Ordensgemeinschaften in Deutschland legen Missbrauchs-Untersuchung vor

Vorwürfe gegen 654 katholische Ordensleute

Die katholischen Ordensgemeinschaften in Deutschland haben nun eine eigene Missbrauchs-Untersuchung vorgelegt. Demnach hat es in den zurückliegenden Jahrzehnten Missbrauchsvorwürfe gegen mindestens 654 katholische Ordensleute gegeben.

Ordensschwester / © Cristian Gennari (KNA)
Ordensschwester / © Cristian Gennari ( KNA )

Nach dem am Mittwoch in Bonn veröffentlichten Ergebnis einer Befragung von 392 Gemeinschaften waren wenigstens 1.412 Kinder, Jugendliche oder Schutzbefohlene von sexuellen Übergriffen betroffen. Die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Katharina Kluitmann, sprach zudem von einer nicht näher bestimmbaren Dunkelziffer.

"Wir erkennen unser Versagen erneut an"

Nach den Worten der Franziskanerin hat auch der Umgang von Leitungsverantwortlichen und anderen Ordensmitgliedern mit Betroffenen diese noch einmal verletzt: "Wir bedauern das sehr und erkennen unser Versagen erneut an."

Die DOK hatte Ende 2019 einen in Eigenregie verfassten Fragebogen an die Leitungen der Gemeinschaften verschickt. Etwa drei Viertel - 291 von 392 - antworteten. In ihnen leben 88 Prozent der heutigen Ordensmitglieder. 100 Gemeinschaften gaben an, mit Vorwürfen zu verschiedenen Missbrauchsformen konfrontiert worden zu sein. Während einige Gemeinschaften von mehr als 100 Meldungen berichteten, waren es bei den meisten anderen weniger als 10. Vorwürfe verzeichneten 53 von 77 Männerorden und 47 von 214 Frauenorden. 80 Prozent der Beschuldigten sind verstorben. Zusätzlich zu den 654 Ordensleuten wurden 58 Angestellte von Orden belastet.

Kluitmann wertete die Befragung als einen weiteren Schritt zur Aufarbeitung. Sie erhebe aber keinen wissenschaftlichen Anspruch; für ein solches Vorhaben fehlten der DOK die finanziellen und personellen Ressourcen. Somit könne die Erhebung auch nicht mit der MHG-Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz verglichen werden. Nach dieser im Herbst 2018 vorgelegten Untersuchung eines Forscherkonsortiums fanden sich in den 38.156 ausgewerteten Akten der 27 deutschen Bistümer Hinweise auf 3.677 Missbrauchsbetroffene und 1.670 beschuldigte Kleriker im Zeitraum von 1946 bis 2014. Die Ordensobernkonferenz machte bei ihrer Befragung keine zeitlichen Vorgaben.

Einheitliches System mit der Bischofskonferenz angestrebt

Mit Blick auf die Zahlungen an Betroffene in Anerkennung ihres Leids streben die Orden laut DOK-Generalsekretärin Agnesita Dobler ein einheitliches System mit der Bischofskonferenz an. Die Gemeinschaften benötigten aber finanzielle Unterstützung. Ein im Frühjahr beschlossenes Konzept der Bischöfe sieht Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall vor.

Kluitmann kündigte weitere Anstrengungen der Aufarbeitung und Prävention an. So wolle die DOK einen Leitfaden zu Führung von Personalakten erarbeiten, Workshops zur Erarbeitung von Schutzkonzepten veranstalten und eine Tagung zum Thema Machtmissbrauch anbieten. Zudem stelle die Konferenz eine Fachkraft für Prävention ein, die die Orden berät.

Die Vorsitzende verwies auf die Grenzen der DOK bei der Aufarbeitung. Wegen der großen Unterschiedlichkeit der Gemeinschaften seien nur Studien zu einzelnen Orden oder zu bestimmten Einrichtungen wie Klöster und Schulen sinnvoll. Bisher gebe es 14 Studien von 7 Gemeinschaften; 4 weitere seien geplant.


Quelle:
KNA