Vor 75 Jahren: Barmer Theologische Erklärung verabschiedet

Gegen die Hitler-Christen

Allein Jesus Christus. Niemand sonst darf als Gottes Offenbarung angesehen werden - schon gar nicht der vermeintliche Heilsbringer Adolf Hitler. Das ist die zentrale Botschaft der Barmer Theologischen Erklärung, die vor 75 Jahren, am 31. Mai 1934, verabschiedet wurde. Sie schuf nicht nur die Grundlage für den kirchlichen Widerstand gegen das Nazi-Regime, sondern war zugleich das erste gemeinsame Bekenntnisdokument von Lutheranern und Calvinisten seit der Reformation. So reicht die Bedeutung der Erklärung weit über die NS-Zeit und Deutschland hinaus.

Autor/in:
Bernd Buchner
 (DR)

Zunächst aber war Barmen eine Reaktion auf die unmittelbaren Zeitumstände nach der Machtergreifung. Die NS-gläubigen "Deutschen Christen" wollten das Führerprinzip auch in der Kirche durchsetzen, die protestantischen Landeskirchen zugunsten einer Reichskirche auflösen und das "jüdische" Alte Testament abschaffen. Doch das stieß auf Widerstand: Fast zeitgleich zur Wahl des hitlerfreundlichen Reichsbischofs Ludwig Müller formierte sich im September 1933 der Pfarrernotbund um Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer - aus ihm ging die Bekennende Kirche hervor, die wenig später zu der Versammlung nach Wuppertal-Barmen einlud.

Nach heftigen Diskussionen verständigten sich die 139 Synodalen auf den Text, der maßgeblich von dem reformierten Theologen Karl Barth
(1886-1968) sowie den Lutheranern Hans Asmussen und Thomas Breit formuliert worden war. Im Zentrum steht die Auffassung, die "Deutschen Christen" hätten den Boden des Evangeliums verlassen und ihren Anspruch verwirkt, Stimme der Protestanten zu sein. Die sechs zentralen Thesen beginnen jeweils mit einem Zitat aus dem Neuen Testament, gefolgt von Bekenntnis- und Verwerfungssätzen.

Schon die erste These (Barmen I) benennt Christus als einzige göttliche Offenbarung und weist damit alle Versuche der Hitler-Protestanten zurück, den "Führer" zum neuen Heiland zu stilisieren. In Barmen III wird die kirchliche Rechtsordnung dem Staat entzogen; die Kirche, heißt es dort, dürfe die Gestalt ihrer Ordnung nicht "dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen". Die zentrale fünfte These formuliert eine klare Absage an den totalen Staat und begründet theologisch ein kirchliches Selbstbestimmungsrecht mit der Freiheit von Organisation und Verkündigung.

"Wir sind keine Rebellen"
In der Barmer Erklärung spiegelt sich ein zunächst rein theologischer Konflikt im deutschen Protestantismus, der durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in hohem Maße politisiert wurde. Ein Akt des Widerstands war die Synode von 1934 gleichwohl nicht - Asmussen selbst erklärte: "Wir sind keine Rebellen." Doch auch wenn sich die Bekennende Kirche bald darauf spaltete, wurden die Thesen zu einem Dokument des Kampfes gegen das NS-Regime. Mit Barmen sei die Kirche erst "widerstandsfähig" geworden, schreibt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, in einer jüngst erschienenen Dokumentation.

Heute gilg das Papier als wegweisendes evangelisches Glaubenszeugnis des 20. Jahrhunderts. Barmen wurde nicht nur der Maßstab für die Haltung des deutschen Protestantismus zu zentralen Fragen wie Demokratie, Wirtschaftsordnung oder Atomwaffen, sondern ermutigte Christen in Diktaturen und schuf die Grundlage für die lutherisch-reformierte Abendmahlsgemeinschaft. Doch die Erklärung zog auch Kritik auf sich - so schweigt sie zu Antisemitismus und Judenverfolgung im NS-Staat.

Wenn von einer ökumenischen Bedeutung des Barmer Papiers die Rede ist, bezieht sich dies zumeist auf das innerprotestantische Gespräch. Beachtung im katholischen Bereich fand hingegen lediglich die fünfte These, in der der Staat zur Achtung der kirchlichen Freiheit gemahnt wird. Doch das Vermächtnis von 1934, sich mutig und theologisch fundiert gegen Unrecht abzugrenzen, spricht alle Christen an. Gefeiert wird der 75. Jahrestag am Freitag am historischen Ort, der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen, sowie zwei Tage später im Berliner Dom. Das Jubiläum fällt auf Pfingsten, den Geburtstag der Kirche.