Vor fünf Jahren begann Greta Thunberg den Klima-Schulstreik

"Sie hat einen ersten Schritt gemacht, und das kann jeder"

Vor fünf Jahren brachte Greta Thunberg mit ihrem "Schulstreik fürs Klima" die "Fridays for Future"-Demonstrationen ins Rollen und traf sogar den Papst. Politikwissenschaftler Benjamin Schwarz erklärt die Dynamik der Klimabewegung.

Greta Thunberg im April 2019 in Rom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Greta Thunberg im April 2019 in Rom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Herr Schwarz, vor fünf Jahren hat sich die damals 15-jährige Greta Thunberg alleine mit einem Pappschild vor den Reichstag in Stockholm gesetzt. Sie demonstrierte dafür, dass Schweden das Klimaschutz-Abkommen von Paris einhält. Daraus ist eine internationale Bewegung geworden. Wenn Sie als Kommunikationsfachmann darauf schauen, wie konnte das gelingen?

Benjamin Schwarz (Politikwissenschaftler, Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur für Nichtregierungsorganisationen, Initiativen und Verbände und Autor des Buches "Wie kann ich was bewegen?"): Damals ist mehreres zusammengekommen. Zum einen hatte Gretas Aktion eine unglaublich große Symbolik: Sie war ein junges Mädchen und hat die Aktion aus Eigeninitiative gestartet. Sie hat so die Verzweiflung ihrer Generation symbolisiert.

Ihre Aktion stieß dann auf ein großes Bedürfnis in ihrer Generation, etwas tun zu können. Sie wurde zum Vorbild. Viele aus der jüngeren Klimabewegung sagen, dass sie über Social Media mitbekommen haben, was dieses Mädchen macht. Das hat sie inspiriert und dann mobilisiert.

Benjamin Schwarz

"Bewegungen kommen im Unterschied zu Kampagnen von unten."

KNA: Was macht eine Bewegung erfolgreich?

Schwarz: Zunächst stellt sich die quantitative Frage: Wie viele Menschen werden eigentlich mitgenommen? Das Wort "Bewegung" drückt ja aus, dass Menschen für eine Sache auf die Straße gehen oder sich etwas anschließen.

Bewegungen kommen im Unterschied zu Kampagnen von unten. An "Fridays for Future" kann man fast wie aus dem Lehrbuch sehen, wie heutzutage Bewegungen entstehen: Es gibt eine Symbolik, es gibt ein Thema, und es gibt ein Bedürfnis danach, es anzugehen.

Social Media trägt dazu bei, dass daraus eine Bewegung entstehen kann. "Black Lives Matter" ist auch ein Beispiel dafür.

KNA: Inwiefern helfen Soziale Medien?

Schwarz: Social Media kann gut eine visuelle Symbolik und starke Geschichten vermitteln, die dann Menschen mobilisieren. Außerdem sind dort viele Menschen direkt miteinander vernetzt.

Man kann also schnell viele Menschen erreichen und so eine Idee weitertragen. Heutzutage wird es kaum noch Bewegungen ohne Social Media geben können.

Benjamin Schwarz

"Wichtig ist, nicht nur zuzuschauen, sondern nach Lösungen zu suchen und aktiv zu werden"

KNA: "No one is too small to make a difference" hat Greta Thunberg einmal gesagt. Wie kann denn jede und jeder einzelne etwas bewegen? Das betrifft neben dem Klimaschutz ja auch kleinere Themen wie das neue Klettergerüst auf dem Spielplatz ums Eck.

Schwarz: Wichtig ist, nicht nur zuzuschauen, sondern nach Lösungen zu suchen und aktiv zu werden. Aktiv werden kann vieles heißen: Ich kann im Netz aktiv werden - es hilft schon, einen Post zu teilen und so Infos an andere weiterzugeben.

Ich kann auf der Straße aktiv werden und bei Demonstrationen mitgehen. Da sehe ich, dass ich nicht alleine bin mit meiner Position. Ich kann zu Organisationen gehen und dort aktiv mithelfen, mich sozial engagieren. Es gibt eigentlich kaum einen Bereich, der zu klein ist, um aktiv zu werden. Dieser erste Schritt, der ist wichtig.

