Warum der Papst nicht an der Bundestagswahl am Sonntag teilnimmt

Kein Kreuzchen von Benedikt

Zumindest ein Kreuz wird mit Sicherheit in den Urnen fehlen bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag: die Stimme eines Bürgers aus Pentling bei Regensburg, dort amtlich registriert unter dem Namen Joseph Ratzinger. Dabei hätte er die Wahl gehabt.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Papst Benedikt XVI., geistlicher Führer von gut einer Milliarde Menschen und Träger der höchsten, vollen, unmittelbaren und universalen ordentlichen Macht in der katholischen Kirche, verzichtet auf seinen Anteil an der Staatsgewalt, die vom Volke ausgeht.

"Selbstverständlich" habe der Heilige Vater seine Wahlbenachrichtigungskarte erhalten, erklärt Robert Griesbeck, geschäftsleitender Beamter von Pentling. Nach wie vor ist das Kirchenoberhaupt in der Gemeinde am Rande Regensburgs eingeschrieben und dementsprechend stimmberechtigt - und sei es per Briefwahl aus dem Apostolischen Palast. Sein Status als erster Bürger des Vatikanstaates tue nichts zur Sache, stellte die oberpfälzische Bezirksregierung schon vor der Bundestagswahl 2005 klar.

Die vatikanische Staatsangehörigkeit sei "funktionsbezogen", urteilten die Juristen, und könne daher zusätzlich zur deutschen erworben werden. Gedacht ist dabei mehr an Kurienmitarbeiter, die etwa für die Dauer ihrer Tätigkeit einen Diplomatenpass des Heiligen Stuhls erhalten. Niemand rechnet damit, dass Benedikt XVI. einmal als Professor und Papst a. D. wieder in die Pentlinger Bergstraße zurückkehrt. Aber Wahlrecht bleibt Wahlrecht.

Ausgerechnet der oberste Hirte der Katholiken kommt nun also nicht dem Aufruf der deutschen Bischöfe nach, den sie von 12.000 Kanzeln verlesen ließen. "Wahlenthaltung ist keine vernünftige und konstruktive Antwort auf tatsächliche oder vermeintliche Missstände", so der Appell der Deutschen Bischofskonferenz: "Wer von seinem Wahlrecht nicht Gebrauch macht, verzichtet auf die aktive Beeinflussung der Politik."

Dass ein Papst andere Möglichkeiten der Politikbeeinflussung hat, ist eine Sache; für Benedikt XVI. gibt es noch einen anderen Grund. "Er ist der Souverän des Vatikanstaats und hält es nicht für richtig, sich in die Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen", erklärte sein Bruder Georg Ratzinger vor der letzten Bundestagswahl. "Das haben wir so besprochen." Das Urteil hat nach wie vor Bestand. Der Äußerung des Papstbruders sei "nichts hinzuzufügen", ließ Privatsekretär Georg Gänswein auf Anfrage wissen.

Es ist auch nicht so, als ob der Papst an seinem Sommersitz in Castelgandolfo säße, während in Deutschland die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Am Wahlsonntag ist das Kirchenoberhaupt auf Reisen in Tschechien. Morgens feiert er eine große Messe in Brno (Brünn); nachmittags muss er zu einem ökumenischen Treffen schon wieder in Prag sein.

Wenn die Auszählung in den 80.000 deutschen Wahllokalen beginnt, wird Benedikt XVI. voraussichtlich im altehrwürdigen Wladislaw-Saal der Prager Burg zu einer Rede vor der akademischen Welt anheben. Vielleicht wird er dabei über die christlichen Wurzeln Europas sprechen. Vielleicht auch über den Segen von Freiheit und Demokratie 20 Jahre nach dem Mauerfall.

Wer in Deutschland für die nächsten Jahre das politische Ruder führt, erfährt der Pentlinger Wahlbürger und vatikanische Weltbürger wohl erst auf dem Rückweg in der Prager Nuntiatur, sein Nachtquartier. Ansonsten wird der oder die Gewählte den Papst demnächst persönlich zu einer Audienz aufsuchen - und wissen: Wenigstens hat er kein Kreuz für die Opposition gemacht.