Kirchen stehen im Zentrum von Kenias Politik

Wahlwerbung auf der Kanzel?

Die Regierung streitet, die Kirche vermittelt. In Kenia stehen die Zeichen vor der Wahl im nächsten Jahr auf Konfrontation zwischen dem Präsidenten und seinem Vize, der ihn beerben will. Die Kirche ist besorgt und warnt vor einer Eskalation.

Autor/in:
Markus Schönherr
Ein Geistlicher in der kenianischen Hauptstadt Nairobi / © Ben Curtis (dpa)
Ein Geistlicher in der kenianischen Hauptstadt Nairobi / © Ben Curtis ( dpa )

In Kenia ist ein Streit zwischen Präsident Uhuru Kenyatta und Vizepräsident William Ruto entbrannt. Zeitungen berichten von einem "Kalten Krieg" und auch die katholischen Bischöfe schlagen Alarm: Der Friede der ostafrikanischen Nation stehe auf dem Spiel.

Sichtbar wurde der schwelende Konflikt zwischen den Politikern vorigen Monat in der zentralkenianischen Stadt Kieni. Während die katholischen Führer vor den Wahlen im August 2022 alle Politiker von der Kanzel verbannten, mobilisieren die Anwärter vor allem in Freikirchen. Beobachter sprechen von einer "Invasion von Gotteshäusern", denn offizielle Wahlkundgebungen sind aufgrund der Corona-Pandemie untersagt. In Kieni musste die Polizei einschreiten, als sich Anhänger von Kenyatta und Ruto bei einem Gottesdienst eine Schlägerei lieferten. Mehrere Gläubige wurden laut Berichten "schwer verletzt". Bei einem ähnlichen Zwischenfall hatte es 2020 vor einer Kirche zwei Tote gegeben.

Zeichen stehen auf Konfrontation

"Der öffentlich ausgetragene Zwist zwischen dem Präsidenten und dem Vize ist bedauerlich", meint der Politologe Macharia Munene von der Denkfabrik Horn Institute in Nairobi. Der Präsident regiere in seiner zweiten und letzten Amtszeit; Ruto wolle seinen Job. Doch statt seinen Stellvertreter zu unterstützen, will Kenyatta ihn nach acht Jahren der gemeinsamen Regierung in die Wüste schicken. Er beschuldigt Ruto "gegen seine Regierung zu arbeiten" - und forderte seinen einstigen Verbündeten in einem Fernsehinterview zum Rücktritt auf.

Professor Munene sieht indes in dem Streit "kein Sicherheitsrisiko" für die bevorstehende Wahl. "Jeder der beiden tut, was er für richtig hält, aber auf eine Weise, die nicht die regulären Regierungsgeschäfte unterbrechen würde." Mehr Bedenken haben hingegen die Kirchenführer: Mitte September zeigte sich die Kenianische Bischofskonferenz (KCCB) "tief besorgt" über die Konsequenzen, sollten die Unterstützer der beiden Politiker ihren Kampf auf der Straße ausfechten. Für eine "junge Demokratie" wie Kenia sei die Einheit der Führungselite entscheidend.

Derzeit stehen die Zeichen auf Konfrontation. Ruto wurde aus der eigenen Parteizentrale in Nairobi verbannt, wie kenianische Zeitungen berichten. Viele seiner Aufgaben gingen an den Innenminister. Da es bis zu den Wahlen noch knapp ein Jahr ist, boten sich die Bischöfe den Streithähnen als Vermittler an. "Als Kirchenführer sind wir bereit einzuspringen und eine Arbeitsvereinbarung zwischen den beiden Anführern, auf die unser Land angewiesen ist, auszuarbeiten", so die Bischöfe.

Politik als Familiensache?

In Kenia herrscht Demokratie. Dennoch sehen viele die Politik als Familiensache, die zwischen den mehr als 40 Ethnien im Land ausgemacht wird. Präsident Kenyatta ist der Sohn von Kenias Gründungspräsident Jomo Kenyatta; sein neuer Verbündeter, Ex-Ministerpräsident Raila Odinga, der Sohn des ersten Vizepräsidenten Kenias. Odinga geht nächstes Jahr ebenfalls ins Rennen. Kurz vor den Wahlen versuchte Kenyatta daher, die Verfassung zu ändern: Eigenen Angaben nach sollte die Schaffung neuer Regierungsposten endlich die Ethnien-Politik begraben und Versöhnung schaffen. Jedoch vermuteten Kritiker einen Plan, wonach Kenyatta seine eigene Macht sichern wollte.

Kenias Justiz durchkreuzte die Pläne und erklärte sie für verfassungswidrig. "Die Gerichte haben die Kenianer einmal mehr vor den eigennützigen Machenschaften der Politelite bewahrt", so das panafrikanische Institute for Security Studies (ISS). Noch gut ist vielen Kenianern die ethnisch motivierte Gewalt in Erinnerung, die 2007 auf den Urnengang folgte. Mehr als 1.300 Menschen verloren damals ihr Leben, mehr als eine halbe Million musste fliehen.

Vizepräsident Ruto mischt Kenias Familienpolitik gehörig auf. Er mobilisiert seine Unterstützer eher entlang von Schicht und Alter statt entlang der Volkszugehörigkeit. Für Kenias Bischöfe jedenfalls steht vor dem Entscheidungsjahr fest: "Wahlen kommen und gehen, aber unser Land bleibt. Wir sollten es nicht zerstören, nur um den zügellosen Ehrgeiz einiger Politiker zu befriedigen."


Quelle:
KNA