Vor 60 Jahren starb Papst Johannes XXIII.

Der Vater des Konzils

Papst Johannes XXIII. hat mit dem Konzil eine Zeitenwende ausgelöst, im Wunsch, "dass alle eins seien". Dieser Wunsch ist auch 60 Jahre später in der römisch-katholischen Kirche noch unerfüllt geblieben.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Der tote Papst Johannes XXIII. wird auf den Petersplatz getragen (KNA)
Der tote Papst Johannes XXIII. wird auf den Petersplatz getragen / ( KNA )

Was wird aus dem Konzil, wenn der Papst stirbt? Diese Frage stellten sich im Frühjahr 1963 nicht nur Kirchenrechtler, als es mit der Gesundheit Johannes' XXIII. (1958-1963) sichtlich bergab ging. Der 81-Jährige, der es initiiert und seinen Beginn mit allen ihm bleibenden Kräften vorangetrieben hatte, hoffte zunächst, die Beratungen würden nur wenige Monate dauern.

Papst Johannes XXIII. bei einer Ansprache während der ersten Sessio des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1962 im Vatikan. Links neben ihm sitzt Erzbischof Alfredo Ottaviani, Präfekt der Congregatio Sancti Officii (dt. Heilige Kongregation des Heiligen Offizium). / © Ernst Herb (KNA)
Papst Johannes XXIII. bei einer Ansprache während der ersten Sessio des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1962 im Vatikan. Links neben ihm sitzt Erzbischof Alfredo Ottaviani, Präfekt der Congregatio Sancti Officii (dt. Heilige Kongregation des Heiligen Offizium). / © Ernst Herb ( KNA )

Doch angesichts der Dynamik, die die größte Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts entwickelte, wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er selbst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) nicht würde vollenden können.

Fortführung des Konzils war sein Letzter Wille

Am 3. Juni 1963, vor 60 Jahren, erlag Johannes XXIII. seinem Krebsleiden. Schon zuvor hatte es Stimmen gegeben, mit dem Tod des Papstes erlösche das Konzil, und seinem Nachfolger stehe es frei, es erneut einzuberufen.

Männersache: Zweites Vatikanisches Konzil (KNA)
Männersache: Zweites Vatikanisches Konzil / ( KNA )

Immer wieder wurde während des tagelangen Todeskampfes der Wunsch des Papstes transportiert - sei es über das ärztliche Bulletin, den Vatikansprecher oder über die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" -, das Konzil möge fortgeführt werden. So titelte etwa die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 30. Mai: "Der Wunsch des Papstes eine Bitte für das Konzil".

Auch die überlieferten Letzten Worte des Papstes - "ut unum sint" (dass alle eins seien) - wurden von der internationalen Presse auf das ökumenische Anliegen des Konzils hin interpretiert. Starb nicht Johannes XXIII. an Pfingsten, wo er doch sein Konzil einmal als ein "neues Pfingsten" bezeichnet hatte?

Die Vorbehalte am Beginn des Konzils waren groß

Kurz: Sein Wunschnachfolger, Kardinal Giovanni Battista Montini von Mailand / Papst Paul VI., konnte sich einer Fortsetzung der Kirchenversammlung kaum entziehen - auch weil dies schon bald als Letzter Wille Johannes XXIII. in der kirchlichen Öffentlichkeit verankert war.

nd obwohl Montini nicht zögerte und bereits kurz nach seiner Wahl die nächste Sitzungsperiode für den September 1963 festsetzte: Es ist nicht ohne Pikanterie, dass eben Montini als geistlicher Ziehsohn des Papstes im Januar 1959, am Abend nach der überraschenden Konzilsankündigung, einem Vertrauten am Telefon sagte, der Papst wisse offenbar gar nicht, in welches "Wespennest" er damit steche.

Audienz mit Papst Johannes XXIII. auf dem Petersplatz im Jahr 1961 (KNA)
Audienz mit Papst Johannes XXIII. auf dem Petersplatz im Jahr 1961 / ( KNA )

Als damals der bereits 77-jährige Kirchenhistoriker Angelo Giuseppe Roncalli, der eigentlich als "Übergangspapst" gewählt worden war, den verblüfften bis entsetzten Kardinälen verkündete, er werde ein Konzil der Gesamtkirche einberufen, waren die Vorbehalte groß - zumal an der römischen Kurie.

Johannes XXIII. wünschte sich kein weiteres Lehrkonzil mit Verurteilungen und Abgrenzungen, sondern ein "Pastoralkonzil"; einen seelsorglichen Versuch, die Botschaft der Kirche in die moderne Welt hineinzusprechen. Als er starb, war noch kein einziges der zahlreichen Konzilsdokumente spruchreif. Und doch ist das Zweite Vatikanum nicht zuletzt sein Werk.

Tiefgreifende Veränderung für die Kirche

Das Konzil veränderte die Kirche zutiefst. Die Versammlung von rund 2.400 Bischöfen der Weltkirche, von theologischen Beratern und ökumenischen Beobachtern öffnete den Katholizismus für die gesellschaftlichen und politischen Fragen der Zeit; für die Probleme der zeitgenössischen Menschen, womöglich auf Augenhöhe.

Es öffnete die Türen für einen ökumenischen und interreligiösen Dialog. Es wertete die Rolle der Bischöfe gegenüber Rom auf und die Rolle der Laien gegenüber den Bischöfen. Es schnitt alte Zöpfe ab und brach mit Traditionen, bot so Menschen eine neue geistliche Heimat; andere vertrieb es, die sich im Neuen nicht mehr heimisch fühlten.

Der vermeintliche "Übergangspapst" hatte eine Zeitenwende ausgelöst - im Wunsch, "dass alle eins seien". Dieser Wunsch ist auch 60 Jahre später selbst in der römisch-katholischen Kirche unerfüllt geblieben.

Ein Indiz dafür war schon die gemeinsame Seligsprechung der beiden Konzilspäpste Pius IX. (1846-1878) und Johannes XXIII. im Jahr 2000: ein kirchenpolitischer Kompromiss zwischen päpstlichem Primat, Unfehlbarkeit und Verurteilungskatalogen einerseits und Roncallis Idee des "aggiornamento" (Verheutigung) andererseits.

Eine Chronologie des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965)

28. Oktober 1958

Wahl des Patriarchen von Venedig, Angelo Giuseppe Roncalli, zum Papst. Er gibt sich den Namen Johannes XXIII.

25. Januar 1959

Der neue Papst kündigt vor 17 Kardinälen im Kapitelsaal der Basilika Sankt Paul vor den Mauern überraschend ein Konzil für die Weltkirche an. Ziele seien eine "Erneuerung", "größere Klarheit im Denken" und eine "Stärkung des Bandes der Einheit".

17. Mai 1959

Zweites Vatikanisches Konzil (KNA)
Zweites Vatikanisches Konzil / ( KNA )
Quelle:
KNA