Vor zehn Jahren sorgten Mohammed-Karikaturen für Schlagzeilen

Mit spitzer Feder

Vor zehn Jahren, am 30. September 2005, erschienen in Dänemark Mohammed-Karikaturen. Seither hat die Debatte an Schärfe zugenommen. Und gipfelte in dem islamistischen Angriff auf das Magazin "Charlie Hebdo".

Autor/in:
Jonas Krumbein
 (DR)

Karikaturist Achim Greser will Menschen zum Schmunzeln und zum Nachdenken bringen, am besten beides zugleich. Greser hat keine leichte Aufgabe und muss trotzdem mit leichter Hand zeichnen und texten. Wenn Greser gelingt, was seine Fans von ihm und seinem künstlerischen Partner Heribert Lenz erwarten, entstehen kleine Kunstwerke wie jene Karikatur eines Muslims mit Kaftan und Rauschebart, der in der Straßenbahn "Dschihad!" hervorstößt - und ein fröhliches "Gesundheit!" erntet.

Doppelbödiger Humor

Dieser doppelbödige Humor ist Greser und Lenz zuletzt manchmal abhanden gekommen. Schuld sind Angriffe auf Karikaturisten wie den Dänen Kurt Westergaard, der vor zehn Jahren Mohammed mit Bombe unter dem Turban zeichnete. Und auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" Anfang des Jahres. Schuld daran sind aber auch Appelle, auf religiöse Gefühle von Muslimen Rücksicht zu nehmen.

Darauf angesprochen sagt Greser: "Wir werden einen Teufel tun, uns selbst zu beschneiden. Wir glauben schon, dass jeder das Recht hat, dass ein Witz auf seine Kosten gemacht werden kann. Das ist Teil der menschlichen Kultur. Wer das nicht mag, soll hingehen, wo es das nicht mehr gibt."

Der Medien- und Islamwissenschaftler Kai Hafez von der Universität Erfurt meint: "Erst wenn wir nicht mehr darüber streiten, ob der Islam und die Muslime zu Deutschland gehören, kann sich ethnischer Humor wieder entfalten." Der deutsch-ägyptische Islamkritiker Hamed Abdel-Samad, selbst Sohn eines Imams, vertritt eine schärfere Position: "Wer Muslime ernst nimmt, muss sie kritisieren."

Was darf Satire, wenn es um Religion geht?

Es sind verschiedene Herangehensweisen an Fragen, die zusammenhängen. An eine alte Frage, die in den liberalisierten und säkularisierten Gesellschaft Westeuropas fast in Vergessenheit geraten war: Was darf Satire, wenn es um Religion geht? Und an eine neue Frage, die drängt, wenn Menschen klagen, als Muslime diskriminiert zu werden: Was dürfen Gläubige, wenn es um Satire geht?

Abdel-Samad geht derzeit mit seinem aktuellen Buch "Mohammed. Eine Abrechnung" auf Lesereise. Er wurde bedroht, steht unter Polizeischutz. "Ich möchte kein Symbol für die Meinungsfreiheit sein und kein Märtyrer", sagt er. "Ich möchte leben und frei sein. Deshalb habe ich Ägypten verlassen."

Achim Greser zeichnet weiter in Aschaffenburg. Auch gegen ihn soll es Drohungen gegeben haben. Nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" im Januar sagte die Stadt Hanau eine Gesamtschau von Greser und Lenz-Karikaturen ab. Die Sicherheitskosten seien explodiert. Nach Protesten eröffnete er die Schau trotzdem - unter Polizeischutz. Greser erinnert sich an einen Besuch Wochen später: "Als ich Freunden die Ausstellung zeigte, realisierte ich: Die Polizisten mit Maschinenpistolen sind immer noch da. Und die sind wegen dir hier! Das war beklemmend."

Regelungen im Grundgesetz als rote Linie

Und trotzdem: Mit "Schere im Kopf" will Greser nicht zeichnen. Die Grenzen von Satire? "Keine Witze über unsere Mütter. Den Rest regelt die Redaktion." Für Abdel-Samad bildet das Grundgesetz die rote Linie. Dort heißt es: "Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Kai Hafez mahnt zu Besonnenheit: "Wir können alles sagen. Aber wir müssen es nicht." Karikaturisten und Künstlern empfiehlt er, nicht nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern sich auch in Selbstiornie zu üben. So wie in der ARD-Serie "Türkisch für Anfänger", mit der "Fuck ju Göhte"-Star Elyas M'Barek bekannt wurde. Dort gibt es den Macho Cem ebenso wie die überbehütete Therapeutentocher Lena. Hafez findet: "So kommt kein Rassismusverdacht auf."

Achim Greser will sich durch religiöse Rücksichtnahme nicht einschränken lassen. Als Grenze für Satire bestimmt er: "Keine Witze über unsere Mütter. Und den Rest regelt die Redaktion." Er hat kein Verständnis für Eiferer, die wegen Karikaturen zu Gewalt greifen. "Ich zum Beispiel fühle meine Gefühle verletzt, wenn Menschen in der Öffentlichkeit Jogginghosen tragen. Deshalb greife ich aber niemanden an."

 


Quelle:
KNA