Warschau erwartet Seligsprechung Popieluszkos

Der Staatsfeind wird gefeiert

Wenn Jan Szostak Dienst hat, beobachtet er die Menschen, die Kerzen im Garten der Hozjusza-Straße im Warschauer Stadtteil Zoliborz anzünden. Hier an der Stanislaw-Kostka-Kirche befindet sich das Grab des ermordeten "Solidarnosc"-Pfarrers Jerzy Popieluszko, der am Sonntag als Märtyrer seliggesprochen wird.

 (DR)

Im Herbst 1984 wurde Popieluszko von Agenten des damaligen Sicherheitsapparates entführt. Zu unbequem war den kommunistischen Machthabern die Kritik des Geistlichen am Verbot der "Solidarnosc" oder an der Ausrufung des Kriegsrechts 1981. Er wurde zum regelrechten Staatsfeind, den selbst die DDR-Stasi beobachten ließ.

Der heute 73-jährige Szostak kann sich gut an diese Zeit erinnern. Seit Herbst 1984 wacht er regelmäßig und abwechselnd mit anderen Freiwilligen an Popieluszkos Grab vor der Stanislaw-Kostka-Kirche. "Wir haben anfangs gefürchtet, dass der Sicherheitsdienst die sterblichen Überreste ausgräbt und entführt", erinnert sich der Rentner an die ursprünglichen Motive.

Das kommunistische Regime wollte vermeiden, was später tatsächlich eintreffen sollte: Popieluszkos Begräbnisstätte wurde zu einem Wallfahrtsort und zur Gedenkstätte des antikommunistischen Widerstands. Heute drohe zwar kein Leichenraub mehr, sagt Szostak. Dennoch: "Wir werden das weiterhin tun, auch wenn Pfarrer Jerzy seliggesprochen wird."

An der Seligsprechung arbeitet Katarzyna Soborak seit Jahren. Offiziell wurde der Prozess 1997 im Vatikan eröffnet. Doch schon vorher habe man Materialien über das Leben des Dissidenten-Pfarrers im Archiv gesammelt, erklärt sie. Die 76-Jährige verwaltet Popieluszkos Nachlass in dessen ehemaliger Wohnung. "Über wohl keinen anderen Seligen gibt es so viele Dokumente, wie wir sie hier zusammengetragen haben", sagt sie stolz.
Das "Popieluszko-Museum"
Ein Teil der Dokumente und persönlichen Gegenstände des ehemaligen Gemeindepfarrers ist auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Seit fünf Jahren befindet sich im Keller der ehemaligen Wirkungsstätte des Ermordeten das "Popieluszko-Museum". Als Eingang dient ein großes Kreuz.

Präsentiert werden Popieluszkos Kinderwiege, Kelch und Messgewänder bis hin zu jenen Kleidungsstücken, die er bei seiner Entführung trug. Sogar die Tatwaffe, ein Knüppel, hängt an der Wand. Darunter fließt ein künstlicher Fluss: die Nachbildung der Weichsel, aus der sein lebloser Körper gefischt wurde.

Waleria Mlyniec kennt den Raum nur zu gut. Sie führt oft Pilgergruppen durch die Ausstellung. Die 70-Jährige ist Zeitzeugin des "Solidarnosc"-Pfarrers: Seine Messen "für das polnische Vaterland" haben Hunderte Gläubige angezogen, darunter auch sie. "Die Zeit war für uns sehr bedrückend damals", sagt die heutige Rentnerin. "Pfarrer Jerzy" habe ihr mit seinen Ansprachen Kraft geschenkt: "Das waren damals Höhepunkte des Lebens."

"Er war feinfühlig für anderer Menschen Probleme"
Ein weiterer Höhepunkt in ihrem Leben sei nun Popieluszkos Seligsprechung. Die findet auf dem Pilsudski-Platz statt: ein bedeutender Ort für die Polen. Hier hat Papst Johannes Paul II. mit Hunderttausenden Gottesdienst gefeiert. Zuletzt fand auf dem Platz im April die Trauerzeremonie für die Opfer der Flugzeugkatastrophe von Smolensk statt.

Auch Zbigniew Malacki freut sich besonders auf Sonntag. Der 61-Jährige besuchte mit Popieluszko zusammen das Priesterseminar. Mittlerweile ist er sein Nachfolger in der Stanislaw-Kostka-Kirche - und zeichnet für den Seligsprechungsprozess mitverantwortlich.

Als durchschnittlichen Studenten beschreibt Malacki seinen Kommilitonen von einst. "Aber er war feinfühlig für anderer Menschen Probleme, vor allem für Kranke und Bedürftige." Als Seelsorger sei Popieluszko "aufgestanden und hat nicht nur das Evangelium und die Wahrheit verkündet, sondern sie auch gelebt". Den Kommunisten habe nicht gefallen, dass die Menschen ihm zuhörten. Zu Popieluszkos Beerdigung kamen damals mehrere hunderttausend Menschen vor die Stanislaw-Kostka-Kirche. "Wir haben schon damals gewusst, dass er selig ist", sagt Malacki. Fast 26 Jahre nach dem Mord ist es nun soweit.

Markus Nowak (KNA)