Und was auch oft vergessen wird: Wählen gehen! Ich kritisiere Menschen, die in der Lage sind, alles zu beobachten und zu reflektieren, aber letztlich keine Handlung daraus folgen lassen.

Papst Franziskus und die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg im April 2019 / © Uncredited/Vatican Media/AP (dpa)
Papst Franziskus und die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg im April 2019 / © Uncredited/Vatican Media/AP ( dpa )

KNA: Viele Menschen haben aber das Gefühl, nichts verändern können. Was führt aus diesem Ohnmachtsgefühl heraus?

Schwarz: Erfolgserlebnisse sind wichtig. Egal ob es Leute sind, die sich schon lange engagieren oder Menschen, die das zum ersten Mal tun - das Gefühl der Selbstwirksamkeit ist wichtig.

KNA: Was heißt das konkret?

Schwarz: Wenn ich mich zum Beispiel mit anderen zusammengetan habe, um einen Radweg in meinem Bezirk zu bekommen, vielleicht Unterschriften gesammelt und sie beim Stadtrat eingereicht habe: Wenn dann der Radweg entsteht, dann ist das eine wertvolle Erfahrung, wie politisch wirksam ich als einzelne Person sein kann.

KNA: Wenn es aber nicht klappt, führt es das Gegenteil vor Augen ...

Schwarz: Welche Erfolge man hat, hängt natürlich auch von der Größe des gemeinsamen Ziels ab. Ein anderes Beispiel aus der Nachbarschaft: In vielen Städten gibt es sogenannte Stolpersteine im Bordstein, die an frühere Hausbewohner erinnern, die zur NS-Zeit ermordet wurden.

Menschen müssen mithelfen, diese Steine zu unterhalten. Ich habe es bei mir in der Straße erlebt, dass Nachbarn sich gegenseitig angesprochen haben und zusammen aktiv geworden sind.

KNA: Wie kann ich andere motivieren, mich in meinem Anliegen zu unterstützen?

Schwarz: Sie müssen das Bedürfnis bei den anderen adressieren und Wege aufzeigen. Also nicht nur zeigen, dass Veränderung nötig ist, sondern vor allem, dass sie möglich ist.

Ein Beispiel: Wenn genug Menschen eine Petition unterschreiben, kommt das Thema in den Bundestag. Also wieder zeigen, dass auch kleine Schritte wichtig sein und erfolgreich sein können.

KNA: Sie erwähnten Unterschriftenlisten und Petitionen. Muss jeder also die Möglichkeiten kennen, die das demokratische System in Deutschland bietet, um für seine Anliegen einzutreten?

Schwarz: Ich glaube, dass diese Kenntnis im Detail nicht nötig ist. "Ich weiß ja nicht, wie das machen soll", das ist oft eine Ausrede. Alles lässt sich heutzutage schnell im Internet nachschauen. Privat macht jede und jeder das ja auch so: Man erkennt ein Problem, man sucht nach einer Lösung. Wir sollten dieses Vorgehen auf gesellschaftliche, politische Probleme übertragen.

Klar, nicht jeder muss eine Greta Thunberg sein. Aber Greta Thunberg hat auch nicht als Sprecherin vor 500.000 Leuten auf einer Demonstration angefangen, sondern ganz alleine. Es hätte genauso passieren können, dass sie heute noch alleine da säße. Aber sie hat einen ersten Schritt gemacht - und den kann theoretisch wirklich jeder machen.

Das Interview führte Nicola Trenz.

Bischöfe und kirchliche Verbände dringen auf mehr Klimaschutz

Prominente Kirchen-, Ordens- und Verbändevertreter fordern die Politik zu mehr Anstrengungen für den Klimaschutz auf. Zugleich betonen die Unterzeichner des Appells "Wir sind bereit", sie seien selbst bereit zu mehr Engagement gegen den Klimawandel. Sie beklagen aber auch "zu viele Unklarheiten und bürokratische Hemmnisse".

Symbolbild Klimaschutz, Umweltschutz / © rangizzz (shutterstock)
Symbolbild Klimaschutz, Umweltschutz / © rangizzz ( shutterstock )
Quelle:
KNA