Was Rom bei Synodalität von der Orthodoxie lernen kann

Im Osten gibt es Diakoninnen

In der orthodoxen Kirche spielt Synodalität eine besondere Rolle. Da kann die katholische Kirche noch was lernen, glaubt Bernd Mussinghoff. Er ist Mitorganisator eines Kongresses, der sich vom 2. bis 5. November dem Thema widmet.

Kreuz eines orthodoxen Priesters / © Stanislav Mirchev (shutterstock)
Kreuz eines orthodoxen Priesters / © Stanislav Mirchev ( shutterstock )

KNA: Ihre auf den christlichen Ost-West-Dialog spezialisierte Stiftung "Pro Oriente" organisiert mit dem Ökumene-Institut der Päpstlichen Dominikaner-Universität "Angelicum" vom 2. bis 5 November in Rom den Kongress "Auf den Osten hören - Synodalität in Leben und Mission der orthodoxen Kirche." Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Konferenz? Wie passt sie zum synodalen Dialogprozess, den der Papst gerade um ein Jahr bis 2024 verlängert hat?

Bernd Mussinghoff, Generalsekretär PRO ORIENTE, Wien, und ehemals Repräsentant des Deutschen Vereins vom Heiligen Land in Jerusalem vor der Kulisse der Altstadt (KNA)
Bernd Mussinghoff, Generalsekretär PRO ORIENTE, Wien, und ehemals Repräsentant des Deutschen Vereins vom Heiligen Land in Jerusalem vor der Kulisse der Altstadt / ( KNA )

Bernd Mussinghoff (Generalsekretär der Stiftung "Pro Oriente"): Die Konferenz soll dem Ziel dienen, auf orthodoxe Stimmen zum Thema Synodalität zu hören und von unserer Schwesterkirche zu lernen, welche Theologien von Synodalität, welche Ausdrücke derselben im praktischen Leben der Kirchen und auch welche spirituellen synodalen Traditionen in ihr bewahrt worden sind beziehungsweise sich entwickelt haben. Die Konferenz ist als prä-synodale Konsultation eingebettet in die zweite, internationale Phase des synodalen Prozesses der katholischen Kirche, was unter anderem auch durch die gemeinsame Übernahme der Schirmherrschaft für die Konferenz durch das vatikanische Synodensekretariat und das Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen zum Ausdruck kommt.

KNA: Das Programm verbindet theologische und historische Themen mit praktischen Fragen und aktuellen Fallbeispielen. Nach welchem Konzept richtet sich die Konferenz?

Mussinghoff: Die Konferenz folgt der Dreiteilung des synodalen Prozesses entlang der Teilaspekte communio – participatio – missio. So wird der erste Tag Aspekte von Gemeinschaft (communio) beleuchten, und zwar der Gemeinschaft der Bischöfe untereinander, aber auch über diesen Kreis hinaus, etwa durch Analysen zum ersten ökumenischen Konzil von Nizäa, dessen 1.700-Jahr-Jubiläum wir in drei Jahren begehen werden, aber auch zum Großen und Heiligen Konzil der Orthodoxen Kirche auf Kreta im Jahr 2016.

Orthodoxe Kirche

Als orthodoxe Kirche wird die aus dem byzantinischen (Oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet. Sie besteht je nach Standpunkt aus 14 beziehungsweise 15 selbstständigen ("autokephalen") Landeskirchen. "Orthodox" ist griechisch und bedeutet "rechtgläubig". Trotz großer nationaler Unterschiede und innerer Konflikte versteht sich die Orthodoxie in Bekenntnis und Liturgie als eine einzige Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. (84).

Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus (shutterstock)
Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus ( shutterstock )

Der zweite Tag wird der Frage nach der Teilhabe (participatio), insbesondere auch von Laien, Frauen wie Männern, an der Entscheidungsfindung in der Kirche gewidmet sein, mit zahlreichen Fallbeispielen aus den unterschiedlichen orthodoxen Kirchen, aus Geschichte und Gegenwart.

Am dritten Tag wird schließlich der Zusammenhang von Synodalität und Mission in den Blick genommen, denn es soll bei der Konferenz - wie beim synodalen Prozess insgesamt - nicht um eine Selbstbespiegelung der Kirche gehen, sondern ganz wesentlich auch um die Frage, ob und wie eine synodalere Kirche dazu beitragen kann, das Evangelium als frohe Botschaft für alle Menschen besser erfahrbar zu machen.

KNA: Was bedeutet Synodalität in der Orthodoxie – auch im Vergleich zur lateinischen Kirche?

Mussinghoff: Diese Frage werde ich Ihnen nach der Konferenz besser beantworten können. Ohne den einzelnen Beiträgen jetzt vorgreifen zu wollen, kann man insgesamt sicher sagen, dass in den orthodoxen Kirchen eine stärkere synodale Prägung zu verzeichnen ist, als wir sie in der katholischen Kirche gegenwärtig haben.

So kann der Patriarch einer autokephalen orthodoxen Kirche deutlich weniger Entscheidungen allein treffen als dies der römische Papst kann. Er ist viel stärker an die Entscheidungen des Heiligen Synods gebunden, aber auch, je nach Fragestellung, an die Entscheidungen anderer synodaler Gremien, in denen auch Laien, Frauen wie Männer, vertreten sein können, die nicht nur beratende, sondern wirklich beschlussfassende Funktionen haben.

KNA: Was kann die katholische Kirche in Sachen Synodalität von der Orthodoxie lernen, was sollte sie im Dialog vertiefen?

Mussinghoff: Auch wenn dies nicht dem gängigen Bild der orthodoxen Kirchen entspricht, so denke ich, dass es beispielsweise hinsichtlich der Frage der Beteiligung von Frauen am kirchlichen Amt aber auch, unabhängig von der Amtsfrage, an kirchlichen Entscheidungsfindungsprozessen in den orthodoxen Kirchen Bereiche gibt, über die ein vertiefter ökumenischer Austausch sinnvoll sein könnte.

So ist in der orthodoxen Kirche der Diakonat der Frau zwar über viele Jahrhunderte hinweg keine gängige Praxis mehr gewesen, formell abgeschafft wurde er aber nie. Dies hat ermöglicht, dass vor wenigen Jahren im orthodoxen Patriarchat von Alexandria, das für ganz Afrika zuständig ist, mehrere Frauen zu Diakoninnen geweiht worden sind - ohne dass dies des Beschlusses eines pan-orthodoxen Konzils oder ähnlichem bedurft hätte.

Bernd Mussinghoff, Generalsekretär der Stiftung "Pro Oriente"

In der orthodoxen Kirche ist der Diakonat der Frau zwar über viele Jahrhunderte hinweg keine gängige Praxis mehr gewesen, formell abgeschafft wurde er aber nie.

KNA: Treten Sie bei der Tagung in einen katholisch-orthodoxen Dialog, oder wollen Sie nur zuhören?

Mussinghoff: Tatsächlich laden die katholischen Veranstalter für diese Konferenz ausschließlich orthodoxe Referentinnen und Referenten nach Rom ein. Die katholischen Teilnehmenden sind nur in der Rolle der Zuhörenden oder Beobachterinnen und Beobachter, die zwischendurch wiedergeben, was sie gehört beziehungsweise beobachtet haben, gemäß der Methodologie des "receptive ecumenism".

So soll herausgearbeitet werden, was wir von unseren orthodoxen Glaubensgeschwistern an "ökumenischen Gaben" empfangen und vielleicht auch für die Weiterentwicklung unserer Kirche fruchtbar machen können.

KNA: Sie tagen in Rom. Wie ist der Vatikan eingebunden? Und wie der Synodale Weg in Deutschland?

Mussinghoff: Die Konferenz steht nicht nur unter der gemeinsamen Schirmherrschaft zweier vatikanischer Dikasterien, sondern deren Präsidenten, die Kardinäle Koch und Grech, werden auch Grußworte zur Konferenz beisteuern. Auch weitere katholische Teilnehmende, wie Schwester Nathalie Becquart oder Professor Myriam Wijlens, sind eng mit dem Sekretariat der vatikanischen Synode verbunden.

Mit dem Synodalen Weg in Deutschland gibt es keine strukturelle Verbindung, da die Konferenz zur zweiten, internationalen Phase des weltweiten synodalen Prozesses gehört. Aufgrund meiner früheren Tätigkeit im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz gibt es zum Büro des Synodalen Wegs aber Kontakte auf der Arbeitsebene. Sollten die Ergebnisse unserer Konferenz auch für den Synodalen Weg in Deutschland noch fruchtbar gemacht werden können, würden wir uns freuen.

KNA: In welcher Form oder welchem Rahmen wollen Sie die Erfahrungen, Erkenntnisse in den katholischen Weltprozess einbringen.

Mussinghoff: Die Konferenz wird im Internet per Livestream mitzuverfolgen sein, die Videos bleiben auch anschließend online. Es wird außerdem eine Publikation der Tagungsbeiträge in Buchform geben. Außerdem ist vorgesehen, die Konferenz-Ergebnisse in synthetisierter Form direkt an das Synoden-Sekretariat weiterzuleiten und auf diese Weise in den synodalen Prozess einzubringen.

Das Interview führte Johannes Schidelko.

Quelle:
KNA