Warum Weihnachtssingen im Stadion zum Trend wird

"Loss mer Weihnachtsleeder singe"

Statt Fan-Gegröle erklingen sanfte Töne. Das Weihnachtslieder-Mitsingen im Fußballstadion liegt im Trend. Warum dieses Rudel-Singen gerade an so einem Ort beliebt ist, erklärt der Leiter des Kölner Jugendchors St. Stephan, Michael Kokott.

Adventssingen im Stadion / © Kay Nietfeld (dpa)
Adventssingen im Stadion / © Kay Nietfeld ( dpa )

domradio.de: Sie sind ja mit ihrem Jugendchor St. Stephan auch selbst aktiv bei der weihnachtlichen Singaktion "Loss mer Weihnachtsleeder singe" im Kölner RheinEnergieStadion. Was meinen Sie, warum ist es gerade generell so beliebt, Weihnachtslieder im Stadion zu singen?

Michael Kokott (Chorleiter und Kirchenmusiker): Ich glaube, ein Grund ist, dass die Leute wieder singen wollen. Das war ja eine Zeit lang verpönt - auch das gemeinschaftliche Singen. Das ist aber Vergangenheit. Man traut sich wieder und man freut sich darauf. Das ist das Eine.

Zum anderen steht Weihnachten vor der Türe. Weihnachten hängt mit Gefühlen zusammen. Beim gemeinschaftlichen Singen kommt man in Weihnachtsstimmung. Das macht man als Christ in der Christmette in der Kirche ähnlich. Deshalb sind auch Weihnachten die Kirchen so voll.

domradio.de: Und warum dann das Stadion?

Kokott: Das ist halt neu. Das liegt vielleicht auch daran, dass der eine oder andere nicht mehr so oft in die Kirche geht und dann sagt, er möchte aber trotzdem genau dieses Gefühl an einem anderen Ort haben.

domradio.de: Der Berg muss also zum Propheten kommen, wenn der Prophet nicht mehr zum Berg kommt?

Kokott: Wobei: Es werden ja 44.000 Menschen im Stadion sein. Darunter werden wahrscheinlich auch viele sein, die am Tag drauf in die Christmette gehen. Das ist natürlich nicht ausgeschlossen. Genauso wie in der Christmette auch Menschen sind, die sonst im Jahr nicht in die Messe gehen.

domradio.de: Hat dieser Trend des gemeinsamen Singens denn nur mit Weihnachtsgefühlen zu tun?

Kokott: Wenn man sonst in das Jahr schaut, dann ist es im Karneval ähnlich. Bei den "Loss mer singen"- Mitsingkonzerten wird auch zusammen gesungen. Eben Karnevalslieder. Die Leute freuen sich einfach, wenn sie singen können und das nicht alleine tun müssen. Wenn sie es in der Gemeinschaft tun, dann können sie ihre Emotionen rauslassen, ohne dass der Nachbar sagt: "Die Töne sitzen nicht da, wo sie sitzen müssen."

domradio.de: Es gibt ja auch das klassische Weihnachtssingen, das in den Kirchen stattfindet - wo liegt da der Unterschied - zu dem Singen im Fußballstadion?

Kokott: Zum einen singen 44.000 Leute zusammen, es ist ausverkauft. Letztes Jahr war ja die Premiere im Kölner Stadion und wir wussten alle nicht, was uns erwartet. Wir haben es zwar alle mit geplant, aber das Ergebnis haben wir dann erst am Tag selber gesehen, als ich dann im Stadion stand. Nach einer halben Stunde dachte ich, ich stehe in einer Kathedrale. Man wusste auch nicht mehr, dass das Dach offen ist, es war irgendwie wie in einem großen Tempel und es war einfach feierlich.

domradio.de: Hat das Singen im Stadion vielleicht auch Auswirkungen auf die liturgische Bedeutung von den Weihnachtsliedern? Sehen Sie es als Chance oder Gefahr?

Kokott: Ich glaube, das ist eine Chance. Es wurden zum Beispiel auch persönliche Texte vorgelesen. Da hat man den spirituellen Charakter, den man in der Kirche auch hat. Vielleicht wird der eine oder andere sagen: "Dann gehe ich am Tag danach auch in die Kirche. Das hat ja auch was Schönes."

domradio.de: Können Sie jetzt schon sagen, was der Weihnachtshit in diesem Jahr im Stadion wird?

Kokott: Im vergangenen Jahr war es das Halleluja von Leonard Cohen. Ich habe die Zuschauer aufgefordert, ihre Handys raus zu holen und das Stadion in ein Sternenmeer zu verwandeln. Das werden wir dieses Jahr auch machen, aber beim zweiten Mal hat es nicht mehr den Effekt, den es beim ersten Mal hatte. In diesem Jahr wird Peter Brings unter anderem das Halleluja singen, das er immer an Karneval singt. Er wird es aber in einer Piano-Variante singen. Wolfgang Niedecken singt einen Weihnachtsblues von Bob Dylan. Außerdem kommen Chöre aus der Region, sie sitzen in der Südkurve und werden vom " Vom Himmel hoch, da komm ich her " singen, das Lied von Martin Luther - passend zum Lutherjahr - in einem Chorsatz von Johann Sebastian Bach.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Michael Kokott und der Jugendchor St. Stephan / © St. Stephan
Michael Kokott und der Jugendchor St. Stephan / © St. Stephan
Quelle:
DR