Vor fünf Jahren wurde in Taize Frere Roger getötet - Lichterfeier hier nachhören

Als lebe er noch unter ihnen

Die große Versöhnungskirche von Taize wird heute abend überfüllt sein; erfüllt auch von einer Mischung aus Trauer und dankbarer Erinnerung. Der burgundische Ort gedenkt des Todes von Frere Roger und erinnert an dessen ersten Besuch vor 70 Jahren. Die Lichterfeier vom Samstag liegt nun als Mitschnitt vor.

Bruder Alois: Der Leiter der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé (KNA)
Bruder Alois: Der Leiter der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé / ( KNA )

Viele Menschen werden in zusätzlichen Großzelten beten. Am 16. August 2005 wurde der Gründer der weltbekannten Ökumenischen Gemeinschaft hier zum Ende des Abendgebets von einer psychisch kranken Rumänin durch Messerstiche getötet. Eine Tat, die die Welt erschütterte.

Doch die Gedenkfeier am Samstagabend widmen die Brüder um den jetzigen Prior Frere Alois auch dem Gedenken an die Entstehung von Taize. Am 20. August 1940, vor 70 Jahren, kam der 25 Jahre alte Schweizer Calvinist Roger Schutz mit dem Fahrrad zum ersten Mal in das damals noch verschlafene Nest Taize und half in dunklen Weltkriegstagen Flüchtlingen.

Seit 1969 ökumenisch
Ab 1944 entstand dann aus einem Kreis von Studienfreunden jene Schar, die sich einer Aussöhnung der Kirchen, der europäischen Verständigung und einem einfachen Leben verschrieb. 1949 legten sieben Männer aus Kirchen der Reformation Ordensgelübde ab, versprachen Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Seit 1969 leben mit Erlaubnis des Erzbischofs von Paris auch katholische Brüder in der Gemeinschaft von Taize; sie stellen heute gut ein Drittel der rund 100 Brüder.

Frere Roger war zu Lebzeiten eine Symbolfigur der Hoffnung auf eine versöhntes und gerechteres Miteinander. Das blieb er, ohne dass die Brüder ihn nach seinem tragischen Tod überhöhten. Sein Grab vor der kleinen romanischen Kirche des Ortes wirkt unscheinbar. Ein Reihengrab, ein einfaches Holzkreuz, stets frische Blumen. Davor verharren immer mal wieder Jugendliche.

Auffallend viele Osteuropäer
In diesen Sommerwochen, da viele tausend Jugendliche aus ganz Europa die anliegende Zeltstadt bevölkern, sind es auffallend viele Osteuropäer. Kroaten, Litauer, Polen, Ukrainer, vor allem Rumänen. Seit vielen Jahren hat die Gemeinschaft einen besonderen Draht in dieses Land, in dem orthodoxe, katholische und reformierte Christen in ökumenischer Vielfalt leben. Im Mai 2008 traf Frere Alois im rumänischen Iasi auch die Mutter jener jungen Frau, die das Leben von Frere Roger beendete.

Sorge um die Zukunft der Gemeinschaft kam nach der Ermordung des Gründers nicht auf. Nur Stunden nach der Tat übernahm der aus Deutschland stammende Frere Alois das Amt des Priors. «Nach dem Tod von Frere Roger haben die Jugendlichen sehr schnell verstanden, dass es weitergeht», sagt der heute 56-Jährige. «Und unter uns Brüdern machten wir die erstaunliche Erfahrung, dass wir eins sind, dass wir uns von Gott selbst getragen fühlen; anders kann ich mir das nicht erklären.»
Steigende Besucherzahlen trotz Krise
Trotz aller Kirchenkrisen: Auch nach 2005 verzeichnet Taize steigende Besucherzahlen. Und auch wenn die Großküchen und die Organisation einem Massenbetrieb entsprechen: Spätestens in der bald 50 Jahre alten Versöhnungskirche ist die Sehnsucht der Beter nach Stille oder meditativem Gesang stets zu spüren. Fünf Jahre - in der katholischen Kirche wäre das die mindestens übliche Frist für den Start eines Seligsprechungsverfahrens. Frere Roger ist, so wirkt es, für die Brüder geradezu präsent. Sie zitieren ihn fast so, als lebe er noch unter ihnen, und sie betonen die Kontinuität. Frere Alois setzt die Kontakte fort, die sein Vorgänger pflegte, auch die regelmäßigen Besuche beim Papst im Vatikan und bei anderen Kirchenführern.

Anlässlich des Gedenkens an den Tod des Gründers und an seine Ankunft in Taize 1940 stellen die Brüder in diesem Jahr jeden Monat bisher unveröffentlichte Aufnahmen von Gesprächen mit Frere Roger als Videosequenz auf ihre Webseite. «Was wünschen wir denen, die hierhin kommen, am meisten?», fragt der weißhaarige alte Mann im aktuellen Beitrag. «Wir möchten, dass ihnen jemand zuhört, dass jemand für sie da ist... und sie in Liebe versteht.»