Wächterrat erkennt Unregelmäßigkeiten bei der Wahl - und zieht noch keine Konsequenzen

Iran zwischen Hoffnung und Wut

Zehn Tage nach der umstrittenen Präsidentenwahl im Iran spricht nun auch der einflussreiche Wächterrat von Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung. Ein Eingeständnis noch ohne Konsequenzen. Unterdessen halten die Unruhen im Land an: Bei Protesten am Wochenende kamen mehrere Menschen um, Hunderte wurden verhaftet.

 (DR)

Bei den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad am Samstag in Teheran sind nach Angaben der Polizei zehn Menschen getötet und 457 Menschen festgenommen worden. Das Staatsfernsehen bezeichnete die Teilnehmer der verbotenen Demonstration als "Terroristen".

Laut Augenzeugen gab es mehr Todesopfer, hunderte Menschen seien verletzt worden. Unter den Festgenommenen sind nach Berichten der Organisation "Reporter ohne Grenzen" auch weit mehr als 20 Journalisten. Der Korrespondent des britischen Senders BBC in Teheran, Jon Leyne, wurde des Landes verwiesen. Der ranghöchste Geistliche der Opposition, Großayatollah Hossein Ali Montaseri, rief zu einer dreitägigen Trauer für die getöteten Demonstranten auf.

Wächterrat stellt Unregelmäßigkeiten fest
Unterdessen hat nun auch der einflussreiche Wächterrat von Unregelmäßigkeiten  bei der Präsidentenwahl festgestellt. In 50 Städten habe es mehr Wähler als Wahlberechtigte gegeben, teilte ein Sprecher des Gremiums mit. Die Unregelmäßigkeiten beträfen mehr als drei Millionen Stimmen. Nun müsse geprüft werden, ob diese Stimmen für den umstrittenen Wahlausgang entscheidend gewesen seien.

Nach Angaben der iranischen Führung hatte der Wahlsieger Mahmud Ahmadinedschad elf Millionen Stimmen mehr erhalten, als der unterlegene Herausforderer Mir Hussein Mussawi. Mussawi

Deutsche Politiker fordern Ende der Gewalt im Iran
Deutsche Politiker fordern die Führung in Teheran zu einem Ende der Gewalt im Iran auf. "Deutschland steht aufseiten der Menschen im Iran, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausüben wollen", betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende und forderte, friedliche Demonstrationen zuzulassen. "Auch für den Iran gilt: die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte müssen voll respektiert werden", betonte die Kanzlerin.

Merkel forderte eine Neuauszählung der Stimmen bei der iranischen Präsidentschaftswahl und appellierte "nachdrücklich" an die Führung in Teheran, keine Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden und inhaftierte Oppositionelle freizulassen. Außerdem mahnte sie das Recht auf freie Berichterstattung für die Medien an.

Informationen aus dem Iran werden derzeit vor allem über Internetplattformen und Mobiltelefone weitergegeben. Ausländische Korrespondenten werden bei ihrer Arbeit behindert, so dass sachliche und fundierte Berichte über die aktuelle Lage kaum verbreitet werden können. "Ich nehme das, was derzeit in Teheran passiert und auf unabhängigen Internet-Plattformen berichtet wird, sehr ernst", sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU). Die Bilder seien glaubhaft.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte: "Eine Woche nach der Wahl steht der Iran am Scheideweg". Er warnte vor einer Eskalation der Gewalt. "Ich appelliere an die Verantwortlichen in Teheran, alles zu tun, um eine weitere Zuspitzung zu verhindern." Steinmeier forderte eine schnelle Beilegung des Streits um den Ausgang der Wahlen und sagte: "Dazu gehört, die Zweifel an Verlauf und Ergebnis der Wahl konsequent aufzuklären." Das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten sei "ebenso wenig akzeptabel" wie die fortgesetzte Behinderung einer freien Berichterstattung.

In Berlin und Hamburg bekundeten am Wochenende mehrere Tausend Exil-Iraner ihre Solidarität mit der Volksbewegung in ihrem Heimatland. Teilnehmer in Berlin, darunter Familien mit Kindern, trugen Transparente, auf denen unter anderem stand: "Stoppt das Morden und die Repressionen" oder "Stoppt das sinnlose Töten". Außerdem führten sie Nationalflaggen mit der Aufschrift "Peace" mit.