betroffenheit über dramatische Einzelfälle Gesetze abzuleiten und Grundprinzipien des Lebensschutzes infrage zu stellen. Alle Versuche, eine rechtliche Regelung für solche Extremfälle zu finden, seien unrealistisch, sagte er unter Verweis auf die Entwicklung in Belgien und den Niederlanden. Dort sind ursprünglich stark restriktive Regelungen zur aktiven Sterbehilfe in den vergangenen Jahren immer weiter liberalisiert worden. Losinger ist in der Bischofskonferenz für ethische Grundfragen zuständig.

Das eigene Dasein rechtfertigen

Der Weihbischof warnte vor einem Mentalitätswandel durch zunehmende Akzeptanz der Suizidbeihilfe. "Aus der Möglichkeit für wenige wird schleichend eine Pflicht für viele". Schon jetzt meinten alte, kranke und behinderte Menschen, sie müssten ihr Dasein in einer Leistungsgesellschaft rechtfertigen.

Zugleich sprach er sich für ein Stärkung der Palliativmedizin und der Hospize aus. Sie seien die angemessene Antwort auf verständliche Ängste der Menschen vor Schmerzen und der Sorge, zum Pflegefall zu werden. Die Erfahrung zeige, "dass die allermeisten Patienten ihren Sterbewunsch aufgeben, wenn sie von den Möglichkeiten der Schmerzmedizin und der Sterbebegleitung erfahren".

Sterben als Teil des Lebens

Losinger forderte einen anderen Blick auf das Sterben. "In einer Lifestyle- und Leistungsgesellschaft erscheint das Sterben oft nur noch als körperlicher Verfall. Es ist aber ein entscheidender Teil des Lebens - und für viele Menschen der Schritt zu einer letzten Reife".

Kritisch äußerte sich der Weihbischof zu den Äußerungen des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche (EKD), Nikolaus Schneider.

Dieser hatte erklärt, er werde aus Liebe notfalls seine krebskranke Frau Anne zur Suizidbeihilfe in die Schweiz begleiten, auch wenn dies gegen seine Überzeugung sei. "Ich hatte im Rat der EKD stets eine klare Positionierung gegen kommerzielle Suizidbeihilfe vernommen.

Helfen, nicht vollstrecken

Dasselbe galt für die Ablehnung der organisierten Suizidbeihilfe. In dieser so ernsten Frage für eine ganze Gesellschaft würde ich mir mehr innere Stringenz wünschen", so Losinger.

Der Weihbischof wandte sich auch dagegen, für Ärzte rechtliche Entscheidungsspielräume für Extremfälle zu eröffnen. Das würde zu einer tiefen Zweideutigkeit im Selbstverständnis des Arztes führen und das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patienten untergraben: "Es wäre fatal, wenn aus der helfenden Hand des Arztes hier eine vollstreckende wird."


Quelle:
KNA