Wehrmachtsoffizier Hosenfeld von Jad Vaschem geehrt

"Der einzige Mensch in deutscher Uniform"

Für den polnischen Pianisten Wladyslaw Szpilman war er "der einzige Mensch in deutscher Uniform, dem ich begegnet bin". Doch Wilm Hosenfeld, im Zweiten Weltkrieg deutscher Besatzungsoffizier in Polen und bekennender Katholik, ist trotz seiner großen Menschlichkeit bis heute kaum bekannt. Am Freitag ehrte ihn die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem posthum als "Gerechten unter den Völkern".

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Unter Einsatz seines Lebens rettete Hosenfeld mehr als ein Dutzend Menschen vor dem Terror der Nazis. Der Gesandte des Staates Israel, Ilan Mor, überreichte im Jüdischen Museum Berlin Hosenfelds Sohn die Medaille und Urkunde.

Erst Roman Polanskis 2002 in die Kinos gekommener Film «Der Pianist» sowie die 1998 auf Deutsch erschienenen Erinnerungen Szpilmans haben Hosenfeld ein wenig aus dem Dunkel der Geschichte herausgeholt. 2004 veröffentlichte der Historiker Thomas Vogel die Briefe und Tagebücher des stillen Widerstandskämpfers.

Hosenfeld wird 1895 als viertes von sechs Kindern in Mackenzell am Rande der Rhön geboren. Der Junge wird geprägt durch den Lehrerberuf seines Vaters, die Wandervogelbewegung und die katholische Kirche. Im Ersten Weltkrieg Kriegsfreiwilliger und schwer verletzt, anschließend selber Lehrer und Reformpädagoge: Hosenfeld denkt konservativ und national und ist für das Gedankengut der Hitler-Bewegung aufgeschlossen. Als Parteimitglied glaubt er noch 1939 daran, in einen gerechten Krieg zu ziehen.

Doch zu dieser Zeit hatten sich schon Zweifel eingeschlichen: Als Vater und Lehrer erfuhr er, dass die Erziehungsziele der Nazis nichts mit seinen jugendbewegten Idealen zu tun hatten. Kirchenkampf und der Streit um die katholischen Schulen vergrößerten seine innere Distanz. Die Reichskristallnacht 1938 und die anschließenden Judenpogrome brachten seinen Glauben an das NS-Regime weiter ins Wanken.

Die erschütternden Erlebnisse in Polen, wo Hosenfeld als Besatzungsoffizier Zeuge von Misshandlungen und Unterdrückung wurde, brachten den gläubigen Katholiken dann endgültig auf die Bahn des persönlichen Widerstandes. Tagebücher und Briefe geben Zeugnis von der inneren Zerrissenheit dieses Offiziers, der Teil des deutschen Eroberungs- und Vernichtungsfeldzuges war, jedoch Menschlichkeit über Eid und Befehle stellte und die Augen vor den Verbrechen nicht verschloss.

«Ich versuche, jeden zu retten», schrieb er in sein Tagebuch.
Beispielsweise in Warschau 1940: Ein SS-Mann will ein polnisches Kind erschießen, das aus Wehrmachtsbeständen etwas Heu gestohlen hatte. Da rennt Hosenfeld auf den Deutschen zu, schreit ihn weinend an: «Sie können doch dieses Kind nicht umbringen.» Der SS-Mann zieht seine Pistole und sagt: «Wenn du jetzt nicht sofort verschwindest, dann legen wir dich auch um.» Das war ein Schlüsselerlebnis.

Hosenfeld beschloss, Menschen vor der Vernichtung zu schützen - Polen, Juden, Katholiken. Als Verwalter einer Sportschule gewährte er geflohenen Häftlingen Unterschlupf und besorgte gefälschte Papiere. Er lernte Polnisch und siezte Juden - damals ein seltener Respektsbeweis. Und dem völlig verwahrlosten und fast verhungerten Pianisten Szpilman, der sich während des Aufstandes im Warschauer Getto versteckt hatte, gab er zu essen, ließ ihn Chopins Nocturne vorspielen und versteckte ihn anschließend.

Seinem Tagebuch vertraute Hosenfeld Ende 1943 mit Blick auf die Gräuel der Deutschen an: «Ich glaube, es gibt in der Geschichte der Menschheit kein ähnliches Beispiel, dass Verbrechen von einer verhältnismäßig geringen Zahl begangen, von einem ganzen Volk abgebüßt werden müssen, weil dieses selbe Volk blind war und zu feige und zu unmoralisch, um sich gegen die Verbrecher zur Wehr zu setzen.»

Hosenfeld selber hat seine Menschlichkeit nichts genutzt: Er geriet 1945 in russische Kriegsgefangenschaft. Und obwohl sich Szpilman und andere Polen, die er rettete, bei den Sowjets für ihn einsetzten, starb er 1952 in einem Gefangenenlager bei Stalingrad.