Bundespräsident spricht mit sächsischen Schülern über Rassismus

"Was können wir denn als Schüler tun?"

Immer wieder ist Sachsen wegen rassistischer und fremdenfeindlicher Ausschreitungen in den Schlagzeilen. Was kann man dagegen tun, überlegten Bundesspräsident Steinmeier und Schüler des katholischen Gymnasiums Zwickau.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während einer Kabinettssitzung / © Kay Nietfeld (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während einer Kabinettssitzung / © Kay Nietfeld ( dpa )

"Ist Rassismus ein Thema bei euch auf dem Schulhof?" Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat gerade zusammen mit der 12. Jahrgangsstufe des katholischen Zwickauer Peter-Breuer-Gymnasiums den Rundgang durch die Rassismus-Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum beendet. Jetzt diskutiert er mit den Jugendlichen.

"Klar, Integration und Flüchtlinge sind bei uns ein Thema", sagt eine Schülerin. Ein anderer ergänzt: "Den meisten von uns, auch in den anderen Altersstufen, machen die Dinge Sorgen, die in letzter Zeit in Sachsen passieren."

"Was können wir denn als Schüler tun?"

Gemeint sind die sich wiederholenden fremdenfeindlichen und rassistischen Vorfälle im Freistaat, die Bilder von Pegida und Co., Schlagzeilen wie "Hetzjagd auf Ausländer". Manch einer sieht sich dem hilflos gegenüber. "Was können wir denn als Schüler tun?", fragt eine 17-Jährige den Bundespräsidenten ganz pragmatisch. "Wir engagieren uns zwar auf Demos, aber wir sind viel weniger als die Neonazis." Steinmeier erzählt von seinem Besuch in Ostritz vor zwei Wochen. In das 2.300-Einwohner-Städtchen in Ostsachen kommen alljährlich rund 1.000 Rechtsextremisten aus ganz Deutschland und dem angrenzenden Polen zu einem sogenannten "Schild- und Schwert-Festival".

Am kommenden Wochenende ist es wieder soweit. Doch die Bürger und Kirchen setzen nun schon zum zweiten Mal mit einem Friedensfest einen Kontrapunkt. "Es hat mich erstaunt und sehr beeindruckt, dass die ganze Bevölkerung sich öffentlich auf dem Marktplatz versammelt und damit zum Ausdruck bringt, dass sie ihren Ort nicht einfach so solchen Gruppen überlassen", sagte Steinmeier. "Dieses Maß von Mut müssen wir uns schon abverlangen!"

Ein Schüler will wissen: "Wie ist es denn eigentlich für Sie, jetzt ein Deutschland repräsentieren zu müssen, in dem diese unschönen Dinge passieren?" Steinmeier gibt unumwunden zu: "Das ist eine ganz neue Erfahrung." In den vergangenen Jahren habe es immer viel Anerkennung gegeben für die stabile Demokratie in Deutschland und die gelebte Vielfalt, so der frühere Außenminister. "Aber jetzt sind die Nachfragen kritischer. Es irritiert das Ausland, wenn sich Rassenhass auf deutschen Straßen zeigt."

Zunehmende Polarisierungen

Eine Ursache für das Aufkeimen von Rassismus sieht Steinmeier in zunehmenden Polarisierungen. Dadurch sinke die Bereitschaft für Kompromisse und ein Leben in Vielfalt. Eindringlich wirbt der Bundespräsident für die Neubelebung einer konstruktiven Streitkultur:

"Wir müssen dafür sorgen, dass an Abendbrottischen dieser Gesellschaft noch über dasselbe gesprochen wird." Die Unzufriedenen und diejenigen, "die alles schönfärben", müssten wieder miteinander ins Gespräch kommen. "Wir müssen wieder dazu kommen, dass wir gegenseitig unseren Argumenten zuhören und nicht auf den Straßen aneinander vorbei schreien."

Er vertraue darauf, dass die Mehrheit derer, die sich von der Politik nicht gehört fühlen, trotzdem im Gespräch Argumenten aufgeschlossen ist, ist Steinmeier zuversichtlich: "Aber es muss auch alles auf den Tisch!" Dem pflichtet der Architekt Francis Kere, Gestalter der Rassismus-Ausstellung, bei: "Es darf keine Tabus geben." In seiner Heimat Burkina Faso gebe es ein Sprichwort: "Solange man sich nicht unterhält, entfernt man sich voneinander."

Kein Feiertag in Sachsen

Der Ausflug der Zwickauer Schüler ist als "Besinnungstag" deklariert, denn das katholische Fest Allerheiligen am 1. November ist in Sachsen kein Feiertag. Steinmeier findet die Idee gut: "Solche Besinnungstage täten der ganzen Gesellschaft gut, gerade bei dem, was auf den Straßen passiert." Es sei wichtig, dass jeder immer wieder selbstkritisch über das eigene Verhalten reflektiere und sich auch frage: "Was trage ich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei? Und was sind wir bereit, als Vielfalt zu ertragen?"

Am Ende der Debatte zeigt sich Steinmeier sehr beeindruckt. Die Jugendlichen nähmen die Veränderungen in der Gesellschaft sehr sensibel wahr und setzten sich konstruktiv damit auseinander. "Diese Schüler vor Augen, ist mir um den Zusammenhalt unseres Landes und die Zukunft der Demokratie nicht bange."


Quelle:
KNA