Warum zünden wir Kerzen an?

Ein Lichtermeer für Aleppo II

"Sind Kerzen wichtig in Eurer Religion?“, fragt mich Basima mich auf dem Rückweg vom Friedensgebet für Syrien in unserer Dorfkirche. "Schon“, sage ich. "Und warum?“

"Ein Lichtermeer für Aleppo" / © Angela Krumpen (DR)
"Ein Lichtermeer für Aleppo" / © Angela Krumpen ( DR )

Gute Frage. Auf dem kalten Heimweg durch unseren kleinen Ort suche ich eine Antwort.

Warum zünden wir Kerzen an? Gerade z.B.  Am Ende hat der Pastor das Mikrofon in der überraschend vollen Kirche in diesem spontan angesetzten Friedensgebet von den Stufen in den Gang gestellt. Einen Karton mit alten Osterkerzen daneben. Wer will, kann einen Wunsch, ein Gebetsanliegen vortragen. Und eine Kerze anzünden.  Warum tun wir das?

Weil Kerzen eine warme Atmosphäre schaffen, die Dinge weicher zeichnen? Ist es unsere Art uns zu wärmen, angesichts  der Kälte einer globalen Welt, deren brutale Seite die Medien uns Abend für Abend ins Haus bringen?

Vielleicht.

Vielleicht ist es aber auch der Wunsch danach, zu handeln. Vor der Finsternis nicht zu kapitulieren.  Ein Licht anzünden. Wenigstens das.

Wenigstens das, schreibt eine Hörerin neben das Kerzenlicht, das sie ans domradio schickt für das Kerzenmeer für Aleppo. Kerzenmeer für Aleppo – das ist eine Bildergalerie auf facebook, die den Menschen in Aleppo zeigen soll, dass die Welt sie nicht vergisst. Wenigstens das könnten wir tun.  Die Hörerin fügt hinzu: Danke für die schöne Aktion.  Was bewegt diese Hörerin, auf die Kraft von Kerzen zu vertrauen?

An dem Abend, an dem  wir uns in der Kirche versammeln, ruft Basima in einem muslimischen Gebet auf arabisch, englisch und etwas deutsch  den großen Gott an, der alles schaffe, was sei,  bittet um Vergebung und um Frieden für Mutter und Schwester in Aleppo. Zur gleichen Zeit  entscheidet sich die Schlacht um Aleppo.  Der grausame Diktator gewinnt mit seinen mächtigen Verbündeten.  Hinterlässt eine Stadt in Schutt und Asche. Mit Überlebenden voller Angst vor dem Schicksal, das sie erwartet.

Kerzen gegen Trümmer? Basima  erwartet meine Antwort geduldig und aufmerksam. Endlich sage ich:

„Das Licht verspricht: es wird wieder hell werden. Die Finsternis, das Böse hat nicht das letzte Wort. Basima nickt zustimmend. Auch als ich fortfahre:

„Wir können Kerzen anzünden. Und wir können entscheiden,  wieviel Licht durch uns in die Welt kommt.“