Warum sich als Erwachsener firmen lassen?

"Für mich gehört das einfach dazu"

Wann ist der richtige Moment, ein mündiges, selbstbestimmtes Ja zu Gott zu sagen? Da gehen die Meinungen auseinander. Für Christian Schallehn ist der Empfang der Firmung jedenfalls jetzt kurz vor dem Master dran.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Bei der Erwachsenenfirmung geht es um ein entschiedenes Ja zum eigenen Glauben / © Beatrice Tomasetti (DR)
Bei der Erwachsenenfirmung geht es um ein entschiedenes Ja zum eigenen Glauben / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Seinen "Glücksbringer", wie Christian Schallehn den Rosenkranz seiner Großmutter nennt, hat der 27-Jährige immer dabei, wenn es um was geht: um das Bestehen einer Klausur oder auch den Pokalsieg, den er als Fußballtrainer der C-Jugend beim FC Rheinsüd Köln fest im Visier hat. Und das habe nichts mit Aberglauben zu tun, meint er. Im Gegenteil. 

"Der Rosenkranz meiner Oma ist mein religiöser Anker. Habe ich ihn einmal nicht dabei, ist das gleich ein schlechtes Omen. Denn ohne ihn gehe ich eigentlich nicht aus dem Haus", betont der junge Mann, der zu seiner Großmutter eine innige Beziehung hatte, sie heute schmerzlich vermisst, aber mit dieser kleinen Gebetskette in der Hosentasche auch ein wichtiges Stück von ihr stets bei sich trägt und sich davon Stärkung verspricht. 

Christian Schallehn lässt sich bewusst mit 27 Jahren firmen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Christian Schallehn lässt sich bewusst mit 27 Jahren firmen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Ich weiß nicht, wie meine religiöse Bindung aussähe, wenn es meine Oma nicht gegeben hätte, die sehr christlich war und für mich ein Vorbild", sagt Schallehn, und dass er ihr viel verdanke – vor allem eben auch seinen Glauben. "Wenn ich an Gott denke, sind der Rosenkranz und meine Oma immer mit im Spiel – und umgekehrt."

Christian Schallehn schreibt gerade an seiner Masterarbeit. Er studiert Sport und Religion für Sekundarstufe 2, will eines Tages an einem Gymnasium oder einer Gesamtschule unterrichten, in einem halben Jahr sein Referendariat beginnen. Und nun, meint er, sei eben auch für ihn der richtige Zeitpunkt gekommen, sein Christsein noch einmal mit einem Ausrufezeichen zu versehen, sich auch ganz offiziell zu dem zu bekennen, was ihn in der Theorie seit vielen Semestern an der Uni in eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Sinn des eigenen Lebens zwingt. 

"Im Alter von 14, 15 Jahren war das für mich noch nicht dran, da hatte ich andere Dinge im Kopf und hätte diesen Schritt nicht machen können. Schließlich ist die Firmung eine bewusste Entscheidung für eine tiefere Bindung an Gott. Jetzt aber fühlt es sich genau richtig an."

Rechtfertigungsdruck bei der Wahl des Fachs Religion

Trotzdem ist ihm klar, dass ein solches öffentliches Bekenntnis – das Sakrament der Firmung im Kölner Dom zu empfangen – nicht gerade Mainstream ist. Wenn er seine Studienfächer benennt, sorgt das im ersten Moment meist für ungläubiges Staunen. Da gerate man schnell in Rechtfertigungsdruck, so seine Erfahrung. 

"Sport finden alle okay, aber bei Religion muss ich mich immer erklären. Da fragen die meisten doch eher kritisch nach." Was Schallehn aber gut findet, weil ihn das fordert. Schließlich hätten ihn die großen existenziellen Themen immer schon interessiert: Wer bin ich? Woher komme ich? Was ist der Sinn des Lebens? Was kommt nach dem Tod? Und er hat gelernt, darauf Antworten zu haben.

Aber natürlich spreche ihn die eingehende Beschäftigung mit der Theologie, die er als sehr prägend erlebe, auch nicht davon frei, kritisch auf manche kirchengeschichtliche Entwicklung in der Vergangenheit zu schauen und darauf, dass sich mitunter nichts bewegt habe, räumt er ein. Und auch die gegenwärtigen Diskussionen zum Beispiel über die Segnung homosexueller Paare seien für ihn nicht nachvollziehbar, wenn die Kirche für sich doch in Anspruch nehme, als globale Institution alle unter einen Hut bringen zu wollen, im eigentlichen Sinne katholisch zu sein, wie er sagt. 

"Wir leben nun mal in einem naturwissenschaftlichen Diskurs, und dann müssen wir die Religion und unsere Glaubensüberzeugung auch in diesen Diskurs einbinden", argumentiert der Lehramtsstudent. "Hier aber driften Kirche und Vernunft merklich auseinander."

Christian Schallehn

"Meine Spiritualität und mein Glaube sind unabhängig davon, dass Kirche bzw. ihre Repräsentanten gerade sehr auf dem Prüfstand stehen und es viel Gegenwind gibt."

