Debatte um früheren Freiburger Erzbischof Gröber

Vorwurf des Verrates einer Jüdin

War der frühere Freiburger Erzbischof Conrad Gröber Antisemit und Steigbügelhalter der Nazis? Oder einer der wenigen, die gegen Hitlers Unrechtsregime protestierten? Eine Tagung von Historikern versuchte eine Bilanz der bisherigen Forschung.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Euthanasie im Nationalsozialismus / © N.N. (KNA)
Euthanasie im Nationalsozialismus / © N.N. ( KNA )

Die Diözese Freiburg diskutiert über ihre ehemaligen Erzbischöfe: nicht allein über Verantwortung oder Versäumnis von Robert Zollitsch bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen. Sondern auch über die Integrität Conrad Gröbers (1872-1948), der die Südwest-Diözese während des nationalsozialistischen Unrechtsregimes leitete.

Kritische Fragen

Muss der charismatische Prediger Gröber als Antisemit oder als Unterstützer von Untergrundhilfsaktionen für Juden in Erinnerung bleiben? Oder vielmehr als einer der wenigen Kirchenführer, der früh gegen die systematische Euthanasie-Mordaktion an Behinderten protestierte?

Vor kurzem organisierte Gröbers Heimatstadt Meßkirch eine Historikertagung, um die neuesten Forschungen zu Leben und Wirken des Bischofs zusammen zu tragen. Gerade in der aktuell aufgeregten politischen Stimmung brauche es sorgfältiges Abwägen, begründete Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick die Zielsetzung.

Werdegang Gröbers

Gröber stammte aus einer Meßkircher Handwerkerfamilie. Auf Knabenkonvikt und Gymnasium in Konstanz folgte das Theologiestudium in Freiburg. Schließlich der Wechsel ins renommierte Germanicum-Seminar nach Rom, wo er 1897 zum Priester geweiht wurde und 1898 promovierte.

Gröber war Gemeindepfarrer in Ettenheim und Karlsruhe, Münsterpfarrer in Konstanz, dann Domkapitular in Freiburg und einer der ersten Rundfunkprediger. Auch dank seiner Kontakte zum damaligen Papstbotschafter und späteren Papst Eugenio Pacelli folgte 1931 die Ernennung zum Bischof von Meißen.

Beliebt beim Kirchenvolk

Schon ein Jahr später wechselte Gröber als Freiburger Erzbischof in den Südwesten. In einer, wie Diözesanarchivar Christoph Schmider betont, kirchenrechtlich umstrittenen und einmaligen Aktion, weil das Freiburger Domkapitel in dieser Personalie schlicht übergangen wurde.

Doch Gröber gewann sein Kirchenvolk schnell. Bei seinen teils zweistündigen Predigten gab es im überfüllten Münster keinen freien Sitzplatz mehr. Zeitzeugen schwärmten von Gröbers menschenzugewandtem Charakter. Zugleich war der Erzbischof launisch und egozentrisch.

Enge Verbindung zur SS

Dann der zivilisatorische Bruch von 1933. Gröber hoffte nach Hitlers Machtergreifung auf eine kirchliche Kooperation mit den Nationalsozialisten. Und trat dem Förderverein der SS bei. Der Heidenheimer Historiker Wolfgang Proske verweist darauf, dass Gröber anordnete, kirchliche Gebäude bei "vaterländischen Anlässen" mit der Hakenkreuzfahne zu beflaggen. Auch im Religionsunterricht sei der Hitlergruß üblich gewesen. Umgekehrt seien südbadische Nazigrößen bei katholischen Prozessionen mitmarschiert.

Katholischer Glaube über NS-Ideologie gestellt

Andererseits unterstützte der Erzbischof die Caritas-Aktivistin Gertrud Luckner bei ihren Rettungsaktionen für zum Christentum konvertierte Juden. Im Nazi-Hetzblatt "Alemanne" folgten Angriffe gegen den Kirchenmann, weil dieser den katholischen Glauben über die NS-Ideologie stelle.

Und auch Gröbers Proteste gegen das NS-Euthanasie-Mordprogramm stießen den Machthabern unangenehm auf. Ein direktes Vorgehen gegen den Kirchenmann wagten sie bis zuletzt nicht. Genauso wenig wie Gröber zum Widerstand gegen den Verbrecherstaat aufrief.

Neue Dokumente belegen Denunziation von Irene Fuchs

Bei der Meßkircher Historikertagung präsentierte Proske nun neue Vorwürfe. Er führte neu entdeckte Dokumente an, die aus seiner Sicht belegen, dass Gröber 1936 und noch einmal im Jahr 1938 die mit ihm bekannte Konstanzer Juristin Irene Fuchs bei den NS-Machthabern als "rachenehmende Jüdin" denunziert und damit in Lebensgefahr gebracht habe.

Hintergrund der beiden Briefe war ein Artikel in der NS-Zeitung "Der Stürmer", in dem es hieß, Gröber habe ein sexuelles Verhältnis mit Fuchs. Gröber wies die Anschuldigungen öffentlich zurück. Proske interpretiert nun die beiden Briefe als Versuche Gröbers, Fuchs auf dem kurzen Dienstweg aus dem Weg zu schaffen.

Wurden Dokumente NS-Machthabern bewusst zugespielt?

Indes kündigte zuletzt der Würzburger Kirchenhistoriker Dominik Burkhard an, die von Proske angeführten Akten und Briefe noch einmal näher zu untersuchen. Denkbar sei beispielsweise auch, dass die Dokumente von kircheninternen Rivalen Gröbers bewusst den NS-Machthabern zugespielt worden seien, um Gröber zu schaden. Die jüngste Tagung konnte somit kein abschließendes Bild Gröbers zeichnen.


Conrad Gröber, früherer Erzbischof von Freiburg / © N.N. (KNA)
Conrad Gröber, früherer Erzbischof von Freiburg / © N.N. ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema