Walter Lindner soll Schwung in ein Stück Außenpolitik bringen

Afrika hat nun einen Botschafter im Auswärtigen Amt

Der liberale Außenminister Guido Westerwelle ernennt den rot-grünen Diplomaten Walter Lindner zum neuen Afrika-Beauftragten. Diese Meldung sorgte in der vergangenen Woche für einige Verwunderung im politischen Berlin, in dem eher Parteidünkel an der Tagesordnung ist. Zudem ist Lindner für das Auswärtige Amt als Typ alles andere als typisch.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

"Wer einmal den Afrika-Bazillus bekommen hat, nämlich den Kontinent zu lieben, der wird ihn nie wieder los. Das ist unheilbar." Die ersten Worte, mit denen sich Walter Lindner am Montag bei einer Veranstaltung des Verbands Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (Venro) in Berlin vorstellt, sind fast eine Liebeserklärung.



Vor bald zwei Wochen ging der gebürtige Münchener morgens ins Amt am Werderschen Markt, um sich den üblichen heiklen Themen zu widmen. Seit Juli 2009 leitete er das Krisenreaktionszentrum des Hauses, an diesem Donnerstag sollte es erneut um die beiden im Irak als Journalisten verhafteten Deutschen gehen. Am gleichen Abend saß er im Flugzeug, unterwegs zu einer Sudankonferenz nach Addis Abeba. Guido Westerwelle (FDP) hatte den Diplomaten, der eher Rot-Grün nahesteht, zum neuen Afrika-Beauftragten ernannt.



Das Amt eines solchen Beauftragten darf man nicht über-, sollte man aber auch nicht unterschätzen. Die durchaus überraschende Entscheidung des liberalen Ministers sagt sicher viel aus über Lindner und dessen Vertrautheit mit dem afrikanischen Kontinent; mindestens so viel aber spricht daraus etwas über das bisherige Wirken von Staatsministerin Cornelia Pieper (FDP), das man mit Blick auf Afrika freundlich gesagt bestenfalls als unauffällig umschreiben kann.



Studierter Musiker und Jurist

"Sie werden mich nie eine Rede ablesen sehen", sagt Lindner, der den Titel eines Botschafters hat, bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Berlin den Venro-Experten. Das braucht er auch nicht, wenn es um internationale Erfahrung geht. Denn der studierte Musiker und Jurist reiste häufig durch die Welt, bevor er 1988 in den diplomatischen Dienst ging. Und von 2005 bis 2009 war er Botschafter Deutschlands in Kenia. Als das Land 2007 ins Straucheln geriet und die Demokratie gefährdet schien, trug er seinen Teil zur Beilegung des Konflikts bei.



An diesem Sonntag kehrte Lindner von einer Konferenz aus der kenianischen Hauptstadt zurück, am Montag bilanzierte er bei den Vertretern der Nichtregierungsorganisationen die ersten drei Jahre der 2007 in Lissabon gestarteten gemeinsamen Afrika-EU-Strategie. Es gehe darum, den damit begonnenen Dialog ernster zu nehmen, auch die Zivilgesellschaft stärker einzubinden. Und den Blick nicht nur auf die humanitären Notlagen, sondern auch auf die wirtschaftlichen Aufbrüche, Demokratisierungstendenzen, die neue Kommunikation zu richten. Und Im Vergleich zu Asien oder Lateinamerika sei es für Europäer "ein Katzensprung" nach Afrika. Das erleben die Delegationen auch Ende November beim EU-Afrika-Gipfel im libyschen Tripolis, in dessen Vorfeld Experten von Nichtregierungsorganisationen eher Schatten als Licht sehen.



"Afrika ist nicht mehr so weit weg"

Und dann erzählt Lindner am Beispiel eines Fleckens im Norden Kenias, dass sich noch in den abgelegensten Orten des Kontinents Internetcafes fänden. Das bedeute Globalisierung und Gleichzeitigkeit: "Afrika ist nicht mehr so weit weg wie noch vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren." So könnten den Europäern die "schwarzen Löcher" in Somalia oder im Sudan nicht egal sein. Dort gebe es Strukturen, die für Terror, Drogen- oder Waffenhandel missbraucht werden könnten. Und am Beispiel von Sierra Leone, wo seit acht Jahren eine UN-Mission den Weg aus Instabilität zu neuen Strukturen bereitete, spricht Lindner von einer Erfolgsgeschichte in Afrika. "Das sollten wir uns ans Revers heften."



Die Deutschen und Europäer sollten sich "mit dem Kontinent viel viel mehr beschäftigen" als bislang. "Experten tun es", meint Lindner. Aber bei der Zivilgesellschaft fehle es daran. "Diese Diskrepanz müssen wir ändern." Die Venro-Experten hören es gerne. Und dann sagt der Diplomat, der unter Joschka Fischer (Grüne) im Auswärtigen Amt bis 2005 gut drei Jahre einer der geschätzten Sprecher des Ministeriums war, in Kürze werde die Bundesregierung auch ein deutsches Afrika-Konzept präsentieren. Schließlich hätten Union und FDP das im Koalitionsvertrag von Oktober 2009 zugesagt.