Trotzdem beeinflussten die innerkirchlichen Diskussionen nicht seine grundsätzliche Haltung. So bringt er positiv in Anrechnung, dass Kirche es sicher nicht jedem recht machen könne, sie aber weltweit diese große Gemeinschaft an Gläubigen zusammenhalte. "Meine Spiritualität und mein Glaube sind unabhängig davon, dass Kirche bzw. ihre Repräsentanten gerade sehr auf dem Prüfstand stehen und es viel Gegenwind gibt." 

Der Feierabendgottesdienst mit Pater Sebastian Annas hat Christian Schallehn sehr beeindruckt / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Feierabendgottesdienst mit Pater Sebastian Annas hat Christian Schallehn sehr beeindruckt / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Vielmehr erlebe er spirituelle Angebote, wie gerade erst die dreitägigen Exerzitien im Rahmen seines Studienbegleitbriefes oder auch den Feierabendgottesdienst mit Pater Sebastian Annas von der Glaubensinformation FIDES als Baustein des Firmvorbereitungskurses, durchaus als faszinierend. 

"Ich habe gespürt, wie gut mir das tut, wie mich eine solche aktive sinnvolle ‚Zeitverschwendung’ entspannt, ja, geradezu euphorisiert. Mit einem Mal habe ich meine Gefühle viel intensiver wahrgenommen, war gleichzeitig in mich gekehrter, bedachter, ruhiger", beschreibt er. "Das sind eindrucksvolle Erfahrungen mit Nachhaltigkeitswert. Glaube so erlebt gibt mir Sicherheit und Halt." Eigentlich sei er eher der rationale Typ, doch an solchen Impulsen könne er unverkennbar seine Empfänglichkeit für Spiritualität ablesen. 

Intensive Beschäftigung mit fundamentaltheologischen Fragen

"Von daher ist auch die Firmung für mich eine Vernunftentscheidung." Der Glaube müsse dem Primat der Vernunft folgen. In der Religion müssten Kausalzusammenhänge und Sinnzusammenhänge zusammengebracht werden, findet Schallehn. Im Studium hätten die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Kernfragen nach dem "Woher" und "Wohin", aber auch das Thema Theodizee sein Interesse an derart philosophischen Überlegungen eher noch gesteigert. 

"Oder auch die Beschäftigung mit fundamentaltheologischen Fragen, zum Beispiel, ob es nicht neben den religiösen auch universelle, allgemeingültige und kulturunabhängige Werte gebe. Das ist für mich super spannend. Denn eigentlich müssten doch alle Menschen weltweit das gleiche moralische Verständnis haben, egal an welchen Gott sie glauben."

Christian Schallehn

"Ich möchte eines Tages Kindern und Jugendlichen einen Raum dafür bieten und sie dazu anregen, sich mit der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens offen auseinanderzusetzen, um dann für sich eine Entscheidung treffen zu können."

Für den gebürtigen Brühler, der in der Schlossstadt das St. Ursula-Gymnasium besucht hat, ist der Weg, um das richtige Verhältnis zwischen Rationalität und Spiritualität in seinem Leben zu ringen, noch lange nicht zu Ende. Er macht sich viele Gedanken darüber, was ihn antreibt und welchen Platz Gott in seinem Leben hat. Und er will demnächst als Lehrer auch anderen dabei helfen, sich selbst mehr auf die Spur zu kommen und sich mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen, ohne dabei indoktrinär zu sein. 

Kardinal Woelki spendet am Vorabend zu Pfingsten über 80 Erwachsenen im Kölner Dom die Firmung / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kardinal Woelki spendet am Vorabend zu Pfingsten über 80 Erwachsenen im Kölner Dom die Firmung / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Ich möchte eines Tages Kindern und Jugendlichen einen Raum dafür bieten und sie dazu anregen, sich mit der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens offen auseinanderzusetzen, um dann für sich eine Entscheidung treffen zu können." Schließlich habe der Religionsunterricht da sehr viel mehr Potenzial als sein Image vielleicht mitunter vermuten lasse.

Mit Freude sieht Christian Schallehn dem festlichen Ereignis seiner Firmung im Kölner Dom an diesem Samstag entgegen. Dass ihm der Kardinal die Hand auflegen wird, findet er "cool". Und dass sein Vater die Aufgabe des Firmpaten übernimmt, berührt ihn persönlich sehr. 

"Mich selbst hat mein Religionsstudium ein ganzes Stück weitergebracht. Ich weiß heute – anders als noch vor ein paar Jahren – wohin ich will, kenne alle Variablen, weil ich mich so intensiv damit beschäftigt, alle Optionen durchgespielt habe, und bin völlig klar damit, dass dieser Schritt, das Sakrament der Firmung zu empfangen, einfach für mich dazu gehört."

Firmung

Der Begriff "Firmung" stammt vom lateinischen Wort "confirmatio" und bedeutet so viel wie "Festigung" oder "Stärkung". Er bezeichnet das jüngste der sieben Sakramente der katholischen Kirche. Eigenständig gespendet wird es erst seit dem Konzil von Florenz (1439-1445).

Aus Sicht der Kirche werden junge Katholiken mit der Firmung erwachsen. Das Sakrament schließt den Eingliederungsprozess in die Kirche nach Taufe und Erstkommunion ab. Wer erst als Erwachsener in die katholische Kirche eintritt, empfängt zumeist Taufe, Erstkommunion und Firmung in einem.

Jugendlicher bei der Firmung / © Harald Oppitz (KNA)
Jugendlicher bei der Firmung / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR